Diskussionen in Internet-Foren

      Diskussionen in Internet-Foren

      Ist natürlich lustig, darüber in einem Internet-Forum zu diskutieren, aber egal :)

      Was denkt ihr unterscheidet das Diskutieren in Foren von Diskussionen im "echten Leben"? Aufmerksamen Beobachtern wird aufgefallen sein, dass Argumente in Internet-Foren nicht so leicht hingenommen werden, wenn sie nicht der eigenen Meinung entsprechen bzw etwas schnell mal als lächerlich defamiert wird, egal ob es das ist oder nicht...
      Warum ist man mit seiner Meinung in Foren weniger flexibel als sonst?
      was mir auffällt ist, das sehr viele Erwachsene ins Kindesalter zurückversetzt werden.
      Um es kurz zu sagen: 90% derer Meldungen würden sie sich nie trauen einem ins Gesicht zu sagen, bzw würden sie es nicht so ausführlich gestalten, denn im Realität geht so eine Diskussion viel schneller voran und wenn ich mir anschaue wie viel Zeit so manche ihre Beiträge stecken dann kommt mir doch ein Schmunzeln.
      Aber ja, wenn man es einem nicht ins Gesicht sagen muss ist man gleich viel stärker (so blühen ja auch viele auf, wenn die betroffene Person nicht im Raum ist)

      Was unseren Bereich betrifft kann ich nur sagen die ersten werden bald die Rechte verlieren, wenn sie so weiter machen :)
      Seriös ist das bei weitem nicht!
      Save the Princess. Save the World

      Erfolgreichster Schüler des großen McLechner
      Prinzessin der Drachenelfen
      Gentleman



      ganz simpel...in einer breiten öffentlichkeit möchte man "recht"-haben und zeigen wie gescheit und allwissend man ist...andere meinungen die so garnicht der eigenen entsprechen, kann man da einfach nicht akzeptieren, das würde ja das bild, welches man von sich selber zeichnen möchte, eventuell wieder ausradieren :D
      Außerdem ist es wohl auch genetisch bedingt. Es gibt wahrscheinlich Gründe warum man nicht jedem immer das sagt, was man meint. Diese Gründe gehen IMHO (muss aber überhaupt nicht stimmen) in die Vergangenheit zurück, wo man sich noch bei der kleinsten Meinungsverschiedenheit die Köpfe eingeschlagen hat. Von wegen Faustrecht und so. Außerdem ist es viel leichter, sich persönlich angegriffen zu fühlen, wenn man Mimik und Gestik seines Gegenübers nicht sieht. :)
      Fields of Glory auch für die Steiermark!

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      wenn das ganze zu emotional wird, sind IMO immer die selben beteiligt, da das forum aber nicht nur für einige wenige da ist, sollte man vielleicht wirklich einigen leuten (inklusive mir) die rechte, hier zu posten, entziehen, würde sicher zu ruhigeren diskussionen führen...
      Das Problem ist das fehlende Feedback und die sehr 2dimensionale Möglichkeit der Kommunikation.

      zB

      @ruffy , das ist Unsinn.

      das kann lustig gemeint sein, das kann sehr böse und agressiv sein.
      Im Gespräch ist es relativ eindeutig. Hier nicht.
      Weiters ist auch die Interpretation des anderen oft noch ein Problem. Siehe auch Akademiker sind die besseren Spieler. Was gelesen wird und was dort steht sind oft zwei paar Schuhe.
      Auch ist die zeitliche Verzögerung ein Problem.

      Insgesamt ist das Inet nur für Leute geeignet die sich gegenseitig schätzen und auch die Meinung des anderen.

      Sia
      Hoffnungsloser Fluffgamer, Jack of all Trades- Master of None
      Erfinder der ÖMS und des Charity.
      nehmt doch bitte den rauchthread - das wird total emotional.

      Eine Fraktion hat eine Sucht und wittert, daß man sie in ihrer "persönlichen Freiheit" (was das nun für den einzelnen bedeutet, sei mal offen gelassen) in zukunft beschneiden möchte.
      Eina andere Fraktion streut noch Salz in die Wunde mit den Worten: "Gut so!"

      .... das man da halt nicht mehr wirklich sachlich bleibt, bzw. emotional reagiert kann ich nachvollziehen....
      In a world without walls and fences, who needs windows and gates?


      Gentleman
      ich muss sagen, das ich dem meisten bisher gesagten kaum zustimmen kann.

      manche leute sind einfach argumente-resistent. die sind das aber nicht nur in einem forum, die sind das auch "im realen leben" ich kann da überhaupt keinen unterschied erkennen.

      weiters glaube ich kaum, dass sich leute dinge im forum sagen trauen, die sie der angesprochenen person nicht auch ins gesicht sagen würden. zumindest, wenn sich die beiden persönlich kennen. wenn man sich "nur" über ein forum kennt, dann kann sowas schon vorkommen, aber die meisten hier kennen sich ja untereinander.

      aber auch hier spielt die generelle persönlichkeit die entscheidende rolle. manche reden schlecht hinterm rücken, andere sagen auch unangenehme dinge ins gesicht. ob da ein forum einen sooo grossen unterschied macht? ich glaub nicht.

      die tatsache, dass man in einem forum mehr zeit hat, um seine gedanken zu formulieren (was die posts oft laaang macht), halte ich für einen vorteil. auf mehrere aussagen gleichzeitig antworten zu können (so wie ich hier) ist in einer "normalen" unterhaltung kaum möglich. so wie auch diskussionen mit so vielen teilnehmern kaum möglich sind, wenn alle zu wort kommen wollen.

      dem muten stimme ich zu. da viele leute in einem forum eine diskussion verfolgen, kann es durchaus sein, dass das publikum auswirkungen hat auf die diskussionskultur.

      erin hat sicher auch recht, wobei das, was er sagt, auf jede form der kommunikation zutrifft, nicht nur auf internet-foren.

      emotional werden diskussionen auch abseits von foren (kommt wieder nur auf die teilnehmenden charaktere an). manche menschen sind emotionaler, andere weniger. da seh ich kein problem. wozu rechte entziehen? was ist falsch an ein bissl emotion in einer diskussion?

      sia hat auf der einen seite recht, das ein forum die kommunikation in gewisser weise einschränkt, was probleme verursachen kann.

      andererseits sehe ich nicht ein, warum nur leute, die einander schätzen, miteinander diskutieren sollen. bei kontroversiellen themen ist das kaum möglich.

      ob man die meinung des anderen immer schätzen muss, das lass ich mal dahingestellt. ob man sein missfallen oder seine geringschätzung zum ausdruck bringen soll/darf, das ist eine andere frage. (wobei ich der meinung, bin, man darf, was kaum jemanden überaschen wird.)

      übrigens, wer "streut salz in die wunden" im raucher-thread? das kann ich nicht nachvollziehen, wie du darauf kommst. hast ein paar zitate bei der hand?

      last, but not least sollte man sich nicht zuviel von diesen threads erwarten. die sind ja nicht dazu da, um grosse probleme zu lösen.

      für mich dienen sie 2 dingen:

      1) unterhaltung

      2) ich lerne die anderen besser kennen

      zitat: Also bitte jetzt nicht persönlich nehmen, aber im Grunde bist ja ein Depp wennst rauchst. Weil heutzutage ist ja hinlänglich bekannt wie schädlich Rauchen ist, und man macht es wider besseren Wissens trotzdem. Das is ja fast der Archetyp eines "Deppen" *g*
      Ich trete ja auch net täglich gegen eine Wand um mir den Fuß zu brechen....


      das nenn ich z.b. salz in die wunde steuen...
      In a world without walls and fences, who needs windows and gates?


      Gentleman

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „pipehacker“ ()

      Original von shlominus
      i

      die tatsache, dass man in einem forum mehr zeit hat, um seine gedanken zu formulieren (was die posts oft laaang macht), halte ich für einen vorteil. auf mehrere aussagen gleichzeitig antworten zu können (so wie ich hier) ist in einer "normalen" unterhaltung kaum möglich. so wie auch diskussionen mit so vielen teilnehmern kaum möglich sind, wenn alle zu wort kommen wollen.



      Dem kann ich nicht zustimmen. Es ist halt auch eine Frage wie man das Internet bzw. Foren benutzt. Ich les hier nur nebenbei mit und hab eigendlich keine Zeit mich mit dem Thema wirklich zu beschäftigen, bin möglicherweise sogar mit den Gedanken woanders. Meistens les ich nur, bzw. überfliegs nur. Manchmal möcht aber doch dann kurz irgendwo was dazu sagen. Schrieb los, oft lösch ichs dann, weil ich merk, in der Kürze kann ich mich nicht deutlich genug ausdrücken, manchmal poste ich halt trotzdem, dann strotzt es meistens vor Rechtschreibfehlern, und ist oft auch nur schwer zu verstehen.

      Ich glaub viel der heißen Diskussionen entstehen auch weil, sich viele (mich eingeschlossen) nicht die Zeit nehmen, genau zu lesen, und auch noch zu überlegen wie könnt der andere es wirklich gemeint haben.

      In einer Diskussion von Angesicht zu Angesicht bin ich auf mein Gegenüber konzentriert. und nicht auf irgendetwas anderes. Sicherlich gibts die Möglichkeit sich für eine Thema hier im Internet deutlich mehr Zeit zu nehmen, vielleicht sogar vorm Schreiben, mal kurz Infos zu sammeln, aber wer tut das schon, in so einem Forum.

      lg Myratel
      The-ninth-age: Orcs and Goblins (20000), Highborn Elves (10000)
      Legends of the old West: Mexican Banditos, Lawman
      Epic: Eldar (6000), Orks (6000) Baran Siegemaster (2000)
      RGP: DnD , DSA, Warhammer, Deadlands und bei Gelegenheit noch einige andere Systeme

      Wer ein System ausprobieren mag, ich zeig es ihm gerne.
      Eine großartige Fragestellung, Ruffy!

      Es gibt sehr wohl einiges, was die Diskussion im Forum von der mündlichen Diskussion unterscheidet. Man würde der ersten Fragestellung aber nicht gerecht werden, wenn man sich jetzt auf deine Nachhak-Frage mit der Inflexibilität oder, allgemeiner, auf die Nachteile des Forums beschränkt. Es gibt nämlich sehr wohl auch Vorteile, und sich über die Vor- und Nachteile Gedanken zu machen, kann sicher auch ganz konkret auf die Diskussionskultur hier positive Auswirkungen haben.


      Ich würde die Unterschiede grob in zwei Bereiche einteilen:

      1) Die Forumsdiskussion ist langsam, viel langsamer als mündliche Diskussionen. Das hat Nachteile, wie bereits vielfach angesprochen, klar, aber auch Vorteile, wie von shlominus schon entgegnet. Ich will versuchen, diese Aspekte genauer zu durchleuchten.

      2) Die Forumsdiskussion erfolgt schriftlich, mündliche Gespräche erfolgen über gesprochenes Wort. Klingt trivial, hat aber auch einige gravierende Konsequenzen.

      Was sind jetzt diese Konsequenzen?

      1) Wohl der Hauptnachteil der langsamkeit der Foren-Kommunikation ist das Fehlen von schnellen Komponenten der Kommunikation: Unmittelbares Feedback des Zuhörers fällt komplett weg - ein zustimmendes Nicken oder ein kritischer Blick im einfachsten Fall, aber auch ein Ins-Wort-Fallen mitten während des Redens des anderens entfallen im Forum, man sagt erst alles, und schickt den Post ab, bevor man irgendeine Form von Feedback abwarten kann. Das macht das Erläutern unter Umständen schwieriger. Außerdem werden verschiedene Kommunikationstechniken erheblich erschwert oder gar unmöglich, im Speziellen sind Fragen an den Gesprächspartner erheblich schwieriger als in der verbalen Kommunikation. Frage-Antwort-Spiele wie im Sokratischen Dialog sind ein in dieselbe Richtung gehendes Beispiel für Kommunikationstechniken, die gänzlich unmöglich werden.
      Allgemein lässt sich sagen, dass die Langsamkeit da von Nachteil ist, wo man kurze, einfache Dinge sagen (oder allgemein: übermitteln. Siehe Mimik, Nicken) will. Das ist einfach nicht schnell genug möglich, daher sinnlos. Es bleibt ein Privileg der verbalen Kommunikation.

      Aber parallel dazu habe ich auch schon die erste entscheidende Stärke der Forumskommunikation: während ich durch die Langsamkeit des Kommunikationsprozesses einfache Dinge nicht angemessen übermitteln kann, ist es andererseits unabdingbar fürs sinnvolle Übermitteln komplexer Dinge. Komplexe Sachverhalte lassen sich einfach besser übermitteln, wenn man ausreichend Zeit dazu hat. Dieser Punkt wird unter den Aspekten von (2) (schrift gegen gesprochenes) noch vertieft.

      Nun möchte ich zu dem von shlominus angesprochenen Punkt kommen. Dass man in einem Forumspost mehrere Dinge gleichzeitig behandeln kann ist nicht nur ein Vorteil an sich, sondern erleichtert es vor allem auch, das "big picture" zu zeichnen statt sich in Details zu verlieren, wie es bei mündlichen Gesprächen oft passiert.
      (hier sei als Beispiel auf den Rauchverbots-Thread verwiesen, der sich durch die durch den emotionalen Zugang vieler zum Thema bedingten kurzen Posts mit jeweils nur einzelnen Argumenten in Details verliert und damit ständig im Kreis dreht. Aber auch und besonders in verbaler face-to-face-Kommunikation hab ich das mehr als einmal erlebt, dass man sich in Details verfängt, und dann am Ende der Diskussion das unbefriedigende Gefühl hat, gar nicht zum Kern des Themas vorgedrungen zu sein)

      Der letzte Punkt unter den Vorteilen der Langsamkeit - der IMO zugleich ein besonders wichtiger Punkt ist - wurde interessanterweise noch nicht angesprochen. Wenn man schon so lange an einem Beitrag schreibt, hat man auch - und nimmt sich auch - die Zeit, über die eigene Argumentation nachzudenken, sie zu strukturieren, und auf eventuelle Denkfehler aufmerksam zu werden.
      Normalerweise hat man eine grobe Vortellung seiner Meinung, aber erst die Zeit, sie genau auszuformulieren und zu strukturieren, ermöglicht es, diese Gedanken ausführlich zuendezudenken.
      Besonders durch diesen Aspekt sind Forendiskussionen für mich wesentlicher Bestandteil meiner eigenen Meinungsbildung. Die Argumentationen der anderen zu lesen (seien es Forumsposts, Bücher oder was auch immer), sie mit meinen bisherigen Ideen zum Thema zu konfrontieren, und dann die Schlüsse, die ich daraus ziehe, zu strukturieren, ist der übliche Modus zur Bildung meiner Meinung zu verschiedenen Themen. Und das Strukturieren geht am besten durch schreiben - und ein Forum ist eine ideale Gelegenheit, um zu schreiben. (Man kann also sagen, dass das Nachdenken während des Schreibens selbst neben den beiden von shlominus angesprochenen Punkten der dritte Sinn solcher Threads für mich sind)

      Bevor ich jetzt aber zu den Vor- und Nachteilen komme, die sich aus der schriftlichen gegenüber der mündlichen Kommunikation ergeben, möchte ich aber die Gelegenheit nutzen, einige weitere Konsequenzen dieses letzten Punktes, des "Gleichsetzens" von Schreiben mit Nachdenken, erörtern.

      a) Das Ergebnis, der fertige Beitrag, spiegelt nicht den gesamten Denkprozess wider. Das kann zu einigen Missverständnissen führen. Allen voran kann so ein fertiger Post - der ja erst die zuendegedachten Argumente beinhaltet - sehr... "steinern" wirken. Wie eine autoritäre Präsentation einer lange vor der Diskussion vorgefassten Meinung, ohne Spur von Zweifel, fast schon überheblich, rechthaberisch, arrogant. Das ist natürlich nur in den seltensten Fällen tatsächlich so. Aber auch und gerade ich selber habe bei meinen längeren Posts - und das ist schon wieder so einer - oft die Befürchtung, in diese Ecke gedrängt zu werden, ebenso muss ich selber oft dagegen ankäpfen, andere Posts auf die Art vorschnell zu bewerten.

      b) Außerdem stellt sich die Frage, wenn denn für mich das Nachdenken im Vordergrund stehe und das Schreiben nur Mittel zum Zweck ist: Warum schicke ich meine Posts dann überhaupt ab? Worum geht es also wirklich? ums oberlehrerartige Vorbeten meiner ach so tollen geistigen Ergüsse? um die Außenwelt an meinen ach so tollen während des Schreibens erlangten Erkenntnisse teilhaben zu lassen? Das kann es auch nicht sein, weil das würde implizieren, dass ich meine Argumentation nach Schreiben des Posts abgeschlossen hätte und nunmehr eine unverrückbare, feste Meinung gefunden hätte. Das würde der flexiblen Natur von Denkprozessen nicht gerecht werden. Einerseits sicher darum, dass man ungern das Ergebnis von teilweise wirklich stundenlangen Schreibens einfach wegwirft. Andererseits tue ich ebendas auch des öfteren aus verschiedenen Gründen (meine Argumentation hat sich im Laufe des Denkprozesses als falsch erwiesen, oder ich finde nicht die richtigen Worte, es vernünftig rüberzubringen, etc.).

      Aber ich glaube, die eigentliche Motivation ist eher die, dass ich von den anderen erwarte, mit meinem Post genauso zu verfahren, wie ich mit den Post vor mir: Unschlüssigkeiten finden, Gedankengänge straffen, weiterdenken. Wenn jemand in meiner Argumenation Fehler, Widersprüche oder andere Probleme findet, die ich nachvollziehen kann, lerne ich etwas dazu. Wenn niemand solche findet, sehe ich meine Argumentation für daweil bestätigt.

      Andererseits komme ich auch hier wieder auf dadurch entstehende mögliche Missverständnisse. Objektive, rationale Kritik ist nichts negatives. Auch wenn sich manchmal das Ehrgefühl gekränkt fühlen kann, wenn man Unrecht hat (insbesondere in einer so öffentlichen Diskussion, wie muten schon angesprochen hat), darf man nicht aus den Augen verlieren, dass Fehler zu einem Denk- und Lernprozess dazugehören, und dass es nicht im Geringsten mit Prestigeverlust verbunden ist. Als Einstein zeigte, dass Newtons Physik nicht der Realität entspricht, tat das Newtons Ruhm keinen Abbruch - er gilt noch heute als großartiger Physiker, auch wenn er im Unrecht war. Wichtig ist nicht, recht zu haben. Wichtig ist, am Denkprozess teilzuhaben, das Denken voranzutreiben. In diesem Licht betrachtet ist auch sofort klar, warum Newtons Ruhm bis heute ungebrochen ist. In diesem Sinne bin ich dabei, mir abzugewöhnen, mich zu sehr mit meinen Ideen zu identifizieren. Wenn sie falsch sind, sind sie eben falsch, dann nehme ich eben neue Ideen an. Dennoch ist es sicher auch für mich einer der schwierigsten Aspekte in rationalen Diskussionen. Wobei das nicht nur auf digitale Kommunikation zutrifft, sondern auf jede Form.



      Darum komme ich jetzt auch schon wieder zurück zu den Vor- und Nachteilen von schriftlicher gegenüber mündlicher Kommunikation.


      Ein riesiger Vorteil der mündlichen Kommunikation ist, dass neben der gesprochenen Sprache noch viele weitere Aspekte dazukommen: Aussprache/Betonung, Gestik, Mimik. Die mündliche Kommunikation verläuft über viele Kanäle gleichzeitig, während die schriftliche praktisch nur einen einzigen hat (eventuell könnte man Betonungen wie mit *Sternen*, fettdruck, kursivschrift noch dazuzählen, oder auch smileys, aber die Möglichkeiten hier sind doch äußerst begrenzt im Vergleich zur verbalen Kommunikation). Das ist eng verwoben mit den oben beschriebenen Möglichkeiten der höheren Feedback-Geschwindigkeit, aber nicht ganz gleichzusetzen. Schnelles Feedback ohne "zusätzliche Sprachkanäle" (Betonung, Mimik etc) hätte ich z.B. in einem Chat auch, die zusätzlichen Sprachkanäle ohne schnellen Feedback hat man auch in "Frontalvorträgen" wie Reden, Vorlesungen (hier gibt es immerhin eine sehr degenerierte Form von Feedback) oder Videoaufnahmen. Daher sind diese Aspekte gesondert voneinander zu betrachten, auch wenn sie oft miteinander verwoben sind - wie eben z.B. dass das schnelle Feedback oft über Kanäle wie Nicken, Mimik übermittelt wird.

      Aber ich sehe in der schriftlichen Kommunikation auch einen entscheidenden Vorteil gegenüber der mündlichen. Auch wenn es auf den ersten Blick ein Widerspruch mit der oben erwähnten Langsamkeit der Forumsdiskussion zu sein scheint: lesen geht einfach viel schneller als reden.
      Auch wenn man länger braucht, die Posts zu schreiben: das lesen geht wesentlich schneller. Das ist einer der beiden Gründe, warum es überhaupt erst möglich ist, komplexe Themen ausführlich zu besprechen. Wenn man alles im Forum Geschriebene laut vorlesen müsste, würde mitunter schon ein einziger Post locker eine halbe Stunde beanspruchen. Lesen kann man ihn dagegen erheblich schneller.
      Der zweite Grund ist die Aufmerksamkeit. Jeder, der öfters mal in die Verlegenheit kommt, stundenlange Vorträge anhören zu müssen, wird es bestätigen können: das geht einfach nicht. Man schläft ein. Menschen haben keine so lange Aufmerksamkeitsspanne, die es ermöglichen würde, lange verbale Argumentationsstränge bis zum Ende zu verfolgen, vor allem wenn es in der Langsamkeit, die der gesprochenen Sprache nunmal inhärent ist, verläuft. Jeder Rhetorik-Trainer wird es einem auch bestätigen können: viel länger als 20 Minuten sollte ein Einzelner nie reden, das Ohr wird dem monotonen Klang der immergleichen einzelen Stimme einfach überdrüssig, und man kann dem Gesagten nur noch schwer konzentriert folgen.
      Beim Lesen ist das dagegen völlig anders. Ich kann problemlos 4, 5 Stunden ein Buch lesen, ohne dass meine Aufmerksamkeit nachlässt. Bei Vorlesungen kämpfe ich oft genug spätestens nach einer halben bis dreiviertel Stunde mit dem Einschlafen. Und dabei liegt es weder an der Thematik - sonst könnte ich nicht Bücher zu denselben Themen stundenlang lesen - noch an der Art des Vortrags - das kommt auch bei den besten Vortragenden vor.

      Ich halte daher diese länger Aufmerksamkeitsspanne beim Lesen für ein ziemlich allgemeines Phänomen - wobei man einschränkend dazusagen muss, dass bei Leuten, die das Lesen am Bildschirm nicht gewohnt sind, durchaus bei längerem Lesen die Augen ermüden, was die Aufmerksamkeitsspanne doch wieder senken kann. Dennoch ist das für mich ein wichtiger Grund, warum komplexe Themen, die ausführlicher Argumentationen bedürfen, in einem Forum IMO besser zu diskutieren sind als verbal.



      (Kleine Fußnote, da ich diese Aspekte schon oben angesprochen habe: wow, geschlagene zwei Stunden nachgedacht, Gedanken strukturiert und getippt... und das Ergebnis zuletzt als strukturiert genug befunden, um abgeschickt zu werden. Aber es hat sich gelohnt: aus meiner allgemeinem, nicht konkret argumentierten Vorliebe von Forendiskussionen hat sich jetzt in diesen zwei Stunden eine rationale Erklärung für ihre Hintergründe herauskristallisiert. Jetzt bin ich gespannt, wie meine Argumentationslinien mit euren Ansichten zu dem Thema zusammenpassen und ob und wo ich Gedankenfehler gemacht habe, auf die ich nicht selber schon beim Schreiben gekommen bin -> bitte sachlich, aber schonungslos darauf hinweisen ;)

      Und wenn ich schon dabei bin, aus dem Nähkästchen zu plaudern:
      dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, dass ich auf Myratels Post überhaupt nicht eingegangen bin... auch wenn ich zwei Stunden geschrieben habe, dieser Post war vorher schon da. Es liegt auch nicht daran, dass ich ihn für uninteressant halte, im Gegenteil. Der Grund ist: es passt nicht in mein Modell, daher muss ich die durch seinen Post aufgeworfenen Fragen umgehen, bis ich auch dafür eine vernünftige Erklärung habe. Damit ist sein Post sogar in gewisser Hinsicht der interessanteste überhaupt für meine Argumentation: an ihm kann sich entscheiden, ob alles von mir geschriebene jede praktische Relevanz einbüsst. Ich weiche also gewissermaßen einem Kern des Problems aus. Aber ich habe schon eine grobe Vorstellung meiner Antwort dazu: ich würde es so formulieren, dass während ich über die intrinsischen Möglichkeiten einer Forumsdiskussion eingehe, das von ihm angesprochene Problem nur von der Beachtung abhängt, die die Leute dieser Form von Diskussion - nämlich in einem Forum - entgegenbringen. Nachdem ich sowohl sehr fruchtbare Diskussionen als auch solche, die dadurch ziemlich sinnlos wurden, dass nur eine Seite bereit war, den zu einer vernünftigen Diskussion notwendigen Aufwand in ein Internet-Forum - mit abwertenden Tonfall zu lesen - zu stecken, habe, ist das aber eine sehr relevante Frage. Aber die positiven Beispiele bewegen mich dazu, an den großartigen Möglichkeiten festzuhalten und momentane, durch öffentliche Meinungen bedingte, praktische Probleme, als lösbar zu betrachten. Nur habe ich jetzt keine Zeit mehr, diesen Argumentationsstrang in der angebrachten Ausführlichkeit zu beleuchten ;) )

      okay, ich nehm das "kleine" bei "kleine Fußnote" oben zurück... :D
      alea iacienda est.