Sigurds Tagebuch - Die Reise nach Tiléa

      Wir hingegen öffnen nun die 'letzte' Tür der Speisekammer, hinter der ein schmaler Raum liegt, den zahllose Fackeln an den Wänden hell erleuchten. Zwei Ogerwachen werden hier gerade von einem Vorgesetzten - zumindest scheint er das zu sein ? nach allen Regeln des Soldatenlebens zur Schnecke gemacht. (Manchmal will es mir scheinen, als sei der Unterschied zwischen Menschen und Ogern gar nicht so groß, aber ich bin mir sicher, über so etwas sollte ich im Beisein anderen nur in einer Schenke reden, in der es früher oder später sowieso zu einer zünftigen Schlägerei kommt...). Und dieser Vorgesetzte ist, wie wir erst erkennen können, als wir etwas näher herantreten, der Oger mit dem schiefen Gesicht, dieser Krodogg - nur ist er kaum wiederzuerkennen: Seine einst schöne Kleidung ist halb verbrannt und ihm nur noch in Streifen am Leib. Links neben ihm in er Wand von klafft ein rundes Loch, und an der gegenüberliegenden Seite ist ein riesiger Rußfleck zu erkennen, in dessen Mitte sich - als unberührte Felswand - die Silhouette eines riesenhaften Ogers mit unverkennbar schiefem Gesicht abzeichnet. Ohweia... Sofort begreifen wir, was hier passiert ist. Nur nichts anmerken lassen! (Auch wenn ich zugeben muss, dass ich mich lange nicht mehr so sehr beherrschen musste, nicht einfach loszuprusten.) Und die beiden armen Oger-Wachen (was schreibe ich denn da?!) bekommen jetzt Krodoggs ganzen Zorn ab und erinnern mich frappierend an schuldbewusste kleine Schuljungen. Natürlich geht es bei dieser Standpauke vor allem um die Goblins, und auch darum, wieso es den Wachen nicht endlich gelingt diese Störenfriede und Diebe zu beseitigen! ?Mein schöner Umhang!?, poltert Krodogg, ?Man muss dieser Plage doch endlich Herr werden können! Warum könnt Ihr nicht ... WAS WOLLT IHR DENN HIER ?? ?Wir sind wegen Eures Goblinproblems..." will Magnus erklären, doch sofort fällt ihm Krodogg ins Wort: ?Ihr wollt uns dabei helfen, die kleinen Biester los zu werden?" Seine Augen leuchten. ?Nein?, mische ich mich ein. ?Das haben wir schon.?

      Also führen wir die drei Oger in die Speisekammer und präsentieren ihnen die übrig gebliebenen Köpfe; dann berichten wir kurz von unserer Auseinandersetzung mit den Goblins, und sofort werden sie gleich noch viel freundlicher: ?Ihr könnt ja richtig kämpfen! Und zum Schrein wollt ihr? Gar kein Problem! Rothnogg wird ihn Euch zeigen. Er ist der Herr des Schreins, er weiß sogar dessen Macht zu nutzen." (Schon erstaunlich: Sonst poltern Oger mit ihrer Sprache wie Zwerge nach dem achten Ale, aber wenn es um den Schrein geht, haben die plötzlich alle die neuesten Verse des Hofbarden von Altdorf gefrühstück!) "Im Augenblick ist aber grad Besuch da, so 'n Pärchen. Ihr müsst also warten. Das kann natürlich dauern! Hmmm. Hättet ihr vielleicht Interesse an einem Würfelspielchen, solange ihr wartet ?? Magnus und ich stimmen zu - mit den Leuten sollten wir es uns lieber nicht verderben (zumindest vorerst), und so begeben wir uns zurück in die Vorhalle des Schreins, während die Oger schnell noch ein paar Schemel herbeischafften. Immerhin sind sie hoch genug, dass ich fast über die Tischkante blicken kann ... Und natürlich ergeht es Magnus mit seinen fast sieben Fuß hier ungleich besser; hoffentlich kann ich ihm dieses überlegene Grinsen mit ein paar guten Würfelwürfen wieder austreiben! Aber die rettende Idee, wir könnten uns auf diese Schemel ja stellen, kommt uns dann doch wieder gleichzeitig. (Allmählich spielen wir uns regelrecht ein, will es mir scheinen!) Und so große Würfel wie hier habe ich auch noch nie gesehen.

      ?Aber um welchen Einsatz spielen wir? Das Geld, das wir dabei haben interessiert euch ja nicht!" ?Haha, haben Euch die beiden Torwachen auch drangekriegt ? Das machen sie mit jedem von euch Winzlingen. Natürlich schätzen wir Euer Menschengeld! Wir haben gar kein eigenes. Die beiden müssen mittlerweile 'ne ganze Sammlung haben von diesen Zwergen-Tellern haben. Aber sagtet Ihr nicht vorhin, da unten in der Höhle gäbe es noch massig von diesen Goblin-Köpfen? Wenn Ihr verliert, holt Ihr uns einfach noch ein paar davon rauf, wir kommen da ja schließlich nicht hin, und es ist doch viel zu schade, so ein gutes Essen einfach verderben zu lassen!? So ist unser Einsatz geregelt. Über den Einsatz der Oger vergessen wir dabei glatt zu verhandeln - wie wir kurz darauf feststellen, als Magnus in der ersten und ich in der zweiten Runde siegreich sind.

      Die dritte Würfelrunde geht dann an Krodogg, und die Oger brechen in einen lauten Jubel aus. Die nächste Mahlzeit ist gesichert! Magnus und mir bleibt also nichts anderes übrig, als wieder von den Schemeln zu klettern, den langen Weg in die Goblin-Höhle zurückzunehmen und dann, beladen mit diversen Leichenteilen der Grünhäute, wieder zurückzukehren. Kaum sind wir zurück, ist an ein Weiterspielen erst einmal nicht zu denken, schließlich 'steht ja das Essen auf dem Tisch'. Danach spielen wir weiter - zum Glück gelingt es Magnus und mir, die meisten Runden für uns zu entscheiden, aber eben doch nicht alle. ?Ich glaub ja selbst nicht, was ich hier tue?, raunt mir Magnus zu, als wir dann mal wieder ein Spiel verlieren und in der Höhle weitere, halb verbrannte Goblins zusammentragen müssen. "Hoffentlich erfährt der Tempel davon nichts. Das Gerede würde ja wochenlang nicht aufhören!"

      Endlich öffnet sich der Vorhang am anderen Ende des Saales, und das Ogerpärchen von vorhin tritt hervor. Als die 'Dame' uns erblickt, stürmt sie geradewegs auf Monalon zu: ?Ach, wie süüsss! Schatz, so eine will ich auch ...sind die nicht niedlich?? Und dann beginnt sie damit, der Magierin über den Kopf zu streicheln, als wäre sie ein Haustier. Ihr 'Mann' wendet sich dann aber ziemlich schnell unserer Spielerunde zu: ?Ah, Würfelspiele ...und der Imbiss macht auch mit ??
      ?Der Imbiss gewinnt sogar!?, lache ich ihn an, als ich gerade zwei 'Sechser' unter dem Lederbecher hervor zaubere.

      So geht es eine ganze Weile noch weiter. Während Magnus und ich jetzt zu unserem Glück kein Spiel mehr abgeben, selbst nachdem der zukünftige Bräutigam sich auch noch am Spiel beteiligt, wird die bemitleidenswerte Monalon immer wieder von der Ogerfrau betätschelt. Na, da würfel ich doch lieber!

      Endlich öffnet sich der rote Vorhang erneut, und nun erscheint ein gewaltiger Oger. Und ich meine: für einen Oger gewaltig! Dieser Kerl misst sicher um die vierzehn Fuß in der Höhe und satte vier in der Breite. Er trägt einen feder-geschmückten Ledermantel, in den merkwürdige Metalteile, Äste und diverse Federn eingewoben sind. Überall auf seiner Haut (soweit sie nicht von seiner Kleidung verdeckt ist) sind unzählige Tätowierungen und Ritualnarben zu erkennen, und in seine Stirn und seine Wangen sind mehrere schwere Metallringe eingelassen. Das muss Rothnogg sein, der Priester, der hier das sagen hat: ?Ihr wünscht den Schrein zu sehen? Dann folgt mir.? Und so führt der Ogerpriester uns an das Ende des Vorraumes und hebt mit einer lässigen Handbewegung den Vorhang, damit wir passieren können. Dahinter versperrt uns ein riesiges Fallgatter den Weg. Doch der Oger hebt es einfach an! (Es beruhigt mich zu sehen, dass er dafür wenigstens beide Hände braucht!) Aber er muss nicht einmal schnaufen, als er uns währenddessen hereinbittet: ?Tretet ein!? Als wir unter dem Gitter passiert haben, lässt der Priester es einfach herunterrasseln, und ich habe das Gefühl, beim Aufprall würde die Erde selbst beben. Ohne fremde Hilfe kommen wir hier jedenfalls nicht mehr hinaus.

      Und dann betreten wir endlich den Schrein. Ein wunderschöner Raum, mindestens zwanzig Fuß hoch und von einem Dutzend kunstvoller in die Wand eingelassenen Halbsäulen gesäumt. Dahinter schließt sich, etwas erhöht und durch mehrere Stufen abgetrennt, ein Nebenraum an, eine Art halbkreisförmige Kapelle an. Und dort ist ein etwa drei Fuß hohes Podest errichtet, auf dessen Fläche ein ovaler, dunkler Stein steht. Er sieht fast aus wie ein übergroßes Ei - doch er steht auf der Spitze! Eigentlich ist das doch unmöglich! Das muss mit der berühmten Spiritualität der Zwerge zu tun haben: sie haben einfach ein ganz anderes Verhältnis zur Natur im Allgemeinen und der Erde (und damit auch den Steinen) im Besonderen. Natürlich habe ich davon schon häufiger Erzählungen gehört, aber begriffen habe ich das bislang nie. ?Ich lasse Euch dann mal allein?, sagt Rothnogg nur noch, dann verschwindet er in einem Durchgang in der Kapellenwand, der bislang hinter einem weiteren Vorhang verborgen war.

      ?Das ist dann wohl der zweite Stein - aber wie bekommen wir den jetzt hier raus?? Genau das gleiche scheint auch Magnus gerade durch den Kopf gegangen zu sein, das verrät sein Gesichtsausdruck deutlich. Aber wo ist eigentlich Monalon? Wir wenden uns um und sehen, wie die stets neugierige Magierin sich gerade über ein kreisrundes Loch im Boden beugt und wie gebannt in die Tiefe starrt. Plötzlich stößt sie einen gellenden Schrei aus und weicht hastig zurück. Vielleicht habe ich mir das ja nur eingebildet, aber es schien mir, als habe kurz fahles Licht aus diesem Loch im Boden Monalons Gesicht in einen geradezu widernatürlichen Schein gehüllt.


      Fortsetzung folgt!
      Noch Festtag, der 20. Vorgeheim

      Was ist denn los, Monalon ??, rufe ich der Magierin zu, deren Gesicht kalkweiß geworden ist. Daraufhin berichtet sie uns von einer großen Kammer, die unter diesem Saal liege. Viel hätte sie jetzt nicht erkennen können, nur das der Boden sehr merkwürdig aussah - irgendwie schwärzlich und uneben -, und dass sich Ihr dann auf einmal aus der Wand weiß schimmernde Tentakeln bedrohlich entgegen gestreckt hätten ... und das was der Moment, in dem sie dann (wohl vernünftigerweise) zurückgewichen war. Andererseits: Wie war das noch mit der Riesenspinne, die sie dort unten in der Goblinhöhle gesehen haben wollte? Allmählich mache ich mir um die Kleine ernstlich Sorgen.

      Nun, dennoch hat erst einmal keiner von uns allzu große Lust, sich mit diesem Loch im Boden zu beschäftigen, und so nehmen wir stattdessen den Ei-förmigen Stein etwas näher in Augenschein. Auf der glatten Oberfläche sind Zeichen und Symbole zu erkennen, eher Bilder als Schriftzeichen, würde ich vermuten, aber zweifellos zwergischen Ursprungs. Monalon merkt an, sie spüre deutlich eine magische Aura um diesen Stein herum - was mich natürlich an den Feuer-Stein erinnert, den ich jetzt langsam und vorsichtig aus meiner kleinen Reisetasche hervor ziehe. Und mein Stein leuchtet, und zwar stark wie noch nie zuvor. ?Das hier ist definitiv der zweite der Steine, die wir suchen!?, verkündet daraufhin Magnus, und er fährt fort: ?Dieser Stein symbolisiert wohl das große Ei, aus dem Grungni einst die Welt gemeißelt hat.? ?Infolgedessen würde ich jetzt kühn behaupten wollen, dass es sich hierbei um den Erdstein handelt?, setze ich den Gedanken fort, und das Nicken des Sigmarianers verrät mir, dass er wohl ähnliches gerade auszusprechen im Begriff war.

      Nun gilt es also diesen Stein an uns zu bringen - das war nun einmal der Zweck der ganzen Reise vom Elfenlager bis hierher in die Berge - und möglichst unauffällig wieder zu verschwinden. Ich stelle für alle fest, dass es augenscheinlich drei mögliche Fluchtwege gibt. Da ist zum einen der Vorhang, hinter dem der Hohepriester Rothnogg vorhin verschwunden ist - diese Möglichkeit scheidet eigentlich fast von vorne herein aus. Dann haben wir da das mysteriöse Loch im Boden und das Fallgatter als mögliche Ausgänge. Letzteres scheint uns die beste Wahl zu sein, schließlich sind uns die Räumlichkeiten, die dahinter liegen ja bereits bestens bekannt.

      Magnus ist es, der als erstes alleine versucht, das Gatter einmal probeweise zu öffnen. Und er schafft es tatsächlich, es ein Stück anzuheben - aber nicht für lange. Monalon und ich kommen in einem weiteren, gemeinsam unternommenen Versuch auch nicht viel weiter. Mein Vorschlag lautet daraufhin, dass Magnus und ich das Gatter zu zweit anheben und Monalon erst einmal mit dem Stein darunter hindurch kriecht. Doch bevor wir so ein gewagtes Vorhaben in die Tat umsetzen, gilt es dann doch erstmal den Ort unserer letzten Fluchtmöglichkeit - dieses Loch im Boden - etwas näher zu untersuchen.

      Der Boden der Kammer, die Monalon ja bereits ansatzweise beschrieben hat, befindet sich in etwa drei bis vier Manneslängen unter uns. Hmmm, das ist zudem eigentlich mehr ein Saal als eine Kammer! An den Wänden sind kunstvolle Verzierungen auszumachen, die denen auf dem Erdstein zu ähneln scheinen. Direkt unter dem Loch ist ein kleines Podium zu erkennen: eine weiße Steinfläche, die von dunklem Erdreich umgeben zu sein scheint. ?Viel ist da aber nicht zu erkennen?, merkt Magnus trocken an und packt eine Fackel aus, entzündet diese und lässt sie in das Loch fallen. Kaum ist die Fackel auf dem Podest aufgeschlagen, da dringt aus allen Wänden gleichzeitig lautstarkes Zischen, und weiße, arm-dicke Tentakeln bewegen sich rasend schnell auf das Feuer zu - das nach wenigen Momenten wieder erloschen ist. ?Nun - offenes Feuer scheinen die nicht sonderlich zu mögen? stellt Monalon daraufhin fest. Das haben wir ja nun alle gesehen, Monalon, geht es mir durch den Kopf.

      Hmmm...?, überlege ich dann laut, ?Warum wirft Monalon nicht einen ihrer Feuerbälle dort hinab? Die Tentakeln, die ja ganz wild auf jegliches Feuer zu reagieren zu scheinen, werden bei der Explosion vernichtet, und wir seilen uns ab - das Podest, auf dem 'unser' Stein ruht, scheint mir stabil genug zu sein, um ein Seil daran zu befestigen. Und noch ein Vorteil: durch dieses enge Loch werden uns die Oger sicherlich nicht folgen können.?. Zu meinem Erstaunen wird mein Vorschlag - eigentlich hatte ich ja nur laut gedacht - für gut befunden und sogleich in die Tat umgesetzt.

      Kurz darauf zerbersten zwei von Monalons Feuerbällen auf der hellen Steinplatte unter uns, und ich sehe noch, wie eine Vielzahl der hellen Tentakel-Arme aus den Wänden auf genau diese Stelle zuschießen - aber das ist auch der Moment, in dem ich erst einmal ein paar Schritte von dem Loch im Boden zurückweiche, denn ich ahne ja schon was jetzt passieren wird. Magnus ist meinem Beispiel gefolgt, und auch Monalon gelingt es gerade noch sich zurückzuziehen, da ertönt eine gewaltige Explosion unter uns, die fast den ganzen Berg erschüttert, und kurz darauf rast eine gewaltige Flammensäule aus dem Loch hinauf, die bis an die Decke dieses Saales leckt und uns kurz darauf in einem gewaltigen Asche-Regen stehen lässt.

      WAS MACHT IHR DENN HIER????, dröhnt es uns plötzlich entgegen, und vor uns baut sich Rothnogg, der gewaltige Ogerpriester, auf. Mann, der reicht ja fast bis zur Decke! Und er ist allem Anschein nach auch noch ein wenig verärgert. ?WACHEN!!! ... RAUS MIT EUCH, ABER GAAANZ SCHNELL! AB IN DIE SPEISEKAMMER MIT EUCH BÜRSCHCHEN.? Magnus versucht noch sein bestes, um auf Rothnogg einzuwirken, erzählt von den gefährlichen Tentakeln und das wir uns doch nur gewehrt hätten - das ist aber leider völlig zwecklos. Wir hören noch, wie das Fallgatter hochgezogen wird, und da kommen auch schon drei Ogerwachen, angeführt vom schief-gesichtigen Krodogg persönlich. Magnus murmelt noch: ?Jetzt ist sowieso alles egal!?, zieht sein Schwert und erhebt es gegen den Ogerpriester - aber dieses Unterfangen ist völlig sinnlos: Sein Gegenüber packt ihn mühelos und schleudert ihn mit Schwung gegen die Höhlenwand; scheppernd landet Magnus' Schwert auf dem Boden. ?Sollen sich nur was angucken und machen dann Feuer, diese Menschlein! Und wundern sich dann, wenn 'se in die Vorratskammer kommen. Was hattet Ihr eigentlich an dem Loch zu suchen ?? Der weiteren Diskussion kann ich nicht folgen, denn ich werde von hinten gepackt und hochgehoben, und aus dem Augenwinkel kann ich gerade noch erkennen, dass es Monalon ebenso ergeht. Na Mahlzeit, jetzt haben wir den Salat. Oder besser gesagt: Die 'Mahlzeit' haben jetzt die Oger ... nämlich uns. Prächtig.

      Und so geht unter dem Gatter hindurch in den lang gestreckten Vorraum, indem wir vorhin noch so friedlich dem Kartenspiel frönten, dann in die Vorratskammer. Aber dort bleiben wir nicht, sondern werden weiter in Richtung Höhlenausgang gestoßen. Hä? Verstehe einer die Oger! ?Ach was soll das denn, die haben die Goblins doch jetzt erledigt!?, erklärt Krodogg seinen Untergebenen, und so machen diese auf der Stelle kehrt, wobei ich bemerke, dass Magnus in gleicher Weise vom Anführer persönlich gepackt worden war. Und schon es geht zurück in den Vorratsraum ... und weiter in den Gang, der zum Vorraum des Schreins führt. Ich begreife überhaupt nichts mehr! und dann sehe ich das große Loch in der Wand auf mich zukommen und stürze in die Tiefe.

      Der Aufprall ist heftig, aber es fühlt sich nicht an, als wäre ich auf Stein gelandet! Und so tief war der Sturz zum Glück auch nicht. Ich rolle mich rasch zur Seite - gerade noch rechtzeitig, wie ich gleich darauf merke, als Monalon und dann auch der schwere Magnus genau dort aufschlagen, wo ich gerade noch gelegen habe.

      Wir befinden uns in einem nach oben hin offenen, hölzernen Käfig, der an starken Seilen in einem eckigen Schacht hängt. Der Boden besteht aus einem engen Gitter - das erklärt auch, warum der Aufprall sich so sonderbar angefühlt hat! Muss aber ganz schön hartes Holz sein, wenn das sogar einen stürzenden Magnus aushält. Über uns ist noch das Loch zu erkennen, durch das wir gerade so unsanft gestoßen wurden, und unter uns, in etwa zwei Manneslängen Tiefe, ist der Boden zu sehen. Zudem scheint der Schacht dort unten in einen größeren Höhlenraum überzugehen. Hmmm... dort unten scheinen auch regungslos zwei riesige Gestalten zu liegen - vermutlich Oger. Neben mir sind die Holzstäbe der Seitenwand dieses Käfigs bereits mächtig angesengt, und genau dahinter befindet sich eine Öffnung in der Wand des Schachtes, die in die uns bereits bekannte Goblin-Höhle führt. Das Schlachtfeld, auf dem der gute Magnus so eindrucksvoll gewütet hat, ist jedenfalls unverkennbar.

      Der Plan, nämlich die Goblinhöhle, wo wir vor den Ogern erstmal sicher wären, zu erreichen, ist schnell gefasst und wird sogleich in die Tat umgesetzt, Magnus bearbeitet mit seiner Elfen-Axt die bereits deutlich angegriffenen Holzstreben - den verdächtigen Lärm, den er dabei zwangsläufig verursacht, versuche ich mit einem schmetternden Lied - einem berüchtigten Schlachtengesang der Zwerge Middenheims - zu übertönen. Viel nutzt das freilich nicht (wie unmusikalisch ist dieser Priester eigentlich? Der kann ja beim Hacken nicht einmal den Takt halten!), denn nach kurzer Zeit tönt die laute Stimme eines Ogers, vermutlich Krodoggs, zu uns herunter: ?RUHE DA UNTEN. HÖRT AUF, DEN KÄFIG KAPUTT ZU HAUEN, SONST STÜRZT IHR NOCH AB WIE UNSERE BEIDEN KUMPELS NEULICH, UND DANN KANN MAN EUCH NICHT MEHR ESSEN!!! WÄRE DOCH VERSCHWENDUNG!? Ehe sie uns sofort wieder raufziehen und sogleich verspeisen, stellen wir unsere Bemühungen lieber vorerst ein.

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      Ich benutze die Gelegenheit unseres vorläufigen 'Nichtstuns', um mich ein wenig hier umzuschauen. Die Wände hier sind unglaublich glatt: das war sicher kein Werk Rhyas! Weder Wasser noch Magma könnte den Felsen dermaßen aushöhlen. Vielleicht irgendetwas Magisches, ganze am Ende etwa ein Werk des Erdsteins selbst? Schon möglich. Als ich den mir anvertrauten Feuerstein kurz unauffällig aus der Tasche ziehe, bemerke ich, dass dieser wieder sehr hell leuchtet; mir scheint es sogar noch etwas stärker als vorhin, als ich ihn in die Nähe des Erdsteins hielt.

      Da durchdringt von oben die für einen Oger relativ helle Stimme Hraddyags die Stille: ?Ist bei Euch da unten alles in Ordnung ?? ?Soweit so gut?, antwortet ihm Magnus. ?Mal davon abgesehen, dass wir bald von Euch verspeist werden sollen geht es uns den gegebenen Umständen entsprechend gut. Aber halt, Ihr seid doch der Koch ohne Appetit, da könntet Ihr uns doch vielleicht helfen! Ihr würdet uns doch sicher nicht verspeisen wollen?? ?Nun, dass mit dem mangelnden Kohldampf hat sich Dank Eurer köstlichen Goblinköpfe wohl erledigt. Aber da Ihr mir geholfen habt, bin ich gerne bereit, Euch auch zu helfen. Was kann ich denn für Euch tun ?? Hierauf entwickelt sich eine nette Unterhaltung zwischen uns und Hraddyag, von dem wir dann erfahren, dass es dort unten weitere Gänge geben soll, bei dessen Erforschung zwei Ihrer Kameraden bereits den Tod gefunden hätten (unzweifelhaft handelt es sich dabei um die zwei Gestalten, die da einige Schritt unter uns liegen). ?Sollen wir für Euch die Gänge dort unten mal erforschen??, stellt Magnus dem Koch die entscheidende Frage. ?Hmmm, ich werde mal den Boss fragen?, verspricht der Koch. ?Aber ich weiß nicht so recht, ob das was nützen wird ...Der ist nämlich immer noch hochgradig erbost. Aber bevor ich ihn fragen gehe: Hier ist vielleicht noch etwas, was Euch dort unten weiterhelfen könnte.? Spricht's und wirft etwas den Schacht hinunter. Es gelingt mir, dieses 'Etwas' aufzufangen: Es handelt sich dabei um ein kleines Schriftstück, genauer gesagt eine Karte eines Teiles dieses Höhlen-Komplexes, wie ich vermute. Die schlechten Lichtverhältnisse lassen aber leider eine genauere Untersuchung nicht zu.

      Es dauert diesmal nicht so lange, da tönt auch schon die mächtige Stimme Krodoggs von oben herab: ?WOLLT IHR DAS WIRKLICH MACHEN, WAS HRADDYAG MIR DA GRADE GESAGT HAT?? ?Die Höhlen dort unten durchsuchen??, entgegne ich. ?Sicher - ist doch besser für uns, als gefressen zu werden? ?Nun, wie Ihr wollt, versucht Euer Glück! Das hier könnte Euch dabei helfen ...? Und wieder fliegt etwas durchs Loch - das ich glücklicherweise ebenfalls auffangen kann, auch wenn es mir beinahe durch das Gitter gerutscht wäre. Diesmal handelt es sich gleich um zwei Schriftstücke (in einer hübschen Rolle), deren Text zu entziffern aber wiederum die hier herrschende Dunkelheit nicht so richtig zulässt.

      Nur: wie sollen wir jetzt dort hinunter kommen? Mir fallen auf Anhieb zwei Möglichkeiten ein, die ich den anderen dann auch gleich erläutere: ?Entweder wir knoten eine Art Seilverlängerung oben an zwei eng beieinander liegenden Stellen an das Trageseil und schlagen dieses dann durch, was den ganzen Käfig ein Stück nach unten befördern würde - das Seil darf natürlich nicht zu lang sein. Oder wir hacken uns mit dem Beil nach unten durch und seilen uns dann ab. Bei beiden Vorschlägen besteht natürlich die Gefahr abzustürzen ...? Monalon zieht ein schiefes Gesicht und ist ganz offenbar weder über den einen, noch über den anderen Vorschlag wirklich begeistert. Etwas anderes (und vor allem: Besseres) fällt ihr allerdings auch nicht ein, und so macht sich Magnus an die Arbeit: Schon hackt er den ersten der Gitterstäbe durch, die den Boden unseres Käfigs bilden. Zwei oder drei sollten genug sein, um sogar dem großen Kerl genug Platz zu bieten.

      Zum Glück geht alles gut, wir stürzen nicht ab und das Abseilen fällt uns sogar überraschend leicht - und so erreichen wir alle drei wohlbehalten den Boden eines, wie wir nun feststellen, recht großen Höhlenraumes. Viel mehr ist allerdings aufgrund der hier herrschenden Finsternis nicht zu erkennen. Wir sind auf einer nahezu rechteckigen glatten, steinigen Fläche 'gelandet', die von lockerem Erdreich umgeben scheint - erinnert mich ein wenig an den Gemüsegarten meiner Ziehmutter Gwendolyne kurz vor der frühjährlichen Aussaat. Die zwei gewaltigen Leichen der Oger liegen zum großen Teil in diesem Erdreich. Sie tragen noch die typischen Lederrüstungen der Wachleute, allerdings sind sämtliche Metallnieten und Beschläge spurlos verschwunden. Schon merkwürdig! Monalon macht einen vorsichtigen Schritt über die Steinplatte hinaus: Sie sinkt zwar mit ihren Füßen etwas ein, aber der Boden scheint sie zu tragen. Soweit so gut - doch um die 'Räumlichkeiten' hier unten zu erforschen, benötigen wir dringend etwas Licht. Vor einer Fackel würde ich eher abraten, erklärt Magnus. Dieser Raum erinnert doch stark an die Höhle unter dem Heiligtum. Mich würde es nicht wundern, wenn auch hier diese merkwürdigen Tentakeln in den Wänden lauern. "Hmmm, das glaube ich auch, füge ich an. ?Die Riesenspinne, die Monalon in der Goblin-Höhle so erschreckt hat, könnte ihren Ursprung hier unten gehabt haben - was sie gesehen hat, waren vielleicht keine Spinnenbeine, sondern diese Tentakeln .... Wenn dem so wäre, fällt Monalons blaues Licht, das sie so vortrefflich auf ihrer Handinnenfläche erscheinen lassen kann, allerdings als mögliche Lichtquelle ebenfalls aus, denn darauf, so merkt die Magierin an, hätten die Tentakeln vorhin ja ebenfalls reagiert.

      Nun, im Dunkeln möchte ich hier nicht unbedingt umherirren, stelle ich fest, aber vielleicht bleibt uns doch noch eine Lichtquelle, die wir nutzen können. Auf die erstaunten Blicke meiner beiden Begleiter hin, die ich halb wahrnehme und halb erahne - es ist wirklich sehr finster hier unten - berichte ich davon, wie der Feuerkristall scheinbar auf die hiesige Umgebung reagiert, nämlich mit einem intensiven Leuchten. Hmmm ... wer weiß ob das die Tentakeln nicht auch aufschreckt - aber eh wir hier völlig blind herum irren, sollten wir es vielleicht riskieren. So ziehe ich den magischen Stein vorsichtig hervor und halte ihn für für eine kurze Zeit hoch, ehe ich ihn ganz schnell wieder einstecke. Kurz waren im Lichtschein kunstvoll behauene Wände zu sehen, und auch ein Gang, der anscheinend weiter in den Berg hinein führt. Nun ist es natürlich erstmal wieder dunkel. Nun, keine Spur von irgendwelchen Fangarmen! Ich denke, ich mache dann mal wieder Licht. Und so ziehe ich den Stein erneut aus der Tasche, halte ihn nach oben und bewege mich langsam in Richtung des Ganges zu meiner Linken, offenbar dem einzigen Ausgang aus diesem Raum. So trete ich, wie zuvor Monalon, von der etwas erhöhten Steinplatte und sinke fast bis zum Knöchel in das erstaunlich durchlässige Erdreich ein. Sieht also nicht nur so aus, sondern ist auch beschaffen wie frischer Mutterboden.

      Zur Linken zweigt bald von dem Hauptgang, in dem wir uns gerade befinden, ein enger Gang ab. Ich hole meinen Kompass hervor und versuche mich zu orientieren: ?Das Heiligtum mit dem Erdstein, oder besser: der Raum darunter, müsste sich etwa in Richtung dieses abzweigenden Ganges befinden.? ?Na dann lasst uns mal unser Glück hier versuchen?, entscheidet Magnus, und so übernehme ich mit meinem Licht wieder die Führung. Der Erdschlamm wird immer tiefer, je weiter wir uns vorwärts bewegen, erst fuss-, dann sogar knietief. Dieser Gang ist sehr kunstvoll in den Felsen gehauen, immer wieder wird er von verzierten Steinbögen eingerahmt. Wenn dieser merkwürdige Schlamm auf dem Boden nicht wäre, könnte man von einer insgesamt überaus kunstvollen Anlage sprechen. Die in der Baukunst so sehr bewanderten Zwerge haben hier wieder einmal große Arbeit geleistet! So etwas habe ich selbst in Middenheim in derartiger Ausprägung nie zu Gesicht bekommen.

      Der Gang endet schließlich vor einer Tür aus Zedernholz, die von einem kunstvollen Spitzbogen gekrönt wird. Abgeschlossen ist diese Tür zwar offenbar nicht, aber dennoch schwer zu öffnen, da der Schlamm am Boden sie natürlich hemmt. Doch mit vereinten Kräften gelingt es uns dann doch, dieses Hindernis zu beseitigen und die Tür zu öffnen. Naja, hinter uns zufallen wird sie jetzt dafür sicher nicht, so wie sie jetzt im Schlamm feststeckt!

      Der relativ kleine Raum, den wir jetzt betreten, wird in seiner Mitte zum größten Teil von einem großen Holztisch ausgefüllt, der allerdings irgendwie merkwürdig aussieht - als hätte jemand die Tischplatte an mehreren Stellen angefressen. An den Wänden befinden sich mehrere halb verwitterte Bettstätten, der Größe nach zu urteilen war das hier vielleicht einst ein Schlafgemach für Zwerge. Zur Rechten führt eine weitere Tür aus diesem Raum hinaus, dessen Boden im Übrigen - wie scheinbar dieser ganze unterirdische Komplex - von der merkwürdigen Erdschicht bedeckt ist.

      Monalon nimmt den Tisch etwas genauer in Augenschein und stellt fest, dass sämtliche Eisenteile der Konstruktion entfernt wurden. Als sie das näher untersucht, fällt ihr allerdings ein kleiner Metallring in die Hand, den sie sofort über einen ihrer Finger zieht. Was hat sie wohl damit vor? Naja, wenn sie denkt, dieser Tand stehe ihr, dann bitte, nur zu!

      Ich mache einen Schritt auf die noch ungeöffnete zweite Tür zu, und dann geht auf einmal alles ganz schnell: Zwei Tentakeln kommen direkt aus der Tür auf mich zugeschossen, ich will gerade noch mein Schwert ziehen, da packt mich irgendetwas von hinten und schleudert mich heftig zur Seite. Das mag der gute Magnus ja nett gemeint haben, aber leider verliere ich dabei den Boden unter den Füßen und lande mitten im Schlamm. Als ich mich wieder hochrappele, sehe ich, wie Magnus mit seinem Schwert auf die zwei Tentakeln einhaut - aber oh weh, da kommen noch mindestens sechs weitere dieser Dinger aus den Wänden geschossen! ?ALLE RAUS HIER!!!?, brülle ich aus Leibeskräften und stürze sofort aus dem Raum; die anderen sind mir zum Glück nah auf den Fersen. Und man kann nicht mal die Tür hinter uns zuschlagen, denke ich mir noch und hoffe mal, dass die Tentakeln nicht so weit reichen und wir uns schnell aus der Gefahrenzone entfernen können.

      Irgendwie ist es mir bei der ganzen Aktion gelungen, den Feuerstein, unsere einzige Lichtquelle hier unten, immerwährend hochzuhalten (und nicht etwa in dem Schlammbad, das ich so unfreiwillig genommen habe, zu verlieren), und so finden wir den Weg zurück zum Hauptgang ohne weitere Schwierigkeiten. Hier wenden wir uns nach links, und gerade als wir um die Ecke biegen, hören wir hinter uns ein peitschenartiges Knallen. Als wir herumwirbeln, müssen wir feststellen, dass uns der Rückweg jetzt versperrt ist , denn wie Speere schnellen etwa zwei Dutzend Tentakeln aus einer Seitenwand heraus und bohren sich tief in das gegenüberliegende Mauerwerk. Langsam wird es mir hier unten wirklich mulmig zumute!

      Uns bleibt also nur, dem Gang weiter zu folgen und schon nach kurzer Zeit erreichen wir einen großen höhlenartigen Saal, dessen Wände zur Hälfte noch kunstvoller behauen sind als der Gang, aus dem wir gerade getreten sind. Prachtvolle Fresken und Ornamente legen einmal mehr Zeugnis ab über die fantastische Baukunst, die die Zwerge beherrschen (oder einst beherrscht haben). Doch viel Zeit bleibt mir nicht, diese Wunder länger zu bestaunen, denn irgend etwas stimmt ganz und gar nicht mit mir. ?Sigurd, Deine Wange - Iiiihhh, da krabbelt ja was!!!?, kreischt Monalon. Ich fahre mir über das Gesicht und entferne ein ekelhaftes Wurmgetier. Und plötzlich beginnt es in meinem Nacken fürchterlich zu kribbeln. Auch dort 'lebt' etwas, was ich sofort entferne ?und dann beginnt es plötzlich fast an meinem ganzen Leib. Ich reiße mir die Jacke herunter und beginne damit, mich von ganzen Horden von ekligem Getier zu befreien: ?KANN MIR VIELLEICHT MAL JEMAND HELFEN ?? Meinen Rücken erreiche ich nämlich nur sehr schlecht. Obwohl sie sich sichtlich vor den Würmern ekelt, sorgt die liebe Monalon dafür, dass das Kribbeln auch auf meinem Rücken zum Glück bald ein Ende findet.

      Gerade als die Magierin ihre gute Tat beendet, wird sie plötzlich gegen die Wand geschleudert, als hätte ein gewaltiger Hieb sie getroffen. Und genau so ist es auch! Schon wieder Tentakeln, hört das denn nie auf? Sie rappelt sich zum Glück schnell auf: ?DA KOMMEN NOCH MEHR!!!?. Tatsächlich! Ich entdecke gerade noch rechtzeitig die Öffnung eines weiteren Ganges, bewege mich darauf zu, mach aber dabei einen großen Bogen um einen Tentakel, der von der linken Seite nach neuen Opfern umhertastet.

      Ich wähne mich in dem neuen Gang schon in (relativer) Sicherheit, spüre nur kurz, dass mein linker Fuß in diesem Schlamm an irgendetwas hängen bleibt, kann mich aber mit einem etwas heftigeren Ruck wieder befreien, da höre ich hinter mir ein neues Geräusch: Ein lautstarkes Schleifen, als werde Metall über Gestein gezogen. Und als ich mich dann umblicke, muss ich feststellen, dass ich von meinen zwei Gefährten abgeschnitten bin: Ein gutes Dutzend fingerdicker Eisenstäbe haben sich waagerecht aus der linken Wand geschoben sind dann in Vertiefungen auf der gegenüberliegenden Seite eingerastet. Ein waagerechter Vorhang aus massivem Metall verhindert nun jegliches Durchkommen. ?SIGURD, HINTER DIR!!!?, brüllt Magnus mir zu, und als ich mich nun wieder umwende, schießen zwei weitere Tentakeln aus der linken Seitenwand auf mich zu.


      Fortsetzung folgt!

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      noch Festtag, der 20. Vorgeheim

      Ein schwerer Schlag trifft mich an der rechten Schulter. Stechender Schmerz durchzuckt mich, und ich werde zu dem eisernen Gitter zurückgeschleudert. Reichlich Blut strömt aus der Wunde, und zu meinem Unglück schlängeln sich die beiden Tentakeln weiter auf mich zu. Unwillkürlich zuckt meine Hand zum Schwertgriff, doch mir wird sofort klar, dass ich mit dieser Verwundung die gute Waffe nicht gerade wirkungsvoll werde führen können. Was mir als Hoffnung bleibt ist lediglich der Feuerkristall, den ich immer noch in meiner Linken halte, denn meine Gefährten können mir nicht beistehen - sind sie doch immer noch durch die eiserne Sperre von mir getrennt. In magischen Dingen bin ich nun leider gar nicht bewandert ...aber das ist mir jetzt egal, entweder werde ich hier und jetzt zerfleischt, oder ich unternehme irgend etwas Verrücktes - und zwar sofort.

      ?P?ZAR ZM?NIT KUR?KY!!!? brülle ich aus Leibeskräften - wenn ich mein Khazalid noch nicht ganz vergessen habe, sollte das etwa soviel bedeuten wie: ?Brennet und werdet zu Asche?. Zugleich umklammere ich den Stein noch fester und strecke ihn den Tentakeln entgegen. Und dann scheint mit einem Mal die Zeit still zu stehen: Die Tentakeln verharren mitten in der Bewegung, und rings um mich wird plötzlich alles taghell - so gleißend hell, dass ich kaum noch irgendetwas erkennen kann. Die Luft um mich herum beginnt zu knistern, dann sogar zu brennen, so zumindest erscheint es mir, und tief in meinem Inneren bereitet sich ein schier unbeschreibliches Hochgefühl aus - so muss sich unendliche Macht anfühlen! Niemand kann mich jetzt noch aufhalten!

      Dann schwindet das Gleißen so rasch, wie es mich zuvor geblendet hat. Von den Tentakeln ist nichts mehr zu sehen, nur ein säuerlicher Brandgeruch liegt noch in der Luft. Was war das denn???

      ?Ist alles in Ordnung, Sigurd??, reißt mich Magnus' tiefe Stimme aus den Gedanken, und jetzt schmerzt auch meine Wunde wieder. ?Ich glaube schon ... bis auf meine Schulter, da hat es mich ziemlich erwischt. Aber jetzt sollten wir erst einmal sehen, wie wir diese Eisensperre hier aufbekommen. Vorsichtig taste mich ich - natürlich mit den Füßen! - durch den Schlamm, und tatsächlich: Das hier muss das Seil sein, das vorhin den verwünschten Mechanismus ausgelöst hat. Ich versuche es, mit der Stiefelspitze ein wenig daran zu ziehen, und plötzlich höre ich auch ein dumpfes 'Klack'. Aber sonst geschieht überhaupt nichts. Na ja, vielleicht muss man es ja in die entgegengesetzte Richtung ziehen. ?Magnus, sieh doch mal, ob Du das zu fassen bekommst!? Mit dem Stiefel schiebe ich das Seil unter dem untersten Gitterstab hindurch, und Magnus greift danach - es hat doch seine Vorteile, dass dieser Krieger seine Handschuhe nie ablegt. Wieder ertönt ein 'Klack', doch auch diesmal bleibt das Gitter geschlossen. Also zieht Magnus etwas heftiger an dem Seil, und dann ... reißt es, und der Sigmarianer verliert beinahe das Gleichgewicht. ?Ja, dann war das wohl doch nur der Auslösemechanismus ...es muss doch noch einen anderen Weg geben, dieses Gitter zu öffnen!?, murmelt er vor sich hin, aber für mich klingt es mehr danach, als wolle er sich selbst beruhigen, und nicht uns. Also mache ich mich daran, beide Wände abzutasten, aber leider ohne Erfolg. Monalon, die es mir auf der anderen Seite des Gitters gleichtut, ergeht es auch nicht besser. Schließlich wird Magnus ungeduldig, greift mit beiden Händen beherzt in den knöcheltiefen Schlamm und beginnt damit, die ersten Gitterstäbe mit der rotbraunen Masse zu bestreichen. Eine wahrhaft geniale Idee, war ihm doch aufgefallen, dass offenbar sämtliches Metall, das mit diesem Schlamm in Berührung kommt, sich mehr oder weniger aufgelöst hatte, etwa wie die Rüstungen der beiden toten Oger, oder auch die Eisenteile des Tisches in der Schlafkammer der Zwerge. Die Frage ist nur, wie lange das wohl dauert. Immerhin bemerkt Monalon, dass sich das Metall langsam aufheizt, und die Stangen klingen auch zunehmend hohl, wenn man dagegenklopft. Schließlich zieht Magnus seine kleine, handliche Elfen-Axt hervor und schlägt auf die ersten Stäbe ein. Und er hat geradezu durchschlagenden Erfolg! Das war leider auch bitter nötig, denn gerade, als er die untersten vier der insgesamt zwölf Stäbe beseitigt hat, so dass meine beiden Gefährten sich hindurchschlängeln können, um zu mir in den Gang zu gelangen, kommen aus dem großen 'Empfangsraum' hinter ihnen bereits wieder zwei riesige Tentakeln herbei geschlängelt. Erfreulicherweise prallen sie aber an den restlichen Gitterstäben ab. Wie gut, dass die 'Dinger' keine Augen haben!

      ?Könntet ihr euch bitte mal um meine Schulter kümmern - die schmerzt doch ungemein!?, begrüße ich meine Gefährten, kaum dass sie sich durch den gerade für den kräftig gebauten Magnus qualvoll engen Spalt gezwängt haben. ?Aber vielleicht solltet ihr zuvor doch lieber die Handschuhe ausziehen?, bringe ich mit einem gequälten Lächeln noch hervor - ein paar dieser Würmer und wer weiß was noch für ein Getier in diesem Schlamm lebt, würden der Wunde sicher nicht sonderlich gut tun. Magnus reißt die zerfetzten Stoffreste des Hemdes von meiner Schulter und saugt dann lautstark die Luft durch die Zähne - die Platzwunde ist wohl noch tiefer, als ich gedacht habe. Wenigstens muss ich sie jetzt nicht sehen ...mir wird schwindelig, und ich spüre gerade noch, wie Magnus mir den Griff eines Dolches zwischen die Zähne schiebt - und dann beginnt Monalon mit der 'Operation'. Sie hat ja jetzt hoffentlich schon etwas Übung darin, immerhin hat sie ja vorhin noch bei unserem Sigmarianer eine sehr ähnlichen Verwundung behandelt. Vorhin? ...wie lange ist das jetzt wohl schon her? Wir müssen ja jetzt schon viele Stunden hier im Zwergenschrein verbracht haben, und es wird Zeit, dass wir irgendwann mal zur Ruhe kommen! Stechender Schmerz schreckt mich aus meinen Gedanken. ?So geht das nicht, Monalon! Wir müssen ihn irgendwo hinlegen?, beschließt Magnus, und so wird meine Schulter erst einmal notdürftig verbunden, um wenigstens die Blutung etwas zu lindern.

      Der Weg zurück scheint wenig einladend - da war zwar der Tisch in der Schlafkammer der Zwerge, aber stabil war der ja nicht mehr, da alle Eisenteile zerfallen waren, die ihn noch aufrecht hielten. Darauf diese 'Operation' durchzuführen, erscheint auch Magnus unmöglich. Und mir geht es von Augenblick zu Augenblick schlechter, ich kann mich kaum noch aufrecht halten. ?Kann mir irgendjemand bitte mal den Feuerkristall abnehmen und vorangehen? Ich fühle mich dazu nicht recht in der Lage ...?. Ich habe noch nicht einmal ausgesprochen, da reißt mir Monalon den Stein förmlich aus der Hand - und ich meine auch, ein gefährliches Blitzen in ihren Augen wahrgenommen zu haben. Und jetzt, wo ich den Kristall nicht mehr in der Hand halte, fühle ich mich nicht nur noch schwächer als zuvor, sondern verspüre tief in meinem Inneren plötzlich eine gähnende Leere und unendliche Einsamkeit, so dass es mir fast unmöglich scheint, die Tränen zurückzuhalten. Aber vor meinen Gefährten zu heulen wie ein Schlosshund? Nein, so weit bin ich dann doch nicht! Dennoch, diese unendliche Trauer droht mich fast zu überwältigen.

      Langsam und mit unsicheren Schritten folge ich Monalon den Gang hinab, immer wieder muss Magnus mich stützen - und ich bin mir sicher, das liegt nicht nur an dieser Platzwunde! Nach schier endlosem Marsch (wahrscheinlich sind in Wahrheit nur Minuten vergangen!) betreten wir einen eindrucksvollen Saal: Sicher zehn Manneslängen misst er in der Höhe, die Wände sind glatt verputzt und kunstvoll geziert: Muster und Wappen in allen Farben. Zu unserer Linken sehe ich eine Tür, ein weiterer Gang führt unserem Eingang gegenüber wieder hinaus - er scheint noch tiefer in die Erde zu führen, aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, denn allmählich kann ich nicht einmal mehr aufrecht stehen! Während ich weiter den Blick schweifen lasse, sehe ich rechts von uns eine halbrunde Aussparung in der Wand, die mich unwillkürlich an eine Kapelle oder einen edlen Schrein denken lässt. Ein mächtiges Podest aus leuchtend weißem Marmor erhebt sich darin, fast eine Manneslänge empor (und ich meine nicht 'Zwergenmanneslänge'!). Nur die untersten Stufen sind von diesem wurmbefallenen Erdreich bedeckt, höher scheint es nicht einmal eine Staubschicht zu geben. An der Rückwand dieser 'Kapelle', wie ich sie jetzt einfach mal nennen möchte, sind drei gewaltige, königsblaue Banner herabgelassen, davor steht je ein Sessel, der eher an einen Thron erinnert. Allem Anschein nach wurden sie für Zwergenfürsten gefertigt - ich zumindest hätte meine liebe Not, mich darauf zu setzen (und würde mir dann vermutlich mit den Knien die Ohren zuhalten ...). Auf der linken und auf der rechten Schmalseite dieser 'Kapelle' erkenne ich eine Tür beziehungsweise einen Treppenaufgang - und aus dem Gang fällt ein sonderbar irisierendes Licht. So ein Leuchten habe ich noch nie gesehen - es scheint aus unendlicher Ferne zu kommen, und doch reicht es aus, um die ganze 'Kapelle' hell zu erleuchten. Während mein Blick erneut über die königsblauen Banner streift, fällt mir ein Vorfall aus dem Middenheimer Karneval ein, als eine Gruppe Gaukler sich in eben dieser königlichen Farbe gewandete und sich dadurch gewaltigen Ärger einhandelte. So etwas gilt in der Welt der Zwerge als ziemliche Anmaßung und zieht empfindliche Strafen nach sich. Die Menschen des Reiches haben das, soweit ich weiß, früher einmal genau so gesehen, aber mittlerweile zeugt blaue Kleidung vor allem davon, dass ihr Träger entschieden zu viele Kronen sein eigen nennt, mehr aber eben auch nicht. Aber ich schweife wohl ab...

      Vorsichtig watet Monalon durch den Schlamm auf das Podest zu, doch auf halber Strecke bleibt sie an irgendetwas hängen und verliert das Gleichgewicht. Während sie stürzt, reißt sie mit einem Bein ihr Hindernis in die Höhe, und Magnus und ich können erkennen, dass es eine alte, völlig vermoderte Holzbank gewesen sein muss. Na prima - wenn hier wirklich einmal Tische und Bänke gestanden haben, gibt es bestimmt noch mehr solcher Stolperfallen!

      Zwar ist die kleine Magierin schnell wieder auf den Beinen, aber man sieht ihr deutlich an, dass all die Würmer und das andere Getier, das jetzt über ihren ganzen Körper kriecht, sie zutiefst anekelt. (Hat sie nicht vorhin noch gesagt, ich solle mich nicht so anstellen, als ich das gleiche Problem hatte?!) Gemeinsam gelingt es uns aber dann doch recht schnell, die Magierin von diesem Übel zu befreien, auch wenn ich mich allmählich überhaupt nicht mehr auf den Beinen halten kann.

      Auf das weiße Marmorpodest zu gelangen, das den Boden der 'Kapelle' darstellt, erweist sich dann doch als deutlich einfacher als zunächst vermutet, denn Magnus führt mich behutsam durch den Schlamm und tastest bei jedem Schritt zunächst vorsichtig umher, so dass wir dem einen oder anderen zerfallenen Möbelstück leicht ausweichen können, und dann haben wir auch schon die Stufen erreicht. Oben angekommen, eröffnet sich endlich die Gelegenheit, meine Schulter zu verarzten. Ich lege mich auf den Rücken und lasse die Prozedur klaglos über mich ergehen, während mein Blick immer wieder zu den gewaltigen Bannern hinüberwandert. Während ich noch darüber nachdenke, welcher Zwergenfürst hier wohl einst residierte (nicht, dass ich sie alle kennen würde, aber die Frage ist dennoch interessant ... finde ich), gelingt es Monalon, meine Schulter ebenso zu richten, wie sie es zuvor schon bei Magnus geschafft hat. Langsam scheint sie wirklich Übung in derlei Dingen zu bekommen. Was nur, wenn sie selbst mal schwer verletzt wird? Daran will ich jetzt gar nicht denken, außerdem fühle ich mich schon wieder sehr viel besser, und da sollte ich mich doch nicht in derart trübsinnigen Gedanken verlieren!

      ?Sag mal, Monalon, möchtest Du den Feuerkristall jetzt eigentlich behalten, oder...??, will ich sie gerade fragen, doch plötzlich blicken mich meine beiden Gefährten äußerst merkwürdig an - fast als würden sie mir nicht mehr so recht trauen! Wortlos gibt Monalon den Stein an an Magnus weiter, der sich dann schweigend der Treppe zur Rechten zuwendet und mit langsamen Schritten hinaufstapft. Monalon folgt ihm sofort, und so tappe ich ein wenig frustriert den beiden hinterher - was war das denn jetzt, bitte schön? Eigentlich ist das doch mittlerweile schon irgendwie 'mein' Stein geworden!

      Die Steinstufen sind flach und kurz, eindeutig für Zwerge gebaut - was den Aufstieg natürlich etwas mühsam macht. Der lange Magnus hat es da einfacher, der nimmt einfach bei jedem Schritt zwei Stufen auf einmal! Als wir schließlich oben angekommen sind, stehen wir im Eingang zu einem Raum, der zweifelsfrei eine kleine Bibliothek darstellt. In der Mitte stehen ein großer Lesetisch und mehrere Stühle, an allen Wänden sind große Bücherregale aufgestellt - allerdings sind diese nur äußerst spärlich gefüllt! Am meisten jedoch fasziniert mich ein großer, unbehauener Kristall, der genau in die Deckenmitte eingelassen ist: Er verströmt ein sonderbares Licht, hell wie der Tag, und doch unverkennbar anders. Ich kann es gar nicht richtig beschreiben: Es fühlt sich an, als wäre dieser Kristall nicht etwa die Quelle des Lichts, sondern würde es von irgendeinem anderen Ort nur weiterleiten... Ich verstehe es nicht. Vielleicht wird Monalon mir das ja erklären können.
      Quer im Raum verstreut liegen eine ganze Menge leerer Hüllen für Schriftrollen verstreut, und mir kommt mir der Gedanke, dass wir nun endlich die Möglichkeit haben, die Schriftstücke zu begutachten, die uns die Oger anvertraut haben.
      Zunächst nehme ich mir die Karte des Kochs Hraddyag vor: Man erkennt den Raum des Zwergen-Schreins, in dem sich der Kristall befindet, und nun erfahre ich auch mehr über den Grundriss: Hinter dem Vorhang, in dem ja der Ogerpriester Rothnogg vorhin verschwand, liegt ein Gang, der offenbar kurz darauf in einem kleinen Raum endet. Von dort aus führt ein weiterer, vielfach gewundener Treppengang in die Tiefe. Am Ende dieses Ganges befindet sich dann wohl ein weiterer Raum, von dem eine weitere Treppe noch weiter in die Tiefe führt, wo sie letztlich im Erdreich endet (wie ja fast alles hier). So ist es zumindest der Orkschrift zu entnehmen, mit der die gesamte Karte verziert wurde: ?Yatagan hat die Karte gemacht für Torgoch im Zwergenschrein? steht da in großen, dennoch kaum lesbaren Lettern (die haben aber auch eine Klaue!), und wo die Treppe auf der Karte endet, steht ermutigenderweise: 'Von hia an flüssich. Stingt mehr wie Snottlingkakke. Matsch frisst einen manchma.' Na ja, damit hatte der ?Goblinchronist? wohl Recht, aber die Karte hilft uns im Moment trotzdem nicht weiter, da wir uns ganz offenbar an einer ganz anderen Stelle dieses unterirdischen Labyrinths befinden.

      Die erste Botschaft, die ich von Krodogg erhielt, hat folgenden Inhalt:

      ?Beginne zur Winttersonnenwende und folge der Sonne um die wachenden Steine. So mag der Weg sich öffnen. Dann schreite zum Herzen und spüre den Stein unter deinen Füßen, doch nur für eine kurze Zeit, denn Deine Reise hat begonnen.?

      Also, das klingt für mich ganz nach einer Anweisung, wie man den Steinkreis nahe des Elfendorfes betreten kann, aber dorthin möchte ich gewiss kein zweites Mal. Vielleicht sagt uns ja Krodogg's zweite Botschaft mehr:

      ?Der Große Schmied fing die lachenden und grinsenden Gesichter der Wachen ein, so sind sie für alle Zeiten in Metall und Stein bewahrt. Niemand darf ihnen nun Widerworte geben, auf dass sie sich nicht erzürnen und hitzige Wut walten lassen. Dann beantworten sie Feuer mit Feuer und lassen Steine herabregnen auf die Lästerer. Und noch größere Wunder vollbrachte Smed ...?

      Ein Loblied zu Ehren eines Zwergen-Schmiedes also. Und vielleicht hat es ja sogar mit meinem Feuerkristall zu tun. Bloß: So richtig helfen uns Karte und Botschaften im Moment trotzdem nicht weiter.

      Monalon untersucht daraufhin noch einmal die Regale etwas genauer. Eins der Regalbretter scheint etwas dicker zu sein als die anderen und ... Nanu? Die Magierin schiebt den oberen Teil des Brettes zurück und findet in einem kleinen Hohlraum eine Pergamentrolle und mehrere dicht beschriebene Stofffetzen, die sie daraufhin zusammensetzt. Das Pergament hat folgenden Inhalt:

      ?Gebet acht, oh Kräfte von Stein und Stahl, und verweigert mir nicht den Pfad. Ich komme zu Euch als wahrer Sohn Grungnis, der als Erster den Weg unter dem Fels öffnete. Ich bin frei von Ehrlosigkeit, Feigheit und Verrat. Meine Seele ist unbelastet von Schuld. Ich habe alles getan, was von mir verlangt ward, dafür öffnet mir den Pfad und haltet mich nicht länger auf.?

      Das scheint eine Art Gebrauchsanweisung zu sein, irgendeinen Ort zu erreichen. Ist das vielleicht die ursprüngliche Losung, die man benötigt um den Schrein zu betreten? Oder vielleicht sogar einen anderen heiligen Ort?

      Während Magnus und ich uns darüber die Köpfe zerbrechen, hat Monalon die merkwürdigen Stofffetzen schon zusammengefügt und liest dann vor:

      ?Jene, die eine Audienz bei unserem HERREN ersuchen, müssen ihm zunächst ein Geschenk bringen. Ein Körper muss so geworfen werden, dass sein Blut sich ergießet und die Lippen unseres HERREN benetzt, auf dass die Mitte des Sockels sich rot färbet und ebenso seine Oberkanten. Die Augen, die über den Boden wachen, sollen geblendet werden von der roten Lebensgabe, auf dass unser HERR nicht abgelenkt werde von seinem Festmahl.
      Dann müssen die singenden Wachen dreimal angeschlagen werden, um das neuerliche Eintreten zu verkünden. Ist dies geschehen, wird unser HERR bereit sein, Gäste zu empfangen und ihnen Antworten auf ihre Fragen zu gewähren. Doch die Regeln der Gastfreundschaft erfordern, dass der Einlass erst erfolgt, nachdem darum ersucht wurde. So lies die Worte, die gegeben, und die Felsen werden sie hören und antworten. Dann wird die Gabe empfangen, und der Weg ist frei.
      Nun noch einige Weise Worte, die zu befolgen Rat dir gegeben: Erbitte nicht mehr als das, was gegeben ward. Und berühre nicht, es sei denn, Du wirst berührt, denn es heißt, dass was der HERR empfanget, wird er zu gegebener Zeit zehnfach vergelten und mehr.
      Doch wenn Du ungeladen eintrittst und dann zu fliehen trachtest, wirst Du verdammt sein. Alle Gesichter werden sich voller Hass demjenigen zuwenden, die versuchen jenen Ort in dieser Weise zu verlassen, und sie werden gebrannt sein und auf immer von diesem Platze verbannt. UND wage insbesondere nicht, jene besondere Kostbarkeit unseres HERREN zu bedrohen, die in der acht-eckigen Halle ...?

      Und an dieser Stelle endet die Botschaft abrupt - weitere Stücke des beschriebenen Stofftuchs hat Monalon nicht gefunden. ?Ist Dir ein solcher Blutkult von Zwergen bekannt, Sigurd??, fragt mich Magnus etwas ungläubig, aber ich muss wahrheitsgemäß gestehen, dass ich noch nie von so etwas auch nur im Entferntesten gehört habe. Es scheint mir für Zwerge auch gänzlich unüblich ? und Magnus sieht es ebenso.
      Obwohl uns sicher so langsam eine längere Ruhepause gut tun würde - wie spät mag es wohl mittlerweile sein? -, treibt uns irgendetwas fast magisch weiter, die Treppe wieder hinab, zurück in den Thronsaal. Magnus geht dabei voran, meinen wunderschönen Feuerkristall stets in der hoch erhobenen Hand, um den Gang etwas heller zu erleuchten - was an sich zwar nicht nötig wäre, schließlich spendet dieser wundersame Kristall in der Decke der Bibliothek reichlich Licht, aber der massige Magnus nimmt sich mit seinem eigenen Schatten die Sicht. Außerdem ist der Schein des Feuerkristalls ja auch viel schöner.

      Wir durchqueren das Podest und erreichen die Tür in der gegenüberliegenden Wand. Sie lässt sich mühelos öffnen - und dahinter erstreckt sich ein weiterer Gang, der sachte in die Tiefe führt. Diesem folgen wir einige Zeit, bis wir so etwa zwanzig Fuß Höhe verloren haben. Wie tief geht es denn hier noch hinab? Nun ja, dass das Bergvolk es schätzt, tiefer und tiefer zu gehen, weiß ich ja eigentlich. Dennoch...

      Der Gang windet sich leicht nach links, und dann sehen wir auch schon wieder den mittlerweile vertrauten Schlamm vor uns am Boden auftauchen - und riechen das vertraute, säuerlich-widerliche Aroma. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn unsere Füße längere Zeit hätten trocken bleiben dürfen! Dankenswerterweise verläuft der Gang jetzt wieder fast eben, so dass uns wenigstens eine Rutschpartie erspart bleibt. Dann stehen wir, nach einer weiteren kleinen Biegung, plötzlich vor einer massiven Holztür. Diese scheint zwar nicht verschlossen zu sein, wie wir nach näherer Untersuchung feststellen, aber irgendetwas blockiert sie doch. Mit vereinter Kraft stemmen sich Monalon und Magnus dagegen - ich halte mich lieber zurück, so gut geht es meiner Schulter nun auch wieder nicht! -, doch die Tür bewegt sich nicht einen Finger breit! Schließlich zieht Magnus wieder seine Axt hervor und macht sich daran, die Scharniere zu bearbeiten. Bald darauf fällt das obere platschend in den Schlamm, kurze Zeit später auch das untere, und dann stürzt das ganze Türblatt in den Raum hinein. Von allen Seiten spritzt Schlamm in die Höhe und wenig später ist die alte Holztür völlig untergetaucht.

      Der nahezu quadratische Raum, den wir jetzt betreten, wurde früher ganz offenbar als Tempel oder Schrein benutzt: An der Wand erkennt man kunstvolle Zeichnungen, besonders beeindruckend ist eine überlebensgroße Abbildung Grungnis, der das Weltenei in seiner Hand in die Höhe streckt. Vor ihm knien dabei voller Demut einige Zwerge in edlen Gewändern. Sehr vorsichtig durchquert Magnus den Raum - er möchte ganz offensichtlich nicht Monalons und meinem Beispiel folgen und nähere Bekanntschaft mit dem schlammigen Untergrund und seinen zahlreichen Bewohnern machen. Und so räumt er auf dem Weg zu einem Gang am gegenüberliegenden Ende des Raumes einiges an uralten, vermoderten Möbelstücken zur Seite, die hier wer weiß wie lange schon im tiefen Schlamm verborgen gelegen hatten.

      Nach einer Weile gabelt sich der neue Gang wieder, und da es, wenn ich meine Orientierung noch nicht völlig verloren habe, nach links wieder in Richtung des Saales mit den Königsbannern zurück führen müsste, wenden wir uns also nach rechts. Monalon berichtet aufgeregt von irgendeiner 'leuchtend grün-blauen Aura' - was immer uns das nun sagen soll. Die Kleine scheint nicht zu verstehen, dass ihr das alles ja bestimmt hilfreich ist, aber uns doch nicht! (Auch wenn Magnus auch manchmal so tut, als wisse er genau, was Monalon meint - ich glaube ja, das macht er immer nur, um ihr einen Gefallen zu tun!) Und egal, was ich jetzt hätte sagen wollen, die beiden hätten mir sowieso nicht zugehört. Also stapfe ich ihnen einfach hinterher.

      Und schon wieder stehen wir vor einer verschlossenen Holztür. Doch diesmal nützen alle Anstrengungen nichts, diese zu öffnen. Auch mit vereinten Kräften können Magnus und Monalon sie kein Stück weit aufdrücken, und auch mit seiner Axt kommt Magnus nicht sehr weit: ?Irgendetwas Massives scheint von der anderen Seite dagegen gelehnt zu sein", stellt der Sigmarianer etwas konsterniert fest. Doch schließlich kommt mir ein Gedanken (erfreulicherweise, denn mit meiner angeschlagenen Schulter kam ich mir schon ganz nutzlos vor!). "Vielleicht hilft uns die Macht des Feuers weiter!?, schlage ich vor, den Blick fest auf den herrlichen Kristall in Magnus Hand geheftet. Etwas widerwillig reicht er mir den Stein, den ich mit großer Freude wieder an mich nehme. ?P?zar Zm?nit Kur?ky!? rufe ich ... und nichts geschieht. Nanu?! Ich versuche es noch einmal, umklammere den Stein so fest ich kann, und versuche mir vorzustellen, was genau hier nun eigentlich geschehen sollte, wenn es nach mir ginge: ?P?ZAR ZM?NIT KUR?KY!!!? Und plötzlich ist da wieder dieses gleißende Licht, das den Stein einhüllt - das MICH einhüllt! -, und es wird heller und heller! Ich bemerke gerade noch, wie Monalon und Magnus weit hinter mich zurückweichen, und da spüre ich auch schon wieder dieses herrliche Hochgefühl. ICH habe die Macht des Feuers! Das Türblatt vor mir wird dunkler und dunkler, als verkohle es von Innen heraus, wird pechschwarz, knackend entstehen die ersten Risse in der Oberfläche. Kleine schwarze Rauchfahnen quellen aus den Rissen hervor, das Knistern wird lauter, und ich glaube fast zu sehen, wie winzige Flammen aus dem Inneren des Holzes schlagen, und dann ...erlischt das Licht in meiner Hand wieder, und ich sehe nur noch eine pechschwarze, völlig verkohlte Tür vor mir. Und sie ist nicht einmal warm!

      Magnus versetzt der Tür einen Tritt. Fast bis zum Oberschenkel versinkt er dabei in dem spröden Material, das aussieht wie zusammengepresste Asche, und noch bevor der verdutzte Sigmarianer das Gleichgewicht wiederfinden kann, bröckelt das gesamte restliche Türblatt auf ihn herab. Eine Rußwolke hüllt ihn ein, und als sie sich wieder gelegt hat, kann ich mir zum ersten Mal vorstellen, wie Magnus wohl mit schwarzen Haaren aussähe ...Mürrisch blickt der Priester an sich herab und murmelt nur: "Dann kann ich mir wenigstens dieses Mal die Axt sparen."

      Nachdem die letzten Reste der Rußwolke sich gelegt haben, erkennen wir, dass vor uns ein lang gestreckter, eckiger Saal liegt, in dessen Zentrum ein Podest emporragt. Darauf pulsiert in merkwürdig blauem Licht ein gewaltiger Kristall. In den vier Ecken und an den Seitenwänden sind sechs weitere Lichtquellen zu erkennen, die denselben Farbton verströmen.
      Mit großen Schritten betritt Magnus den Raum, und plötzlich schießen vier gewaltige Tentakeln aus dem schlammigen Boden heraus. Zwei davon klatschen lautstark neben der Tür gegen die Wand, die beiden anderen jedoch packen unseren bedauernswerten Gefährten, schwingen mit ihm durch den Raum, als sei der massige Sigmarianer leicht wie eine Feder. Dann schleudern sie ihn schwungvoll auf das Podest (das Knacken, das ich da gerade gehört habe, war hoffentlich nur Magnus' Rüstung ... oder der Steinboden ...!) und ziehen ihn dann über den Boden hinweg geradewegs auf den blauen Stein zu. Fassungslos und ohne uns rühren zu können, schauen Monalon und ich zu, wie die beiden Tentakeln unsere Freund immer wieder gegen den Kristall schleudern, schneller und schneller, härter und härter. Das blaue Leuchten wird immer gleißender, und ich traue meinen Augen nicht: Magnus selbst scheint sich allmählich blau zu verfärben! (Eine unsinnige Stimme in meinem Hinterkopf plappert auf mich ein, ob er eine dunkelblau leuchtende Gestalt mit grellgelben Augen sich überhaupt jemals ins Reich zurückwagen sollte, kaiserliches Edikt hin oder her ...). Endlich erwache ich aus meiner Erstarrung und sehe, dass auch Monalon jetzt auf den Kristall zustapft, doch plötzlich schießen weitere Tentakeln den Wänden und peitschen geradewegs auf uns zu.


      Fortsetzung folgt!
      noch Festtag der 20. Vorgeheim


      Aus den Augenwinkeln kann ich noch erkennen, wie Monalon umgestoßen wird, da werde ich auch schon gepackt. Aus einem Reflex heraus drücke ich den Feuerkristall fest gegen das Tentakel, das mich jetzt eng umschlungen hat und Richtung des Podestes schleift. Doch es geht alles viel zu schnell! Immer enger werde ich umschlungen, so dass es mir fast die Luft aus der Lunge presst, dann reißt es mich aufwärts und schleudert mich kurz darauf rasend schnell in Richtung Kristall. Ich sehe noch, wie der schlaffe Körper Magnus' vom Podest fortgezogen wird - wohl um Platz für mich zu schaffen denke ich noch. Der blaue Stein vor mir wird scheinbar immer größer, dann kommt ein dumpfer Knall, und ich sehe nur noch Sterne.

      Als meine Besinnung zurückkehrt, befinde ich mich auf dem Boden, ringsum vom Schlamm umgeben. Ich richte mich auf und spüre erst einmal nur unsägliche Schmerzen am Kopf. Neben mir steht Magnus und zieht gerade sein Schwert. Kurz darauf sehe ich auch warum: Ein Tentakel nähert sich ihm von vorne. Hört das denn nie auf? Es ist sicher nicht der 'alte Magnus' der da jetzt sein Schwert schwingt, dennoch gelingt es ihm, das Tentakel mit einem eher müden Hieb vollständig zu durchtrennen. Weitere Tentakeln kommen jetzt auf uns zu gekrochen, auch ich ziehe jetzt ebenfalls mein Schwert, obwohl es mir kaum gelingt, es auch nur zu halten. Unter Aufbietung aller Kräfte gelingt es mir ebenfalls, einige der Dinger irgendwie abzuwehren, und eine Weile später haben wir uns erst einmal Platz und damit eine Atempause geschaffen. Wo ist eigentlich Monalon? Aber ich habe kaum die Kraft mich umzusehen, so schlapp fühle ich mich.

      Was ist nun zu tun? Da gehen mir einige der Botschaften durch den Sinn. ?Jene, die eine Audienz bei unserem HERREN ersuchen, müssen ihm zunächst ein Geschenk bringen. Ein Körper muss so geworfen werden, dass sein Blut sich ergießet und die Lippen unseres HERREN benetzt, auf dass die Mitte des Sockels sich rot färbet und ebenso seine Oberkanten.? Dieser Raum hier könnte ja durchaus der Ort des hier angesprochenen Rituals sein. Wenn dem so ist, so ist Flucht sicher der falsche Weg, wenn man sich den Rest der Botschaft zu Gemüte führt: ?Doch wenn Du ungeladen eintrittst und dann zu fliehen trachtest, wirst Du verdammt sein. Alle Gesichter werden sich voller Hass demjenigen zuwenden, die versuchen jenen Ort in dieser Weise zu verlassen, und sie werden gebrannt sein und auf immer von diesem Platze verbannt. UND wage insbesondere nicht, jene besondere Kostbarkeit unseres HERREN zu bedrohen, die in jener acht-eckigen Halle ...?

      Ist dieses Ritual ein dämonischer Blutkult, wie Magnus es vermutet, oder eine Handlung zu Ehren Grungnis? Ich halte es unter den gegebenen Umständen für sinnvoll, das Spiel mitzuspielen, denn was bleibt uns denn sonst übrig? Fliehen scheint in unseren Untergang zu führen, ein ?Nichtstun? wird uns über kurz oder lang erledigen, und Blut haben Magnus und ich ohnehin schon genügend vergossen, um dieses Ritual zu vollziehen. Ich weiß beim besten Willen nicht, ob das, was ich jetzt tun werde, das Richtige ist, aber es gibt in diesem Moment für mich keine andere Möglichkeit. So stapfe ich schwerfällig auf das Podest zu und beginne damit, das von Magnus und mir dort bereits vergossene Blut gleichmäßig an den Kanten entlang zu verteilen. Da trifft mich plötzlich ein Schlag in den Nacken, der mich gehörig durchrüttelt. Doch ich muss jetzt hier weiter machen, und kurz darauf ist es tatsächlich vollbracht. Doch zugleich ist das alles hier auch der reinste Albtraum: Ich kann nicht mehr klar denken! Als ich mich jetzt wieder umwende, sehe ich, wie sich Magnus mühsam dem Ausgang zu schleppt, Monalon steht ein paar Schritte vor mir und sieht mich völlig verständnislos an. Aber es hilft ja nichts, ich bin viel zu schwach, um das Ritual ohne fremde Hilfe zu vollenden. Mit letzter Kraft werfe ich Monalon den Feuerkristall zu, und gemäß der Botschaft rufe ich ihr zu ?Monalon, lass das Licht erlöschen!?. Die Magierin aber steckt den Stein ein, wendet sich um und begibt sich ebenfalls Richtung Ausgang.

      Sie hat nichts verstanden. Alles war umsonst!

      In mir steigt eine Welle der Verzweiflung auf. Alles scheint jetzt verloren. Dann soll eben auch mich die Verdammnis treffen, denn hier länger zu verweilen bedeutet den sicheren Tod. So schleppe auch ich mich Richtung Ausgangsportal, doch schon nach wenigen Metern trifft mich ein weiterer Schlag in den Rücken, der mich zu Fall bringt. Ich sehe mich schon gar nicht mehr um, denn ich weiß ja selbst genau, was das wieder war. Warum hilft mir denn eigentlich niemand? Und was ist mit Monalon, wollte die nur wieder meinen Stein? Kurz steigt unbändige der Wut in mir auf, aber ich bin zu schwach, dieses Gefühl längere Zeit aufrecht zu erhalten. Immerhin verleiht mir der Zorn scheinbar die Kraft, mich wieder aufzurappeln und auch noch die letzten Schritte bis zum Portal zurückzulegen.

      Ich verlasse also den Raum und stapfe an den beiden Gefährten vorbei, die etwas unschlüssig am Eingang verharren. Dann wende ich mich um und blicke zu Magnus. Der Sigmarianer sieht völlig erschöpft und erschlagen aus: Blass, abgespannt, Blutflecken überall, und kaum in der Lage die Augen offen zu halten. Irgendwie habe ich dabei allerdings das Gefühl, in mein eigenes Spiegelbild zu blicken. Wir diskutieren die jüngsten Ereignisse, doch eigentlich bin ich jetzt wirklich nicht in der Lage, mir Monalons Vorwürfe anzuhören. Außerdem habe ich gerade den Eindruck, dass keiner von uns noch klare Gedanken fassen kann und unsere Lage richtig einzuschätzen vermag. Ich hatte einfach das Gefühl, irgendetwas unternehmen zu müssen, da 'nichts tun' unseren sicheren Untergang bedeutet hätte - zumindest war ich davon überzeugt. ?Bibliothek!?, unterbreche ich die beiden Gefährten in ihrem Gespräch, ?wisst Ihr wie lange wir jetzt schon ununterbrochen auf den Beinen sind?? Magnus nickt mir nur kurz zu, und so begeben wir uns langsam auf den Weg zurück. Der Sigmarianer und ich schleppen uns dabei mühsam voran, während Monalon völlig unbeschwert vor uns her zu schweben scheint. Ist es die Macht des Feuerkristalls, oder ist etwa Raslani in der Gestalt Monalons zurückgekehrt? Was hat die Magierin eigentlich die ganze Zeit getrieben?

      Als wir - endlich! - in der Bibliothek anlangen, lege ich mich nur noch in eine Ecke und schließe die Augen.

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      Wellentag, der 21. Vorgeheim


      Zumindest vermute ich, dass das von mir niedergeschriebene Datum zu dem Zeitpunkt zutreffend ist, an dem ich nach einigen Stunden wieder erwache. Denn wenn man es an den vergangenen Ereignissen seit der letzten langen Ruhepause festmacht, könnten ebenso gut auch zwei oder gar drei Tage vergangen sein. Lange habe ich jedenfalls nicht geschlafen, der harte Steinboden hier hat das einfach nicht zugelassen. Ich hätte mich wenigstens ein paar der losen Regalbretter als Unterlage bedienen sollen, dann würde ich jetzt auch sicher nicht so elendiglich frieren.

      Erst einmal stärken wir uns ein bisschen aus unseren Vorräten. Ich versuche den beiden Gefährten mein jüngstes Verhalten und Vorgehen zu erklären. Vorwürfe gibt es seitens der beiden jedenfalls nicht mehr, und so überlegen wir gemeinsam, wie es denn jetzt weitergehen soll. Monalon äußerst die Vermutung, es könne sich bei dem blauen Stein um den Kristall des Wassers handeln. Sie sei jedenfalls davon überzeugt, dass es sich hierbei um einen der Kristalle der Zwerge handele, da sie, wie auch beim Feuerkristall, eine natur-magische und dabei auch etwas chaotische Aura verspürt hätte. Bei dem von den Ogern bewachten Stein hingegen sei sie gar nicht mehr sicher. ?Ich finde trotzdem, wir sollten diese Höhlen hier mit allen drei Steinen verlassen, nur um sicher zu gehen?, werfe ich ein, und Magnus nickt beifällig - ich habe den Eindruck auch er möchte sich nicht allein auf Monalons 'Aurenseherei' verlassen. ?Schaden kann es sicher nicht, so ganz sicher bin ich mir da ja auch nicht, was die Steine angeht? gibt die Magierin schließlich zu.

      Wir überlegen dann kurz, ob wir den Kristall-Raum mit einem von Monalons Feuerbällen 'reinigen' sollten um die Tentakeln dort auszuschalten. Allerdings beschließen wir, diese drastische Maßnahme erst zu ergreifen, nachdem wir den Rest dieses Höhlenkomplexes untersucht haben. Magnus kommt eine Idee: ?Da ist doch noch dieser Gang zur Linken, ich meine, wir sind rechts in Richtung des Raumes mit dem blauen Kristall gegangen, aber den Weg nach Links hatten wir noch nicht untersucht?. Er hat recht, und so machen wir uns wieder zurück auf den Weg, den Treppengang hinab, durch den Raum mit den drei Zwergen-Thronen und den blauen Bannern, den abschüssigen Gang entlang und durch den Raum mit den Wandgemälden hindurch bis zu der bekannten Abzweigung.

      Der bisher von uns unerforschte Gang beginnt schon bald leicht anzusteigen und wird auch etwas breiter. Bald haben wir eine Höhe erreicht, in dem es endlich ein Ende hat mit diesem allgegenwärtigen Schlamm. Am Ende des Ganges erreichen wir einen langgestreckten, ovalen Raum. Dieser ist eher schmucklos, die Wände sind nur grob behauen. Zu unserer Linken führt ein weiterer Gang wieder heraus. Gerade will Magnus diesen betreten, da wird er von Monalon aufgehalten: ?Halt, hier stimmt etwas nicht! Da, vor dem linken Gang auf dem Boden verspüre ich irgend etwas 'Magisches'...? Für mich ist dort allerdings nicht das Geringste zu erkennen und auch Magnus zuckt nur mit den Schultern. Doch beim näheren Hinsehen scheint da über dem Boden dann doch irgend etwas zu flackern. Sehr merkwürdig. ?Ob das eine Falle ist? Oder vielleicht ein Schutzzauber??, rätselt die Magierin. ?Für den Fall eines Schutzzaubers hilft vielleicht einer der Texte weiter, die wir von den Ogern haben. Sigurd, mach doch mal?, fordert Magnus mich auf. Und so gehe ich ein paar Schritte auf den neuen Gang zu und spreche die vorgegebenen Worte: ?Gebet acht, oh Kräfte von Stein und Stahl, und verweigert mir nicht den Pfad. Ich komme zu Euch als wahrer Sohn Grungnis, der als Erster den Weg unter dem Fels öffnete. Ich bin frei von Ehrlosigkeit, Feigheit und Verrat. Meine Seele ist unbelastet von Schuld. Ich habe alles getan, was von mir verlangt ward, dafür öffnet mir den Pfad und haltet mich nicht länger auf!?

      Aber nichts passiert. ?Vielleicht auf Khazalid??, murmele ich vor mich hin. Doch auch, nachdem ich den Text in der Sprache der Zwerge wiederholt habe, bleibt das Ergebnis doch das gleiche: Nichts tut sich. Daraufhin sammelt Monalon ein paar kleine Steinchen vom Boden auf und wirft diese genau auf die flimmernde Stelle - woraufhin das Flimmern einfach verschwindet. ?Ich werd' es mal versuchen?, so die Magierin. ?Magnus, seil mich mal an?. Gesagt, getan: Vorsichtig bewegt sich Monalon auf die Stelle zu .....und verschwindet mit einem spitzen Schrei im Nichts. Das Seil spannt sich, doch für Magnus ist es eine Leichtigkeit, es zu halten und anschließend Monalon wieder aus der Fallgrube - denn um nichts anderes handelt es sich - wieder heraufzuziehen. ?Das ist ja gerade noch mal gut gegangen?, so Monalon erleichtert, ?Dieses Loch ist zwar nur zwei Manneslängen tief, aber dort unten warten angespitzte Holzpflöcke auf ihre Opfer.? Also doch eine magische Falle, so habe ich meinen Spruch also völlig umsonst aufgesagt. Aber wenn man um die Falle weiß, kann man sie ja einfach umgehen, in dem man hinüber springt, denken wir uns - und das stellt tatsächlich auch kein Problem dar. Und so gelangen wir, Monalon vorneweg, unbeschadet in den neuen Gang. Hier empfängt uns erstmal ziemliche Dunkelheit, doch Monalon schafft Abhilfe in dem sie ihr kleines blaues Flämmchen auf ihrer geöffneten linken Handinnenfläche tanzen lässt.

      Unser Weg schwenkt leicht nach Rechts und wird dann abschüssig. Nach kurzer Zeit versinken unsere Füße wieder in dem uns wohlbekannten Erdschlamm. Was auch sonst? Ich werde dreimal Ranald danken, wenn wir diese Gänge endlich wieder verlassen dürfen - mit oder ohne magischen Stein! Am Ende des Ganges angekommen, durchschreiten wir zunächst eine Art kleinen Vorraum, ehe wir in einen großen quadratischen Saal gelangen. In dessen Mitte erhebt sich ein vielstufiger Podest, auf dem ein runder Käfig montiert wurde. Seine Stangen reichen bis zur sicher drei Manneslängen hohen Decke empor. Dort oben befindet sich eine entsprechende runde Öffnung, von der ein Lichtschein aus Fackeln 'unseren' Saal erhellt. ?Ist das hier nicht der Raum unter dem Heiligtum der Zwerge? Also der, der von den Ogern so sorgsam behütet wird??, durchdringt Monalons fragende Stimme die Stille. Sie könnte durchaus recht haben mit ihrer Vermutung, wobei Magnus und ich uns fragen, warum wir dann zuvor diesen Käfig mit seinen metal-silbrigen Stangen nicht entdeckt hatten. Für die Richtigkeit von Monalons Aussage sprechen allerdings die Überreste einer ausgebrannten Fackel, die auf dem Boden des Käfigs verteilt liegen.

      In der hinteren rechten Ecke des Saales befindet sich eine riesige Doppelflügeltür, die bis zur Decke ragt. Naja, eigentlich ist das keine Tür, sondern sieht mehr aus wie zwei riesige, metal-beschlagene Steinplatten. Bei näherem Hinsehen erkennt man, dass hier Gesichter von Zwergen eingearbeitet wurden, die irgendwelche merkwürdigen Grimassen ziehen. Doch ehe wir uns diesem vermeintlichen Durchgang zuwenden, untersuchen Monalon und Magnus das Podest in der Mitte des Raumes etwas genauer. Dabei entdecken sie an den Stufen, noch unterhalb der Schlamm-Oberfläche - die tasten wirklich freiwillig in diesem Zeug herum! -, dass dort halbe Köpfe eingearbeitet sind: jeweils zwei an jeder Seite, im Ganzen also acht. Ob es sich dabei um Menschen- oder Elfenhäupter handelt lässt sich allerdings nicht mehr feststellen. Sehr merkwürdig erscheint uns das alles jedenfalls.

      Ich stelle mich vor das große Portal und sage den mittlerweile wohlbekannten Spruch auf, diesmal aber gleich in der Zwergensprache - doch ohne jeden Erfolg. Als es Magnus bei seinem Versuch, das gleiche zu tun nicht besser ergeht, fällt mir eine mögliche Lösung ein: ?Magnus, der Feuerkristall - lass es uns doch damit versuchen!" Der Sigmarianer zieht den Stein hervor (hatte Monalon den nicht zuletzt?), und augenblickich leuchtet er wieder hell auf. ?Ich denke, wir lassen es gleich die Magierin probieren? sagt mein Kampfgefährte und übergibt Monalon den Stein, den sie dann aber augenblicklich nur in ihren Beutel steckt. Was war das denn jetzt wieder? ?Monalon ?!?, bringt Magnus nur hervor. Anscheinend hält sie es nicht für nötig, den Stein weiter zu benutzen, und erst nach einer längeren Diskussion rückt sie den Stein wieder heraus und gibt ihn Magnus zurück. ?Willst Du vielleicht, Sigurd?, Dein Khazalid ist ja doch besser als meines... oder soll ich?? ?Hmmm, 'würde ich schon gerne machen, aber entscheide Du?. Ich hege natürlich die heimliche Hoffnung, dass er mir meinen Stein jetzt zurückgibt, aber ich fühle auch, je offensichtlicher ich danach verlange, desto geringer die Möglichkeit, den schönen Kristall wieder zurückzuerlangen. Magnus zögert zunächst, übergibt mir den Stein aber schließlich doch.

      Mit dem Feuerkristall in der hoch erhobenen Hand spreche ich die bekannten Worte: ?Gebet acht, oh Kräfte von Stein und Stahl, und verweigert mir nicht den Pfad. Ich komme zu Euch als wahrer Sohn Grungnis, der als Erster den Weg unter dem Fels öffnete. Ich bin frei von Ehrlosigkeit, Feigheit und Verrat. Meine Seele ist unbelastet von Schuld. Ich habe alles getan, was von mir verlangt ward, dafür öffnet mir den Pfad und haltet mich nicht länger auf.? Der Stein nimmt dabei noch an Helligkeit zu, dann ist ein gewaltiges Knirschen zu hören, und die beiden Steinplatten verschwinden seitlich in den Wänden. Dahinter liegt ein breiter Gang. Kurz nachdem wir hindurchgeschritten sind, schließt sich das Portal hinter uns wieder, und erneut sorgt Monalon mit ihrem Lichtzauber für Helligkeit. Der Gang ist nur kurz und endet erneut vor einem Steinportal, auf dem diesmal gleich sechs Zwergengesichter eingearbeitet sind - oder sehen sie den anderen nur sehr ähnlich? Diese Gesichter allerdings bewegen sich und scheinen dabei sogar Grimassen zu ziehen! Ein schauerlicher Anblick. Doch ich erhebe erneut meine Hand mit dem rot leuchtenden Kristall und wiederhole die Prozedur von vorhin - und auch dieses Portal öffnet sich.

      Vor uns liegt jetzt ein hoher achteckiger Raum, dessen Decke allerdings stufenförmig eine gute Manneslänge nach unten ragt. Dafür scheint sich auf dem Boden eine entsprechende Aussparung zu befinden. Bis zur untersten Stufe reicht der Blick hier allerdings nicht, dafür sorgt schon der Erdschlamm, mit dem die Mitte der Grube gefüllt ist. Heraus ragt allerdings ein sehr markanter, vierkantiger Stein im Zentrum des Raumes. Die Wände sind allesamt blutrot gefärbt. Ist das jetzt vielleicht der Opferraum? Monalon jedenfalls blickt mich triumphierend an, ganz als wolle sie sagen, dass sie allein recht hatte. Nun, wenn man nichts tut, dann kann man auch nichts falsch machen, denke ich mir.

      Der Feuerkristall in meiner Hand leuchtet auf: je näher ich damit in die Mitte des Raumes zeige, desto heller. An den Wänden erkennt man nun die schattenhaften Silhouetten von acht menschenähnlichen Gestalten. Hat das jetzt etwas mit den acht Köpfen von vorhin zu tun? Ungefragt nimmt mir Magnus den Kristall aus der Hand, doch ehe ich mir über dieses Verhalten Gedanken machen kann, tauchen aus dem Erdschlamm mehrere Tentakeln auf. Magnus und ich weichen zurück, Monalon ist schon die ganze Zeit über immer einen bis zwei Schritte hinter uns geblieben. Als wir uns gerade umwenden wollen, um die Flucht anzutreten, vernehme ich in meinem Kopf eine laute Stimme, die auf Khazalid zu mir spricht:

      ?WARTE!!!?.

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      noch Wellentag, der 21. Vorgeheim


      ?Wir sollen warten??, durchschneide ich mit meiner Stimme die Stille, worauf mich meine Gefährten erstaunt anblicken. ?Mit wem redet der Kerl??, scheinen sie sich zu fragen.
      ?Xhardia!!!? dröhnt jetzt eine tiefe Stimme hervor, erfüllt den gesamten Raum - und die Tentakeln stoppen abrupt mitten in der Bewegung. Aus den Seitenwänden lösen sich dunkle Schatten und schweben aufeinander zu. Über dem Podest scheinen sie miteinander zu verschmelzen und manifestieren sich dort zu einer dunklen, nun aber eindeutig stofflichen, fast schwarzen, glänzenden und wahrhaft schauerlichen Gestalt. Die Farbe erinnert mich an einen Obsidian-Stein, den mir ein Handwerker der Zwerge vor Jahren einmal in Middenheim gezeigt hat. Ein vulkanisches Material, aus dem sie vor Jahrtausenden ihre ersten Werkzeuge herstellten.
      ?Naturmagische Aura!? beantwortet Monalon Magnus' Frage, die er zwar nicht gestellt hat, doch sie stand ihm wahrlich ins Gesicht geschrieben.
      ?Wer seid Ihr??, meldet sich die Obsidiangestalt wieder zu Wort. Merkwürdig, sie spricht obwohl Ihr Gesicht gar keinen Mund zu haben scheint! Auf unser Zögern fährt die Gestalt fort: ?Ihr habt Euch durchaus als ehrenvoll erwiesen, indem Ihr große Opferbereitschaft gezeigt habt. Aber Ihr gehört nicht dem Volk des Steines an.?
      ?Nein, wir gehören nicht zum Volk des Steines,? entgegne ich, ?allerdings stamme ich selbst aus Middenheim, der alten Hauptstadt des Steinvolkes, und habe, wie auch meine Gefährten hier, schon immer größte Achtung vor Grungni und seinem Volke gehabt. Ich bin der Barde Sigurd Silberzunge und meine Gefährten sind die Magierin Monalon Rhagansdottir und der Priester Sigmars Magnus von Moosfels.?.
      Der Letztgenannte meldet sich jetzt zu Wort: ?Mit wem haben wir den die Ehre? Seid Ihr Xhardia??
      ?Nein. Xhardia bewacht den Eingang. Xhardia bewacht den ganzen Stein."
      Während die Gestalt noch diese Worte spricht, schlägt plötzlich der Boden Wellen, und der Eingang hinter uns wird durch Tentakeln versperrt. So, so! Die Tentakeln scheinen also zu einem Wesen, diesem Xhardia, zu gehören. Oder sie bilden das Wesen selbst. ?Ich selbst bin der Diener des Steines, der uns alle umgibt, zugleich aber bin ich ein Gefangener des Steins. Aber was ist nun Euer Begehr??
      Die Gestalt starrt mich nun so durchdringend an, das mir ganz mulmig wird. ?Wir sind auf der Suche nach den magischen Steinen, um das Chaos zu bekämpfen, das derzeit wieder in der Welt draussen ausbricht und immer stärker wird.?
      ?Das Chaos, von dem Du sprichst, Barde, herrscht auch hier im Stein. Das Steinvolk versuchte sich ihm zu widersetzen, wie auch Ihr es vorgebt zu tun. Seit Ihr bereit, das Blutopfer zu vollziehen??.
      ?Das kann nicht der Weg Grungnis sein?, flüstert Magnus mir zu und wendet sich dann an die Obsidiangestalt: ?Ihr sagt, Ihr dient dem Stein. Und auch seinem Volke und Grungni selbst nehme ich an. Wie kann es dann sein, dass Ihr ein Blutopfer von uns fordert??
      Die Gestalt hält kurz inne und hebt dann erneut zu sprechen an: ?Als das Steinvolk sich dem Chaos widersetzte, verließ es kurzzeitig den seinen eigenen Weg und verriet damit Grungnis Namen - allerdings ohne Grungni selbst zu verraten. Der Schrein wurde vor langer Zeit von den Grünhäuuten angegriffen. Jetzt ist es nicht mehr der Schrein des Steinvolkes. Seit ihr jetzt bereit? Dann folgt mir!?

      Die Obsidiangestalt schwebt auf uns zu und gleitet dann zwischen Magnus und mir hindurch auf Monalon zu. Die Magierin weicht zur Seite, und die Gestalt bewegt sich in den Gang hinein. Die Tentakeln ziehen sich zurück und wie von Geisterhand schwingt das Portal auf. In gehörigem Abstand folgen wir der fremden Gestalt durch den Gang. Magnus raunt mir zu, dass er dem Wesen nicht traut, und mahnt zur Vorsicht.

      Wir gelangen wieder in den bereits zuvor von uns durchquerten Saal. Dort hält die Obsidiangestalt inne und weist auf den Käfig in der Mitte des Raumes: ?Das hier ist die Wurzel all dessen, was einst Grungnis Namen verraten hat. Hier muss dem Herz des Felsens das Opfer bereitet werden. Seid Ihr dazu bereit??

      Mit zahllosen, weitschweifigen Worten äußert Magnus jetzt seine Zweifel. Das meiste davon verstehe ich nicht, aber er spricht immer wieder einen einzigen Grundsatz an: ein Blutopfer sei einfach nicht mit der Lebensart der Zwerge vereinbar.

      Die Obsidiangestalt hört dem Sigmarianer schweigsam zu und hebt, als er schließlich geendigt hat erneut an: ?Ich verstehe Dich, oh Sohn der Erde, ich verstehe Dein Zaudern, und auch, dass Du mir nicht frei heraus Vertrauen schenken kannst. Aber glaube mir, dem Stein muss das zurückgegeben werden, was Du seine Seele nennen würdest. Dies ist der einzige Weg. Grungnis Name wurde durch das Steinvolk verraten, nicht aber Grungni selbst. Das Blutopfer ist wahrlich der einzige Weg, es ungeschehen zu machen?.

      ?Ein Blutopfer haben wir aber doch bereits dargebracht?, entgegne ich. Sofort wendet sich die Gestalt mir zu, und wieder wird mir ganz anders.
      ?Das ist wahr, ihr habt bereits große Opferbereitschaft gezeigt, aber leider jedoch an der falschen Stelle. Ihr habt in Xhardias Tempel geopfert. Das Ritual jedoch muss hier, nahe dem Herzen des Steines selbst, vollzogen werden. Ihr, Barde, tragt mit euch ein Relikt, das große Macht verleiht. Hiermit soll ein Opfer gebracht werden, jenseits der Zeit, mit einer Gabe der Zeit.?

      Monalon, Magnus und ich bilden einen Kreis, um uns zu beraten. Ich werfe in den Raum, ob es nicht doch sinnvoll sei, den Botschaften zu folgen und das dort beschriebene Ritual zu vollziehen. Vielleicht muss man in diesem Fall doch Feuer mit Feuer bekämpfen? Monalons Einwand, es gehe mir nur um die versprochene Belohnung, beachte ich nicht weiter - eigentlich geht es mir nur darum, hier irgendwie mit mehr oder minder heiler Haut heraus zu kommen! Magnus scheint immer noch starke Zweifel zu hegen.
      ?Magnus?, spreche ich ihn jetzt direkt an, ?was sollen wir tun? Wir drehen uns nur im Kreis! Ich wäre bereit, dieses Opfer zu bringen - in der Hoffnung, dass es wirklich das Richtige ist. Aber Du bist so viel kundiger in solchen Glaubensdingen als ich - oder als wir anderen zusammen. Kannst Du ihm immer noch nicht vertrauen? Ich glaube schon zu verstehen, was er meint?.

      ?Was müssten wir tun??, wendet sich Magnus schließlich an die Obsidiangestalt.
      ?Ihr habt es bereits ganz entsprechend den Schriften getan, nur an der falschen Stelle." Er deutet auf das Podest. " Hier liegt verborgen das Herz des Steines, das zerstört werden muss, um die Seele des Steines zu retten. Damals ward geduldet, dass ein Fehler begangen wurde, um ein weit größeres Unheil zu verhindern. Ihr vermögt den Verrat an Grungnis Namen zu tilgen. Der Stein selbst kann Euch diese Bürde nicht abnehmen. Ihr habt bereits bewiesen, dass Ihr, obwohl selbst nicht Angehörige des Steinvolkes, doch wahre Söhne Grungnis seid. Ihr müsst mir einfach vertrauen, Kinder der Erde?.

      ?Sigurd, gib mir Dein Schwert?, wendet sich Magnus mit ernstem Gesicht an mich. Und im gleichen Moment weiß ich auch, warum er es von mir fordert. Er muss denken, dass es sich bei diesem 'Relikt der Zeit', von dem die Obsidiangestalt zuvor gesprochen hatte, um mein Schwert handelt! Schließlich stammt die Waffe von den Slann, die vielleicht unsere fernen Vorfahren gewesen sind. Die Entschlossenheit in Magnus? Augen zeigt mir auch, dass er sich entschieden hat, dem Obsidian-Geist, oder was immer es ist, tatsächlich sein Vertrauen zu schenken.

      ?So soll es denn geschehen?, fällt Magnus die vielleicht folgenschwere Entscheidung. Plötzlich erbebt der Fels, ein Schauer durchfährt mich - und wohl uns alle! -, als das Obsidianwesen zu dem Käfig schwebt, ihn mühelos beiseite reißt und das gesamte Podest erzittern lässt. Sofort verändert die tiefschwarze Gestalt ihre Farbe: Nun schimmert sie gräulich.

      Auf einmal weiß ich genau, was zu tun ist. Ich reiche Magnus mein Schwert und schreite auf das Podest zu, die Stufen hinauf. Dann ziehe ich einen meiner Dolche und schneide mir quer über die linke Handfläche. Blut quillt hervor, doch erstaunlicherweise empfinde ich in diesem Augenblick nicht den geringsten Schmerz. Ganz gemäß den Anweisungen in den Manuskripten verteile ich nun mein Blut erst in der Mitte und dann gleichmäßig auf die Kanten des Podestes. Plötzlich habe ich dabei das Gefühl, mein Blut werde mir geradezu aus meiner Hand gesaugt, aus meinem Arm, aus meinem ganzen Körper! Schüttelfrost packt mich, der Stein saugt mein Blut auf wie ein ausgetrockneter Schwamm. Was passiert mit mir?! Mit aller Kraft versuche ich mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren, taste unter dem widerlichen Schlamm nach den Köpfen, die ich ja ebenfalls mit meinem Blut zu benetzen habe. Als meine Hand im Schlamm versinkt, ergreift mich ein stechender Schmerz ? nein, ich habe fast den Eindruck, meine Hand stünde in Flammen! Als hätte ich in glühende Lava gefasst! Langsam taste ich mich von Schädel zu Schädel, und ich weiß nicht einmal sicher, ob ich wirklich alle acht werde finden können, da verschwimmt alles vor meinen Augen.
      ?Sigurd!? höre ich noch Monalons sorgenvolle Stimme, wie aus weiter Ferne, dann verliere ich die Besinnung.

      Als ich wieder zu mir komme - Monalon hat mich allem Anschein nach aus dem Schlamm gezogen -, herrscht eine herrliche Ruhe. Der Boden schwankt nicht mehr, meine Hand schmerzt kaum noch, und ich fühle mich zwar sehr matt, aber dabei auch unendlich erleichtert. Als ich den Blick hebe, sehe ich die Obsidiangestalt vor mir, die nun in fast völligem Weiß strahlt. Auch sie wirkt, als sei ihr eine schwere Last von den Schultern genommen.
      ?Es ist vollbracht! Wir sind Euch zu tiefstem Dank verpflichtet. Habt Ihr einen Wunsch, so soll er Euch erfüllt werden.?
      Ein paar Schlucke Wasser wären jetzt schön, denke ich mir, aber Magnus hat anderes im Sinn:
      ?Wir wollen weiterhin das Chaos bekämpfen, das sich im Land ausbreitet. Dabei helfen uns die magischen Steine des Steinvolkes. Einen dieser Steine nennen wir bereits unser Eigen, aber wir hörten, dass es in diesen Hallen zumindest einen weiteren geben soll?
      ?Überlasst mir Euren Stein bitte für eine kurze Weile, dann soll Euer Wunsch erfüllt werden?, entgegnet die weiße Gestalt. Und tatsächlich legt Magnus den Stein in die gleißend weiße Hand, die ihm das steinerne Wesen entgegenstreckt.

      Sofort leuchtet der Kristall, der bislang nur matt glomm, hell auf, die Köpfe an den Wänden zerfließen, und die Portale öffnen sich wieder. Die weiße Gestalt schwebt in den Gang in Richtung des achteckigen Raumes und wir folgen ihr - wobei Monalon und Magnus mich stützen müssen, noch bin ich zu schwach alleine zu gehen. Endlich reicht mir die Magierin auch ihre Wasserflasche.

      ?Xhardia!?, zerreißt die Stimme des steinernen Geistes die Stille im achteckigen Raum, und unverzüglich machen die Tentakeln den Weg frei. Der widerliche Schlamm scheint einfach im Boden zu versickern. Das Podest in der Mitte des Raumes leuchtet jetzt tiefblau, und die Steingestalt wendet sich erneut uns zu:
      ?Ich danke Euch?.
      Sie gibt Magnus den Feuerkristall zurück, wendet sich wieder um und schlägt mit einem gewaltigen Hieb auf das immer noch blau leuchtende Podest. Steinsplitter werden in alle Richtungen geschleudert, und zwischen den Felsbrocken und -scherben sehen wir einen faustgroßen, blauen Stein, geschliffen in einer vielzackigen Form, die ich wirklich nicht zu beschreiben vermag. Ein Stöhnen ist zu hören, dann verfällt die steinerne Gestalt, die nun in reinstem Weiß leuchtet, geräuschlos zu Staub.

      Ob das wohl der Stein des Wassers ist? Naheliegend wäre es ja, alleine schon ob seiner Farbe. Magnus nimmt den Stein an sich. Als ich mich umsehe, stelle ich fest, dass von dem Erdschlamm nur mehr eine dünne Staubschicht geblieben ist. Und das scheint überall so zu sein: Auch der Gang hinter uns und der große Saal sind mit einem Mal völlig trocken. Erschöpft lasse ich mich auf den Stufen des Podestes nieder. Jetzt sehen sie wieder gänzlich normal aus und fühlen sich auch so an: Kaum zu glauben, dass hier vor wenigen Minuten ein Blutopfer dargebracht wurde. Um wieder ein wenig zu Kräften zu kommen, nehme ich erst einmal einen weiteren kräftigen Schluck aus der Wasserflasche. Währenddessen berichten mir Monalon und Magnus, was während meiner Bewusstlosigkeit geschehen war:

      Ich habe wohl tatsächliche alle acht Schädel mit meiner blutenden Hand berühren können, denn wie mir Magnus später berichtet, hat sich daraufhin eine Falltür in diesem Podest geöffnet. Danach muss der Sigmarianer mit erhobenem Schwert die Stufen des Podestes hinaufgestiegen sein - Stufen, die sich unter seinen Füßen angefühlt haben müssen wie blutgetränkte Schwämme. Unterhalb der Falltür, so wurde mir geschildert, habe sich ein riesiges, pulsierendes Herz befunden, getränkt und erquickt von meinem Blut, das vom Podest hinabgeronnen ist. Mit einem kurzen Gebet, innig an Sigmar gerichtet, hat Magnus dann mein Schwert mit aller Kraft tief in das Herz gerammt. Und ich habe wieder einmal nichts mitbekommen!

      Während wir noch überlegen, wie wir diese Höhlen denn jetzt wohl am besten wieder verlassen, dringt eine Stimme von oben herab: ?EYYY, IHR DA!? Es ist Kroddog. Ich hätte auch nie gedacht, mal erleichtert zu sein, die dröhnende Stimme eines Ogers zu vernehmen! Magnus schildert ihm kurz unsere Lage, und der Oger ist begeistert über die Lösung des Schlamm- und Tentakelproblems, da sie ja nun über noch viel mehr Platz verfügen, um Besucher ihres Schreines zu beherbergen.

      Kurz darauf wird von oben eine Strickleiter herabgelassen, dazu noch vier lange Seile, an deren Ende ein großes Tuch befestigt ist. Magnus hatte darauf hingewiesen, dass wir einen Verletzten zu transportieren hätten - nämlich mich. Mir ist das ganz recht, denn soweit hergestellt, dass ich eine wacklige Strickleiter erklimmen könnte, fühle ich mich nun doch noch nicht. So werde ich auf das Tuch verfrachtet und zügig hochgezogen. Als mir meine Gefährten dann langsam auf der Strickleiter folgen ,dauert das Kroddog anscheinend viel zu lange: ?IS JA EIGENTLICH BLÖD SO!?, brummte er nur - und zieht die ganze Strickleiter mitsamt Monalon und Magnus in einem kurzen Ruck nach oben. ?BIST DU ABER AUCH LEICHT, KLEINER?, grinst er Magnus noch an. Aber lange beschäftigt er sich nicht mit uns: Die Oger sind immer noch völlig begeistert, dass sie jetzt noch mehr Platz für ihre Besucher haben, und das wird nun jetzt in aller Ausführlichkeit besprochen - sehr lautstark und von zahllosen Grunzlauten begleitet. Zeit für uns, sich kurz zu verabschieden und diesen Ort endlich zu verlassen. Auf dem Weg zurück begegnet uns noch das Ogerpaar: ?Schatz, da sind sie ja wieder! Darf ich nicht doch wenigstens einen davon behalten? ??. Bevor der Ehegatte sein Einverständnis geben kann, machen wir uns dann mal lieber schnell aus dem Staub.

      Als wir aus dem Höhlenausgang heraustreten, erwartet uns dichtes Schneetreiben. Wie lange haben wir wohl in diesem Schrein verbracht? Von unseren Elfen ist nichts zu sehen, dafür taucht plötzlich eine merkwürdige kleine Gestalt vor uns auf. Ein in eine weiße Robe gehüllter, uralter Zwerg mit einem selbst für einen Angehörigen des Steinvolkes beachtlich langem weißen Bart. Mir entgeht nicht, dass er nicht die üblichen Stiefel trägt, vielmehr sind seine Füße bar - und schweben ein Stück weit über dem Boden! Oder bilde ich mir das nur ein?
      Reglos schwebt der sonderbare Fremde dort und blickt unverwandt geradewegs in unsere Richtung. Während uns noch auffällt, dass von dieser Gestalt nicht nur ein sonderbares bläuliches Leuchten ausgeht, sondern wir tatsächlich auch noch die Felsen hinter ihm erkennen können, hören wir alle klar und deutlich eine Stimme aus dem Nichts - nein, es ist eindeutig nicht der Zwerg, der hier spricht! Unablässig wiederholt die körperlose Stimme einen wohlvertrauten Namen: ?Yazeran, Yazeran??
      Dann hebt der uralte Zwerg den Kopf, schaut uns der Reihe nach durchdringend an und sagt klar und deutlich, doch mit vor Anstrengung verzerrter Stimme: "Sie kommen zurück! Macht Euch auf den Weg nach Eyrie! Ihr müsst sie davon abhalten, den Kristall der Luft an sich zu bringen! Nach Eyrie ...?
      Dann verklingt seine Stimme, und gleichzeitig löst sich auch die geisterhafte Gestalt auf, als trage der Wind nur Rauchfetzen davon.

      Fortsetzung folgt!

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      Nach einigen Jahren (Auslandsaufenthalt einer Spielerin, Verfolgung eines "Spin-Off-Abenteuers" ohne Beteiligung des Tagebuch-Autors, des Charakters Sigurd) wird unsere Runde nunmehr "an der alten Stelle" fortgesetzt. Zunächst die Ereignisse der letzten Termine vor der Pause....


      noch Wellentag, der 21.Vorgeheim


      Yazeran. Laut der alten Schriftstücke aus der Zwergenbehausung am Wasserfall war das der Zwerg, der einst den Kristall der Luft sein eigen nannte. „Das Kloster Eyrie ist mir zumindest namentlich bekannt im Reich wird es meist nur 'der Falkenhorst' genannt. Dort gibt es eine recht berühmte Bibliothek des Ordens der Verena“, erklärt Magnus. „Es ist gar nicht weit dorthin es liegt ganz in der Nähe der Winterzähne.“ Nachdem wir ja bereits die Kristalle des Feuers und des Wassers so zumindest ist unsere Vermutung, was den zweiten Stein betrifft gefunden haben, liegt nun unser nächstes Ziel wohl unzweifelhaft vor uns.

      Ich gehe in Richtung zu der Stelle, an der die kleine weiße Gestalt verschwunden ist, doch dort ist nichts mehr zu sehen. „Esgaroth? Rinthar?“ Doch statt das einer der beiden mir antwortet taucht plötzlich Simiél wie aus dem Nichts vor mir auf.

      „Wo wart Ihr bloß?“ - „Das ist eine lange Geschichte“ erwidere ich. „Aber das erzählen wir Euch besser nachher am Feuer“. Ich frage ihn noch kurz, wie viel Zeit vergangen ist und bin erstaunt von ihm zu vernehmen, dass wir allem Anschein nach zwei ganze Tage in dem Höhlensystem verbracht haben.

      Gemeinsam machen wir uns auf zur Wegbiegung in unser provisorisches Lager, wo uns Esgaroth und Rinthar freundlich begrüßen. Die Pferde stehen etwas abseits hinter einem improvisierten Windschutz. Rinthar ist gerade dabei, mehrere Kaninchen auszunehmen, ein Feuer ist bereits entzündet, und so sehen wir nach all den Strapazen mit Freuden einem netten Abendessen entgegen. Esgaroth erblickt meine verletzte Hand und kümmert sich sogleich um die Wunde. Er gibt mir auch noch ein paar Kräuter, auf denen ich in den nächsten Tagen kauen soll, um dem Blutverlust entgegen zu wirken. Während des abendlichen Mahls besprechen wir unsere Lage und wie wir weiter vorgehen. Eyrie liegt nach Angabe der Elfen rund 3 bis 4 Tage entfernt, und die Elfen werden uns noch bis zur Handelsstraße begleiten. Danach werden sich unsere Wege trennen.

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      Daubentag, der 22. Vorgeheim


      Unangenehme Kälte erweckt mich am frühen Morgen; immer noch fühle ich mich müde und ermattet. Immerhin hat es aufgeklart: kaum eine Wolke bedeckt den strahlend blauen Himmel. Weit in der Ferne ist deutlich der gewaltige Höhenzug zu erkennen, der das Yetzintal vom Reich trennt. Irgendwo dort sind die Winterzähne und ein Stück weiter östlich das Kloster Eyrie zu erahnen. Nach einem kurzen Morgenmahl brechen wir auf und machen uns an den langwierigen Abstieg.

      Plötzlich bleibt Magnus vor mir stehen, so dass ich ihm fast in die Hacken laufe. Sein Blick ist kerzengerade nach oben gerichtet; kurz darauf stelle ich fest, dass alle meine Weggefährten starr zum Himmel aufblicken. Ich erkenne dort viele schwarze Punkte. Vögel, die in Formation fliegen? Zu dieser Jahreszeit und vor allem in Richtung Norden? Nein, diese Geschöpfe scheinen auch weitaus größer zu sein! Dann spricht Magnus genau das aus, was ich schon fast befürchtet habe: „Ein Drachenschwarm! So etwas hat es seit hunderten von Jahren nicht mehr gegeben.“ Das ist wahrlich kein gutes Zeichen und lässt die Zukunft des Reiches und auch unsere eigene Zukunft unsicherer denn je erscheinen.

      Eine ganze Weile später erreichen wir eine Abzweigung. „Auf diesem Pfad erreicht man den Pass in zwei bis drei Tagen“. Trotz dieser Abkürzung, auf die uns Esgaroth hinweist, steht uns wohl ein langer Fußmarsch bevor, denn zum Reiten ist der Pfad zu steil und auch viel zu uneben. Immer noch steht die Sonne schräg über uns, kein Wölkchen ziert den Himmel, doch die Kälte will mir einfach nicht aus den Gliedern fahren. Auf Magnus’ Haupt tritt ein ausgeprägter Sonnenbrand immer deutlicher hervor - eigentlich grotesk, wenn man die in dieser Höhe fast winterlichen Temperaturen bedenkt.
      Doch je mehr wir an Höhe verlieren, desto mehr lässt die Kälte nach, und bald ist es dank der Sonne fast schon warm.

      Am frühen Nachmittag erreichen wir schließlich den Schatten der ersten Bäume. Der Pfad wird breiter und wegsamer, so dass man langsam daran denken kann, doch wieder auf die Pferde zu steigen, um ein wenig schneller voran zu kommen. Doch zunächst ist hier große Vorsicht geboten, denn vor uns auf dem Boden sind deutliche Spuren zu erkennen, die eindeutig von Tieren und Humanoiden zu stammen scheinen.

      Als wir um eine Baumgruppe schwenken, erblicken wir auf einem entfernten Hügel einen Großwolf mit Zaumzeug, auf dessen Rücken eine Gestalt sitzt und genau in unsere Richtung blickt. „Goblins“, stöhnt Esgaroth leise auf. „Der muss uns gesehen haben!“ Magnus erkundigt sich bei dem Elfen, was es damit auf sich haben könnte, und Esgaroth berichtet, diese Goblin-Horden seien früher eine regelrechte Plage gewesen, bevor die Elfen sie vermeintlich für immer ins Chaosland vertrieben hätten. Einen Moment später ist die Gestalt verschwunden. Wir bewegen uns jetzt natürlich mit äußerster Vorsicht vorwärts.

      Ein Rauschen in der Luft, das immer lauter wird und auf uns zuzukommen scheint, lässt mich sofort reagieren: Ich reiße Rinthar mit mir auf den Boden, nur Sekundenbruchteile später schlägt auch schon ein Speer hinter uns ein. Ich sehe aus dem Augenwinkel, wie Magnus sich auf sein Pferd schwingt und losprescht. Auf dem Hügel vor uns erscheinen Reiter aus Richtung des Horizontes, etwa ein Duzend Goblins auf wolfsähnlichen Reittieren. Die Gestalten schleudern uns wütend einen Speer nach dem anderen entgegen. Und als sei das noch nicht genug, schlagen jetzt auch noch dutzende Pfeile neben uns ein. Auch im Unterholz vor dem besagten Hügel scheinen die Burschen zu stecken. Der ungestüme Rinthar möchte aufspringen, doch es gelingt mir, ihn zurückzuhalten: „In Deckung bleiben!“ Ein paar Meter entfernt geht Simiél zu Boden; allem Anschein nach hat ihn irgendetwas getroffen.

      Ein kurzer Blick ins Unterholz verrät mir drei feindliche Bogenschützen. Auch ich lege nun einen Pfeil an und treffe den mittleren Goblin in die Brust. Kurz darauf geht das gesamte Gebüsch in Flammen auf - ein Feuerball von Monalon entfaltet seine volle Wirkung. Nun wende ich mich dem Hügel zu, lege einen weiteren Pfeil auf die Sehne und treffe einen der wilden Reiter genau in die Stirn. Ein weiterer Feuerball Monalons’ setzt dort oben fast alles in Brand. Anscheinend hat es hier seit Monaten nicht geregnet, das Gehölz muss knochentrocken sein. Markerschütternde Schmerzensschreie unserer Feinde dringen nun vom Hügel herab, von dort scheint keine Gefahr mehr auszugehen. Rinthar lässt sich jetzt nicht mehr aufhalten, wirft sich auf sein Pferd und sprengt auf das brennende Gehölz zu, hinter dem sich anscheinend immer noch feindliche Bogenschützen verstecken. Diese werden jetzt förmlich in die Zange genommen, denn von der anderen Seite prescht Esgaroth heran, der dem Beispiel seines Gefährten gefolgt ist. Beide Elfen hacken auf das Gebüsch ein und auf alles, was sich darin bewegt. So arbeiten sie sich methodisch aufeinander zu. Bevor die beiden in der Mitte aufeinandertreffen, jage ich genau dorthin einen weiteren Pfeil - der auch irgendetwas zu treffen scheint, wie mir ein dumpfer Aufprall verrät.

      Kurz darauf ist das Scharmützel siegreich beendet, und so weise ich die beiden Elfen auf den gestürzten Simiél hin, der immer noch bäuchlings auf dem Boden liegt. Als wir ihn herum drehen erkennen wir, dass leider jede Hilfe zu spät kommt: Ein gefiederter Pfeil ragt aus seiner Brust, und seine Augen sind bereits gebrochen.

      Die Elfen sind natürlich untröstlich, und auch ich habe einen Kloß im Hals ob des gefallenen Weggefährten. Aber realistisch betrachtet sind wir bei diesem Hinterhalt eigentlich noch gut davongekommen: Magnus, dessen Schwert zu meinem Erstaunen völlig unbefleckt ist - wo war der Kerl eigentlich die ganze Zeit?! -, macht den vernünftigen Vorschlag, vorerst zügig weiterzuziehen und Simiél an einer anderen, deutlich sichereren Stelle zu bestatten.

      So setzen wir unseren Weg fort und erreichen bald darauf das uns bereits vertraute Tal des Jetzin, den wir zwischen den Bäumen hindurch schon schimmern sehen. Die Dämmerung zieht bereits auf, der Herbst kündigt sich endgültig an, doch es scheint uns noch zu früh, ein Lager aufzuschlagen - vor allem weil wir uns aufgrund weiterer Wolfsspuren, die unseren Weg immer wieder queren und nach Norden führen, gewiss nicht sicher fühlen dürfen.

      Mit zunehmender Dunkelheit wird die Sicht immer schlechter, doch die Elfen führen uns gewandt weiter flussaufwärts. Etwa zwei Stunden später finden wir, oder vielmehr die Elfen, einen geeigneten Lagerplatz. Wir nehmen ein kurzes Nachtmahl zu uns und teilen die Wachen für die Nachtruhe ein. Ich übernehme die zweite, ereignislose, Wache und bin froh, als Magnus mich ablöst.

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      Markttag, der 23. Vorgeheim


      Am nächsten Morgen erfüllen wir die traurige Pflicht, Simiél zu begraben. Der lockere Waldboden erleichtert uns dieses Unterfangen, die beiden Elfen murmeln ihre Gebete; eine Minute des Schweigens schließen das kurze Ritual ab.

      So brechen wir zeitig auf, und nach etwa zwei bis drei Meilen wittern die Pferde etwas. „Eine Furt“, stellt Esgaroth selbstsicher fest. Es ist immer wieder erstaunlich, über welche Fähigkeiten Elfen verfügen. Am Schnauben eines Pferdes erkennen die eine Furt!

      Da wir den Jetzin früher oder später queren müssen, nutzen wir diese Gelegenheit natürlich. Esgaroth macht den Anfang und führt sein Pferd durch die Furt. Das sieht so einfach aus, dass es Monalon fast zum Verhängnis wird, denn die Magierin rutscht aus und wird einige Dutzend Meter weit flussabwärts getrieben. Ich setze vorsichtig einen Schritt vor den anderen und erreiche sicher das gegenüberliegende Ufer. Magnus und Rinthar reiten dagegen elegant durch die Furt; der Elf legt, selbst noch fest im Sattel, der vor Kälte zitternden Monalon ein wärmendes Tuch über die Schultern.

      Kurz darauf erreichen wir die Handelsstraße. Damit ist die Zeit des Abschieds von unseren Elfen-Gefährten gekommen, die von hier aus gen Süden ziehen werden. Esgaroth nimmt Magnus das Versprechen ab, seiner Mutter von unseren gemeinsamen Erlebnissen zu berichten, und Rinthar bittet mich um Benennung in einem meiner Lieder, was ich ihm gerne verspreche: „Ihr alle werdet dort mit Euren Taten genannt werden, auch der arme Simiél!“

      Der Ritt auf der breiten Straße gestaltet sich bequem und verläuft weitgehend ereignislos. Nur um die Mittagszeit weist mich Magnus auf einen weiteren Drachenschwarm am Himmel hin, der wie die vorherigen aus südöstlicher Richtung nach Norden in Richtung Reich ziehen. Gegen Abend erreichen wir unsere alte Lagerstelle in einer der Spitzkehren der nun wieder stark ansteigenden Straße. Ich übernehme erneut die zweite Wache. Mit welchem Recht übernimmt eigentlich Monalon jedes Mal entweder die erste oder letzte?

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      Backtag, der 24. Vorgeheim


      Nach einem sehr kargen Frühstück, das aus Dörrfleisch und mittlerweile sehr altem, furchtbar trockenem Brot besteht, machen wir uns früh auf den Weg: immer weiter die Serpentinen hinauf, geradewegs den Winterzähnen entgegen. Rechts unter uns erkenne ich die Felsnadel wieder, an der wir auf dem Hinweg die Leiche des alten Zwerges vorfanden. Bei allen Göttern, es erscheint mir so viel Zeit seitdem vergangen! Kurz vor der Passhöhe nehmen wir einen Abzweig Richtung Osten, auf dem wir uns dann etwa eine Stunde lang fortbewegen, ohne weiter aufzusteigen oder dem Tal erneut näherzukommen. Nach einer Linksbiegung öffnet sich ein großes Tal, in dessen Zentrum ein großer Felsen aufragt. Auf dessen Spitze thront eine festungsartige Klosteranlage: ein quadratischer Bau mit vier mächtigen Türmen an den Ecken. Unzweifelhaft handelt es sich um unser Ziel, das Kloster Eyrie. Wir steigen in den Talkessel hinab, durchqueren ein kleines Waldstück und müssen dann einen steilen Hügel emporklimmen, der dem großen Felsen vorgelagert ist. Über mehrere Serpentinen erreichen wir den Gipfel, von dem eine schmale Brücke über eine tiefe Schlucht zum massigen, eisenbeschlagenen Eingangstor des Klosters führt.

      Vor dem Tor steht eine Wache in schwerer Rüstung; zackig erwidert sie Magnus' Gruß. Wir führen unsere Pferde über die schmale Brücke, und als wir bei der Wache eintreffen, verlangt diese die „Parole“. Wir blicken einander noch fragend an, da richtet sich der Wachmann, der sich zuvor an das Tor angelehnt hatte, zu seiner vollen Größe auf: „Ach Ihr seid das, die drei Finger des Schicksals!“ „Selbstverständlich“ entgegnet Monalon gedankenschnell. Der Wächter klopft an das mächtige Tor und fährt fort: „Ihr müsst sofort zu Pater Gregor!“

      Das Tor öffnet sich und ein zweiter Wachmann, ebenfalls gerüstet, stellt sich als Bruder Johann vor. Er führt uns durch eine große Höhle, in der Länge etwa 40 und in der Höhe wohl um die 7 Meter. Auf halbem Weg umrunden wir einen Brunnen, dessen Tiefe unglaublich sein muss, wenn man die Höhe des Felsens bedenkt, in dem wir uns hier befinden. Am Ende geht es über eine in den Stein gehauene Treppe hinauf in den eigentlichen Klosterbau. Dies alles kann eigentlich nur ein von Zwergen errichtetes Bauwerk sein!

      Durch einen langen Gang mit einer Reihe von geschlossenen Türen an beiden Seiten führt unser Weg über einen Treppenabsatz in einen weiteren Gang, an dessen Ende eine weitere Treppe in einen kleinen Innenhof führt. In dessen Mitte erblicken wir eine Statue, die einen Zwerg darstellt. Doch viel Zeit, das beachtliche Kunstwerk zu beäugen, bleibt uns nicht, denn Johann führt uns in ein Steingebäude zu unserer Rechten. Im ersten Stock angelangt machen wir halt vor einer mit schönen Holzfresken geschmückten Tür. Johann klopft kurz, öffnet die Tür einen Spalt breit: „Pater Gregor, Ihr habt Besuch.“ „Dann immer herein damit, das wäre dann alles, Johann“, schallt es zurück.

      Wir betreten ein großes Arbeitszimmer. Hinter einem mit Schriftrollen fast völlig bedeckten Schreibtisch sitzt in einem Ohrensessel Pater Gregor, der Abt des Klosters Eyrie. Hinter ihm gestattet ein kleines Fenster einen traumhaften Blick über die Berge. Pater Gregor muss um die 80 Jahre als sein: Sein weißer Backenbart ist noch sehr voll, ansonsten ist es um seinen Haarwuchs eher spärlich bestellt. Der Abt kneift die Augen zusammen und blickt uns durch seine kleine Brille neugierig an. Dann begrüßt er uns überaus freundlich, fast schon überbordend. Und auch er bezeichnet uns, wie zuvor schon der Wachmann, als die 'drei Finger des Schicksals'. Er spricht von einer alten Prophezeiung, die das Kommen jener Gäste just in diesen schweren Zeiten angekündigt habe. „Ihr werdet ja wohl wissen, was nun zu tun ist.“

      Der redselige Gregor holt kaum Atem beim Sprechen. Ausführlich schildert er uns fast die gesamte Geschichte des Klosters: Yazeran selbst hat das Kloster vor einhundert Jahren gegründet und erbaut natürlich hatte er Helfer dabei, denn wer könnte ein solches Bauwerk schon ganz allein errichten? Aber Gregor spricht voller Ehrfurcht vom Großen Yazeran, den er selbst, Gregor, vor rund fünfzig Jahren noch leibhaftig kennengelernt hat. Er fährt fort: „Die Erlaubnis für das Kloster hat Yazeran damals von Seiner Majestät höchstpersönlich erhalten. Aber was rede ich die ganze Zeit, ich sollte Euch doch etwas anbieten! Tee, vielleicht?“ Nach einer kurzen Schweigepause - diese abrupte thematische Rückkehr in unser Jahrhundert hatte wohl niemand so schnell erwartet - reagiert wieder Monalon als Erste: „Das wäre sehr genehm“.

      „Dieter!?“, ruft Gregor einen jungen Adepten, der den Raum betritt und uns erst einmal voller Erstaunen mit offenem Mund anstarrt. „Dieter, Tee für unsere Gäste!!!“.

      Der junge Bursche, der noch keine fünfzehn Lenze zählen kann, verlässt umgehend den Raum. In der nun folgenden Unterhaltung versuchen Monalon, Magnus und ich, nachdem wir jetzt endlich auch einmal zu Wort kommen, diese Sache mit den „Drei Fingern des Schicksals“ anzusprechen. Es wäre ja doch schön herauszufinden, was es denn eigentlich damit auf sich hat.

      „Gefahren drohen von allen Seiten, und es werden Leute kommen in unser Kloster, die sich der Sorgen annehmen werden. Das seid ja wohl Ihr!“ „Wie könnt Ihr da so sicher sein?", frage ich den Abt, aber er bleibt unerschütterlich: „Die Prophezeiung besagt es!“. Aus dem Regal hinter sich zieht Pater Gregor ein Buch und legt es mit ausschweifender Geste vor sich auf den Tisch - allerdings muss er vorher ein halbes Dutzend Pergamente beiseite schieben, um Platz für den Folianten zu machen. Erwartungsvoll blickt uns der Abt des Klosters an. Als eine Reaktion unsererseits ausbleibt, dreht er das Buch herum und klappt den Buchrücken . Drei kleine Pergamente und eine Zeichnung fallen heraus.

      Was wir auf der Zeichnung erkennen, lässt mir den Atem stocken. Dort sind drei Gestalten zu erkennen: Ein mächtiger barhäuptiger Priester des Sigmar, Magnus wie aus dem Ei gepellt. Sogar ein kleiner Schnitt an der Stirn, die er sich erst diesen Morgen beim Rasieren seines Schädels zugezogen hat, ist deutlich zu erkennen. Als ich die zweite Gestalt betrachte scheint es mir fast, als würde ich in einen Spiegel schauen. Nur die dritte Gestalt ist eher schemenhaft gezeichnet, scheint aber unserer Magierin Monalon nicht unähnlich zu sein. Dass sind jedenfalls wir. Dafür besteht für mich überhaupt kein Zweifel.

      Auf einem Pergament stehen in Großschrift nur zwei Sätze:

      ZWEI UND EINE GEMEINSAM ERKLIMMEN DEN PASS IN DER STUNDE DER ARG-GRÖSSTEN NOT.
      NICHT MIT BUCH NOCH MIT FEDER, UND DOCH HIER IN EYRIE LÄSST SICH FINDEN, WAS DAS SCHICKSAL GEBOT.

      Also wieder ein Hinweis auf uns. Aber was lässt sich hier finden? Weitere magische Steine?

      Das zweite Pergament zeigt ein Sechseck mit einem sechsteiligen Spruch an den Seiten: „Nur - ganz - wenn - eines - vorbei - ist“. Daraus werden wir erst einmal überhaupt nicht schlau und wenden uns dem letzten Pergament zu, einen Brief Yazerans‘:

      „Seid gegrüßt, werter Abt des Klosters Eyrie,
      Wer immer Ihr seid, und wann Ihr dies lest!

      Ich bin alt und schwach und ich spüre, dass dies meine letzte Krankheit ist. Schon bald wird der Steinmetz erscheinen, um mich in meinen Sarg zu betten, zurück in die Erde, der ich einst entsprang. Ich habe ihm meine sieben Silberlinge bereits im Voraus gegeben, die ihm zweifellos zustehen.

      Wenn Ihr dies lest, wird sich meine Vision als wahr erweisen. Die Zeit der größten Gefahr für Eyrie ist angebrochen. Es ist die Zeit meiner Prophezeiung. Diejenigen, die ich vorhersah, werden in Kürze in Eyrie eintreffen. Ihr werdet sie aufgrund meiner Verse erkennen. Folgt ihrem Rat und helft ihnen, aber seid dennoch vorsichtig, denn das Schicksal des Klosters und seiner Mönche ist nicht das, was ihnen vor allem am Herzen liegt.

      Vor Euch liegt der erste meiner Hinweise, die die Vorhergesehenen mit diesem Schreiben erhalten sollen. Um den zweiten Hinweis zu finden, wartet bis zur Stunde des abendlichen Mahls und suchet dort, wohin Euch meine Zeilen führen. Jeder Hinweis führt zum nächsten, und alle liegen sie innerhalb der Klostermauern. Wenn sie alle acht (oder waren es nur sieben?) Hinweise zusammen haben (mein Gedächtnis ist wahrlich nicht mehr das, was es einst war!), werden sie begreifen und schließlich finden, wonach sie suchen. Fragt nicht, was es ist. Sie wissen es und ich weiß es, und Ihr sollt es erfahren, wenn es notwendig wird. Es ist Schicksal, und das Ihre ist mit dem Eyries verbunden, auch wenn Euch das nicht immer so zu sein scheint.

      Beeilt Euch, jetzt ist die Zeit für Taten angebrochen, nicht für Worte. Diejenigen die kommen werden verstehen, was ich hier niederschrieb.

      Y

      Yazerans Zeichen“

      Eines scheint mir jedenfalls nun klar: Dieser Yazeran hat eine Schnitzeljagd für uns vorbereitet, an deren erfolgreichem Ende uns womöglich ein dritter magischer Stein als Belohnung winkt. Stand in einer der früheren Botschaften, deren wir auf unserer Reise habhaft wurden, nicht irgendwo, dass Yazeran den „Stein der Luft“ in seinem Besitz hatte?

      Zudem gilt es wachsam zu sein, da dem Kloster große Gefahr zu drohen scheint, die wir drei Weggefährten abwenden sollen. Wobei mir Monalons Rolle nicht so recht klar scheint. Warum ist sie, wenn sie überhaupt gemeint ist, auf der alten Abbildung nur schemenhaft gezeichnet?

      Meine Gedankengänge werden unterbrochen, als Dieter den Tee bringt. Eine Kräutermischung, die erstaunlich gut schmeckt. „Das ist übrigens Dieter, er wird sich in der Zeit Eures Aufenthalts um Euch kümmern. Wenn Ihr fragen habt, wendet Euch vertrauensvoll an ihn.“

      Die Zeit des Mittagsmahls steht nunmehr kurz bevor, und so begeben wir uns zu der Statue in der Mitte des kleinen Innenhofs. Auf einem großen, mit eingravierten Gestalten versehenen Sockel steht die Abbildung eines Zwerges. Seine rechte Hand hält ein Senkblei, seine Linke ein Winkelmaß. Bei diesem Baumeister kann es sich nur um Yazeran handeln - wie uns Dieter auch umgehend bestätigt. Der Schatten des Zwerges und insbesondere des Senkbleis fällt auf eine gegenüberliegende Mauer und wohl bald auf den Boden davor, was uns zu einer Vermutung bringt: „Wenn die exakte Stunde des Mittagsmahles schlägt, sollte man an der entsprechenden Stelle die Wand etwas genauer untersuchen. Vielleicht findet sich darin schon der nächste Hinweis“.

      Dieter poliert derweil gewissenhaft die Statue. Magnus fragt: „Dieter,…“ - „Ja mein Herr?“ - „Was genau besagt eigentlich die Prophezeiung?“ - „Das wisst Ihr nicht?“ fragt der junge Adept verwundert. Monalon entgegnet, wir seien zwar sehr wohl die "drei Finger des Schicksals", aber auch uns sei die Prophezeiung nicht in allen Einzelheiten bekannt. Dieter betrachtet darauf hin die Bilder auf dem Sockel der Statue genau, tastet diese ab und murmelt dabei: „Yazeran, der Philosoph, der unsere Feinde ebenso erschlägt wie unsere Unwissenheit, gab uns eine Botschaft und auch eine Zeichnung von Euch. Die Botschaft lautet: Zwei und eine gemeinsam erklimmen den Pass in der Stunde der arg größten Not…“. „Ja,“ unterbreche ich ihn, „diese Botschaft ist uns bekannt. Pater Gregor hat uns das Pergament bereits gezeigt.“

      Dieter denkt weiter laut nach: „Das Senkblei muss irgendeine Bedeutung haben“. - „Was ist eigentlich mit dem Steinmetz, der dieses Denkmal schuf?“ fragt Magnus. „Ja sicher, der ist hier auch abgebildet“ weist Dieter auf eine Gruppe Zwergenfiguren auf dem Sockel hin, „hier links ist Yazeran auf seinem Totenbett abgebildet, daneben sitzt der Steinmetz. Yazeran hinterlässt uns eine weisere, aber traurigere Welt . Georgie der Steinmetz bettet ihn ins Grab, nachdem er seinen Lohn, sieben Silbermünzen erhalten hat“.

      „Lebt dieser Georgie vielleicht noch?“ frage ich den jungen Burschen und erhalte eine Antwort, auf die ich eigentlich gar nicht zu hoffen gewagt hatte: „Ja gewiss, ich kann Euch gleich zu ihm führen.

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      noch Backtag, der 24. Vorgeheim


      Da blitzt es urplötzlich in strahlendem Bau vom Himmel herunter. Vor uns erscheint, wie aus dem Nichts, eine fremde Gestalt, gehüllt in eine schwarze Robe: ein hagerer, dunkelhaariger Mann, mit äußerst gepflegtem Aussehen. Er muss zwischen sechzig und siebzig Jahre alt sein.

      „Monalon Rhagansdottir?“, fragte er mit volltönender, tiefer Stimme. „Ja das bin ich“, entgegnet unsere Magierin. „Aber wer seid Ihr?“ stellt Magnus die berechtigte Frage, die erstaunlicherweise Monalon selbst beantwortet: „Das ist Professor Gleiss, Dekan der magischen Fakultät der Hochschule von Kemperbad.

      Der Magus entrollt ein hochoffiziell aussehendes Schriftstück, auf dem ich man ist ja neugierig das Siegel Seiner Majestät des Kaisers persönlich erkenne. Gleiss verliest es und nimmt Bezug auf die Anklageschrift und das Urteil gegen Monalon, dass vor kurzem außer Kraft gesetzt worden sei. Weiterhin werde Monalon in der allgemeinen Stunde der Not gebeten, umgehend in das Reich zurückzukehren, um in den Dienst Seiner Majestät des Kaisers zu treten. Lehne sie dieses Gesuch ab, bleibe die Anklage in allen Punkten bestehen; als verurteilte Verbrecherin wäre ihr damit fürderhin eine Rückkehr in die Heimat für alle Zeiten versagt.

      In den nun folgenden Minuten wird die unerwartet verändert Lage diskutiert, Monalon fragt, was denn mit Ihren Gefährten, also Magnus und mir wäre. Professor Gleiss eröffnet uns darauf hin, dass der Bannstrahl gegen meine Person hiervon unberührt bliebe. Warum sie allerdings nach Magnus fragt, ist mir schleierhaft, schließlich hatte der Sigmarianer doch den offiziellen Auftrag, mich in meine Verbannung zu geleiten!

      Aber was ich hier hören muss, ist doch wieder einmal typisch für die Rechtssprechung im Reich! Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen - eine vermeintliche Mörderin! Gut, ich selbst sehe Monalon so natürlich nicht, aber so lautete seinerzeit das Urteil. Und jetzt wird sie einfach begnadigt. Ich hingegen habe damals letztlich nur Schmiere gestanden, und es war ja auch eigentlich nie unsere Absicht, diesen Buchhalter umzubringen!

      „Was wir hier besprechen, ist nicht für alle Ohren gedacht“ meldet sich Professor Gleiss zu Wort und blickt dabei in die Richtung Dieters. Der Adept macht aber keinerlei Anstalten, sich zurückzuziehen, „Das dürfte Pater Gregor aber brennend interessieren …“, wendet er ein. So ziehe ich ihn ein Stück weit von meinen Reisegefährten fort. Dieter wehrt sich zwar, kann sich aber meinem festen Griff nicht erwehren, dafür ist der junge Bursche doch ein bisschen arg schmächtig.

      Aber aufgeregt ist er, nein, sogar völlig außer sich! Ich muss einen wahren Wortschwall von ihm über mich ergehen lassen. Aber angesichts dieser jüngsten Entwicklungen habe ich wahrlich keine Geduld für ihn übrig! Um Professor Gleiss und meine Weggefährten hat sich mittlerweile eine Art undurchsichtige Blase gebildet, die den halben Innenhof des Klosters einnimmt - zweifelsohne irgendeine Art von Magie. Ich bin doch immer wieder erstaunt, was diese Leute so alles können! Gesehen habe ich so etwas auf jeden Fall noch nicht.

      „Du bleibst hier“, fahre ich Dieter an, „Die Finger des Schicksals sind nun einmal wir! Ich warne Dich: Wenn Du mir jetzt folgst, kann ich für Dein Leben nicht mehr garantieren!“

      Diese magische Blase ist mir in diesem Moment herzlich egal, denn was in den nächsten Minuten dort besprochen wird, könnte mein Schicksal mehr beeinflussen als mir lieb ist. Ich muss hier Einfluss nehmen, soweit mir das überhaupt möglich ist. Und so betrete ich die Blase und verspüre zu meinem Erstaunen keinen Widerstand, doch dieses Erstaunen verblasst schlagartig, als ich sehe, wer nun neben Gleiss und Monalon in dieser Blase steht: Wolfgang Kern!

      Dort, nur wenige Meter vor mir, steht tatsächlich Wolfgang. Wolfgang Kern! In einer blauschwarzen Uniform! So habe ich ihn noch nie gesehen! "Wolfgang?“ Mein alter Weggefährte begrüßt mich kurz, aber unverkennbar verhalten. Ansonsten aber nimmt erst einmal niemand sonderlich Notiz von mir. Alle drei scheinen immer noch in dieselbe Diskussion von vorhin vertieft. Gemeinsam mit Dekan Gleiss versucht nun auch Wolfgang, Monalon zur Rückkehr ins Reich zu bewegen, um dort gemeinsam das Chaos zu bekämpfen. „Middenheim ist gefallen!", faucht Wolfgang. "Praktisch dem Erdboden gleich gemacht - und irgendwie scheint „Die purpurne Hand“ dahinter zu stecken!“ Ich muss mich immens zusammenreißen. Meine alte Heimat: einfach ausgelöscht! Ich bin so erschüttert, dass ich der Diskussion kaum weiter folgen kann.

      Die weiteren Erklärungen übernimmt wieder Professor Gleiss: Fast alle Truppen des Reiches seien im Westen gebunden, weil ein Krieg gegen Bretonnia unmittelbar bevorstehe das zumindest hatten alle Berater seiner Majestät des Kaisers gedacht. In Wahrheit jedoch sei dies alles nur ein Ablenkungsmanöver Dunkler Kräfte gewesen: die wahre Gefahr komme aus dem Osten. Alle verbliebenen Kräfte des Reiches müssten nun gebündelt werden, sogar der berüchtigte Schwarzmagier Ulhednar hätte sich „unseren“ Kräften verdingt und wertvolle Hinweise gegeben.

      Monalon atmet tief durch. „So sei es. Ich werde mit Euch in das Reich zurückkehren, Professor!“ Also wird beschlossen, dass Monalon und Wolfgang ins Reich zurückkehren. Magnus als mein „Bewacher“ und ich sollen hingegen aufgrund meiner immer noch rechtskräftigen Verbannung hier im Grenzfürstenland verweilen und weiter nach den noch fehlenden magischen Steinen suchen. Gleiss, Wolfgang und auch Monalon sind der Ansicht, eben jene Steine könnten uns später als weitere Waffe gegen das Chaos dienlich sein.

      Doch dann kommt etwas, womit ich nun wahrlich nicht gerechnet hatte - und das nach all den anderen verwirrenden Ereignissen des heutigen Tages! Wolfgang meldet sich erneut zu Wort und fordert die Herausgabe der zwei bereits in unserem Besitz befindlichen Steine. Während Magnus noch zögert, ergreife ich das Wort: „Die Steine müssen zunächst vereint werden, um ihre wahre Macht zu entfalten! Auseinandergerissen nutzen sie nichts“ - „Barde, Du hast hier gar nichts zu sagen…“ unterbricht mich Wolfgang, aber jetzt rede ich mich regelrecht in Rage: „Wolfgang! Erst einmal heiße ich immer noch Sigurd, und zum Anderen: Du warst in den letzten Wochen nicht hier! Du weißt doch so gut wie gar nichts über diese Steine! Die Steine, die wir schon haben, werden uns dabei helfen können, die noch fehlenden Steine überhaupt erst aufzuspüren zu können. Ohne den Stein des Feuers hätten wir den Stein des Wassers nie gefunden!“ Etwas freundlicher, aber doch immer noch in seiner charakteristisch sarkastischen Art erwidert Wolfgang „So schwer kann es ja wohl nicht sein, ein paar Steine zu finden!“

      Noch nie habe ich in einer Diskussion mit Wolfgang so die Beherrschung verloren: „Ach, das kann also nicht so schwer sein, ja? Warst Du schon mal in den Chaoslanden? Riesige Steinkugeln, die über Säulen schweben. Knochenbrücken über verwunschenen Flüssen, schreiende Skelette, die Dich attackieren, Kristallwälder, die mit Hilfe der Sonne tödliche Strahlen erzeugen! Kleine unverschämte Gnome auf Baumrücken, die einen zur Weißglut treiben, schwebende Felsen, die Dich hinwegtragen…“

      „Schwebende Felsen?“ unterbricht mich Gleiss ungläubig. „Stimmt das alles?“ fragt auch Wolfgang. Monalon bestätigt meine Aussagen, und auch Magnus nickt zustimmend: „Er hat noch untertrieben. Auch ich bin der Meinung, die Steine sollten bei uns verbleiben“. Monalon bezichtigt ihn daraufhin, mittlerweile von den Steinen regelrecht abhängig geworden zu sein! Daher sei es doch nur sinnvoll, die Steine aufzuteilen. Daraufhin drückt mir Magnus den Stein des Wassers in die Hand. „Aufgeteilt!“

      Schweigend blicken wir uns alle eine Weile an. Schließlich bricht der Dekan die Stille: „Es ist nicht meine Aufgabe dies zu entscheiden“.

      Schließlich gibt Wolfgang tatsächlich nach. Es wird beschlossen, dass die Steine bei Magnus und mir verbleiben sollen und wir unsere Aufgabe hier in den Grenzlanden weiterführen. Nach einer kurzen, aber doch herzlichen und versöhnlichen Verabschiedung entschwinden Professor Gleiss, Monalon und Wolfgang in einem erneuten blauen Blitz. Zurück bleibt der Innenhof, als wäre nie etwas gewesen.

      Dieter starrt Magnus und mich mit großen Augen an: „Das kann doch alles nicht richtig sein! Das widerspricht der Prophezeiung! Wir müssen sofort zu Pater Gregor“. Als wir dem jungen Adepten die Stufen hinauf folgen, kommt mir ein Gedanke: Dieter könnte völlig falsch liegen mit seiner Bemerkung. Monalon „Erklomm mit uns den Pass in der Stunde der arggrößten Not“, ganz wie die Prophezeiung aussagte. Aber ihre Gestalt war auf der alten Abbildung nur schemenhaft gezeichnet - anders als die Abbilder Magnus und mir selbst. Wir sind noch da. Und die „arggrößte Gefahr“ steht uns somit sicher noch bevor.

      Ein Glockenschlag verkündet, die Mittagsstunde sei angebrochen. Plötzlich kommt etwas mehr Leben auf den Innenhof: zahlreiche Mönche und Adepten und einige Personen in Zivilkleidung einer davon ein bemerkenswert zäh wirkender Bursche, der gewiss schon so manchen Kampf ausgetragen hat strömen zum Refektorium, um das Mittagmahl einzunehmen. Magnus und ich schließen uns an, und so gesellen wir uns zu den Bewohnern des Klosters. An großen Tischen wird gegessen: Eine kräftige, heiße Brühe, die nicht nur angenehm sättigt, sondern auch aufwärmt. Was auch immer die für Kräuter verwenden, so etwas sollte man anscheinend immer bei sich haben, wenn man in kältere Regionen reist. Ich muss unbedingt mit dem Koch sprechen.

      Eigentlich hatte ich erwartet, dass Magnus und ich während des Essens noch einmal über die nun gänzlich veränderte Lage sprechen, doch stattdessen ist Magnus in ein Gespräch mit dem vierschrötigen Kämpfer vertieft. Die Mönche und Adepten an unserem Tisch schweigen allesamt (ob es hier ein Schweigegelübde gibt? Oder haben die einfach nur Hunger?), obwohl sie immer wieder zu Magnus und mir hinüberschauen.

      Aber ehrlich gesagt steht mir der Sinn im Augenblick ohnehin nicht nach belanglosen Tischgesprächen. Und wenn hier sowieso niemand redet, kann ich mir wenigstens die Zeit nehmen, diese Aufzeichnungen anzufertigen. Wer weiß, wann ich wieder dazu komme. Es mag ja unhöflich sein, während des Essens zu schreiben, aber im Augenblick ist es mir wirklich wichtiger, ein paar Gedanken zu Papier zu bringen - wer weiß, wann ich das nächste Mal dazu komme.

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      Noch Backtag, der 24.Vorgeheim


      Ich habe meine Suppenschüssel gerade geleert und frage mich, ob es sich wohl schicken würde, um Nachschlag zu bitten, als die Glocke erneut erklingt. Nein, sie wird Sturm geläutet! Der Kämpfer, der bis eben immer noch mit Magnus gesprochen hatte (was haben sich Kämpfer eigentlich die ganze Zeit über zu erzählen?!), springt auf und stürmt aus dem Refektorium. Kurz darauf kommt er wieder herein: Er hat bereits ein beachtlich abgewetztes Lederwams angelegt und hält ein massiges Schwert in der Hand. "Grünhäute!", brüllt er. "Zu den Waffen!" Wachen strömen herbei und sammeln sich um ihn.

      "Grünhäute! Grünhäute!", wird der Ruf nun überall aufgenommen. Grünhäute? Was denn? Kommen die Goblins zurück? Oder rücken Orks an? Während ich noch darüber sinniere, was das Schicksal wohl als nächstes für uns bereit hält, packt mich Magnus an der Schulter. "Mach du deine Notizen fertig! Wenn das hier übel ausgeht, müssen Monalon und die anderen wenigstens wissen, was geschehen ist! Ich rede derweil noch einmal mit Captain Schwerner! Wenn es hier wirklich zum Kampf kommt, ist es unsere Pflicht, unseren Teil zur Abwehr beizutragen! Vielleicht können wir uns gemeinsam einen guten Plan zurechtlegen, die Grünhäute abzuwehren. Also, mach du deine Notizen, sobald ich mehr weiß, komme ich dich holen."

      Gut, dass wir noch keine Zeit hatten, unsere Habseligkeiten zu verstauen. Schwert und Bogen sind bereit.

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      Markttag, der 22. Nachgeheim


      Es ist gar nicht so einfach mit der linken Hand zu schreiben, wenn man das nicht gewohnt ist und das obwohl ich ja eine gewisse Fingerfertigkeit vorweisen kann: zum einen durch mein Lautenspiel, zum anderen dadurch, dass ich mir in den letzten Monaten durch intensives Training mit meinen Wurfdolchen eine gewisse Beidhändigkeit antrainieren konnte. Schreiben ist doch noch einmal etwas ganz anderes ...am Ende aber wahrscheinlich auch nur Gewöhnungssache. Aber wie kam es dazu, dass meine mir so teure Rechte den Dienst versagt? Blicken wir zurück.

      Ich sitze auf meinem Krankenbett und starre auf die Hand, die von einem blutdurchtränkten Verband umhüllt wird. Und ich spüre Schmerzen fürchterliche Schmerzen sogar. Da durchdringt eine mir sehr bekannte Stimme die Stille: Wolfgang.
      Wolfgang?! Wie kann das sein? Plötzlich habe ich das Gefühl, in meinem Kopf breche eine Nebelwand auf und ich dürfe endlich aus einem Albtraum erwachen.

      Der Raum, in dem ich mich befinde, dient offenbar als eine Art Krankenzimmer. Neben Wolfgang ist da noch Monalon und ein barhäuptiger Mönch, der gerade Verbandsmaterialien in einer kleinen Kiste sortiert und sich später als Günther vorstellt. Er bekleidet im Kloster Eyrie die Rolle eines Sanitäters und zugleich die des Kochs. Mir steht nicht der Sinn danach, daraus Vermutungen über die Verhältnisse in der hiesigen Küche abzuleiten.

      Ich frage Wolfgang nach dem heutigen Datum und erfahre zu meinem Schrecken, dass fast ein ganzer Monat ins Land gegangen ist, seit Monalon und er das Kloster verlassen haben.

      Wolfgang möchte von mir wissen, was sich während ihrer Abwesenheit hier im Kloster zugetragen hat, und so erzähle ich ihm alles, woran ich mich noch erinnern kann.


      Nach dem großen Alarm folge ich zunächst Magnus’ Rat, mit meinen Aufzeichnungen fortzufahren. Nur Minuten später holt er mich dann ab, und wir eilen die Treppen hinab durch den großen Saal mit dem Ziehbrunnen. Schon hier vernehmen wir unverkennbaren Schlachtenlärm. Wir treten ins Freie und sehen, dass auf der schmalen Brücke zum Kloster bereits erbittert gekämpft wird.

      Und was ich am anderen Ende der Brücke erkenne, überall auf dem Hügel, raubt mir fast den Atem: Hunderte, nein Tausende von Goblins und Orks drängen den Hügel empor und stürmen unaufhaltsam in Richtung Brücke - und damit geradewegs auf das Kloster zu. Hoch über den Köpfen der blutgierigen Grünhäute sind merkwürdige Vogelwesen auszumachen auf deren Rücken Goblins sitzen! Es sieht nicht gut aus: Die wenigen Mönche auf der Brücke werden einer nach dem anderen niedergemacht. Das ist dann wohl die große Gefahr, die dem Kloster Eyrie droht. ... und die von den Fingern des Schicksals abgewendet werden sollte.

      Magnus und ich stürmen auf die Brücke und werfen uns den Feinden förmlich entgegen. Vielmehr tut Magnus dies, während ich mich redlich mühe, mit ihm Schritt zu halten. Das Schwert des Sigmarianers leistet einmal mehr ganze Arbeit, im Kampf ist dieser Bursche wahrhaft unglaublich. Aber auch ich kann mein Scherflein beitragen: zu Anfang noch mit dem Bogen, aber als die Feinde immer dichter an uns und die anderen Kämpfer aus dem Kloster herandrängen, geht es nur noch mit dem Schwert.

      So wogt die Schlacht eine Ewigkeit; Schritt um Schritt kämpfen wir uns nach vorne. Als wir das Ende der Brücke erreichen, sind wir durch mehr als nur eine Blutlache gestapft. Aber dort auf dem Hügel, bedrängen uns die Feinde nun von allen Seiten. Lange können wir nicht mehr durchhalten, so unerschrocken die Mönche auch kämpfen. „Gib mir den Stein!“, übertönte Magnus’ Stimme das Getöse. Bei der ersten Möglichkeit greife ich nach dem guten Stück und drückte es Magnus in die mir entgegengestreckte Linke. Als der Sigmarianer nun sein Schwert in die Erde rammt und mit seiner Rechten den anderen Kristall hervorholt, ist er praktisch wehrlos und dass bemerken auch die Grünhäute. Sie drängen ungestümer denn je nach vorne; nur mit Mühe gelingt es mir, seitlich vor Magnus zu springen und die Angriffe abzuwehren. Und dann ... Ich spüre eine Hitzewelle über mich hinwegbranden und sehe einen massigen Ork, der gerade mit einer riesigen Keule in der erhobenen Hand auf uns zustürmt ... und in Flammen aufgeht.

      Unwillkürlich weiche ich ein paar Schritte zurück und bringe mich hinter Magnus in Deckung. Die wenigen noch verbliebenen Kämpfer aus dem Kloster tun es mir gleich, aber das bemerke ich kaum, den mein Blick gilt nur meinem Kampfgefährten Magnus: Zwischen den beiden Kristallen in seinen dem Himmel entgegengereckten Händen formen sich gleißende Blitze, die dann nach und nach unseren Feinden entgegengeschleudert werden. Unablässig murmelt der Sigmarianer Gebete. Ein Halbkreis vor uns ist schon völlig von schwelenden Leichen übersät und obwohl ich wahrlich kein Freund der Grünhäute bin, wünsche in den armen Teufeln, die zwischen ihren gefallenen Kameraden noch zucken und entsetzliche Schmerzenslaute ausstoßen, dass Morr sie bald in die ihnen bestimmten Kavernen holt.

      Diese Flammen haben nichts, aber auch gar nichts Natürliches. Ob sie wirklich dafür gedacht sind, von einfachen Sterblichen beschworen zu werden?! Ich ziehe den Bogen und leiste meinen Beitrag: Mancher Pfeil erspart Grünhäuten aus heranrückenden Reihen den Tod in den schrecklichen Flammen, doch mir bleibt nur wenig Zeit, meine Pfeile zu verschießen: Schon bald sind kaum noch Ziele auszumachen.

      Aus den zunächst einzeln entstehenden Blitzen bildet sich eine Feuerwand, die sich weiter und weiter ausgeht und alles vor uns auf dem Hügel einfach niederwalzt. Nach und nach verstummen die markerschütternden Schreie ... und dann herrscht entsetzliche Stille. Wenige Minuten, nachdem die Verteidiger des Klosters von der Brücke getreten sind, ist die gesamte Streitmacht der Feinde niedergemacht. Ich lege meinen Bogen ab und stütze mich erschöpft auf mein blutbesudeltes Schwert.

      „Magnus, das war großartig! ... Magnus?“ Als ich zu meinem Gefährten blicke, sehe ich, dass er unverändert regungslos steht, die Arme dem Himmel entgegen gestreckt. Lautlos formen seine Lippen Gebete, und immer noch schleudert er Blitze auf ein längst verdorrtes, verbranntes, ja: verderbtes Schlachtfeld, auf dem sich kein Feind mehr rührt. Die Flammenwalze hat sich wieder zu einer Feuerwand zusammengezogen, die nun eine Kuppel über uns bildet, eine gewaltige Kuppel: Sie umschließt nicht nur uns und unsere Kampfgefährten, sondern auch das ganze Kloster Eyrie. Wir sind gerettet ... und gefangen!

      Ich versucht Magnus erneut anzusprechen, doch er scheint mit dem Erdreich fest verwurzelt. Starr blickt er geradeaus. Ich brülle ihn an. Keine Reaktion. Mit der rechten Hand packte ich seine linke Schulter ... und spüre in diesem Moment einen Schmerz, wie ich ihn noch nie erfahren hatte: Ausgehend zuckt er gleichzeitig unfassbar schnell und doch unendlich behäbig meinen Arm empor, lässt meine Brust in Flammen aufgehen, meine Augäpfel scheinen zu kochen ... und rotglühende Schwärze umfängt mich.

      Alles was danach passierte, kommt mir jetzt vor wie ein einziger, ewiger Traum. Ich kann mich erinnern, auf einem Bett zu liegen, dann wieder zu sitzen. Irgendjemand füttert mich womit? Ich weiß es nicht. Ich erinnere ich mich daran, immer und immer wieder die Treppen des Klosters herunter gestapft zu sein, die Brücke überquert zu haben und zu Magnus zu wanken: Tag für Tag. Und Tag für Tag stand der Kerl unverändert dort, die Arme dem Himmel entgegengereckt. Unablässige Blitze zwischen den beiden Steinen speisen die gewaltige, lodernde Flammenkuppel.
      noch Markttag, der 22. Nachgeheim


      „Was ist denn jetzt mit Magnus?“, erkundige ich mich voller Sorge. „Zu Staub zerfallen“, entgegnet Günther, der Koch. Ich zucke zusammen. Wie war das möglich?! - Ja, eine gute Frage: Wie konnte mein Gefährte tagelang (wochenlang?) die Kuppel aufrecht erhalten ohne Schlaf, ohne Nahrung, ohne auch nur einen einzigen Schluck Wasser? Und wie konnte er dann selbst ein Raub der Flammen werden? Welche unbändige Kraft hat diese Flammenkuppel gespeist, die im Augenblick von Magnus' Tod schlagartig verschwand?

      Trauer hüllt mich ein. In den letzten Wochen war Magnus, einst nur mein Bewacher mit dem Auftrag, mich armen Verbannten aus dem Reich nach Tiléa zu führen, zu einem teuren Kampfgefährten geworden ... nein: zu einem teuren Freund.

      Welch schwacher Trost, dass er heldenhaft sein Leben dafür geopfert hat, das Kloster zu retten. Ich weiß es natürlich nicht, aber ich könnte mir denken, Sigmar wird stolz auf diesen Recken sein, der stets in Seinem Namen focht.
      Und zugleich lässt mich nicht los, was Günther über Magnus' Ende berichtet: Seine letzten Worte waren: „Tzeench! ... Danke!“ Was hat das zu bedeuten? Aber darüber kann ich mir ja später noch Gedanken machen.

      Auch wenn Monalon gewiss nicht zu unrecht anmerkt, dass von Magnus nicht mehr viel übrig sein dürfte, dränge ich auf eine angemessene Bestattungszeremonie. Das sind wir dem guten Gefährten einfach schuldig.

      Dieter betritt den Raum und blickt mich aus großen Augen an, als ich ihn begrüße. „Der Finger des Schicksals ist wieder erwacht! Das muss ich sofort Bruder Norbert melden!“. „Bei der Gelegenheit könntest Du auch gleich Marna herbeiholen“ entgegnet Wolfgang. Nach kurzem Zögern ist der junge Diener auch schon wieder durch die Tür.

      Bruder Norbert ist der Flaggenmeister und zugleich der stellvertretenden Abt des Klosters Eyrie und damit, so erklärt mir Monalon, der designierte Nachfolger Gregors. Er ist ein stämmiger Bursche mit rundem Gesicht und kurz geschorenen Haaren aber diese Beschreibung trifft eigentlich auf einen Großteil der hiesigen Mönche zu. Wie dem auch sei: Als Norbert an mein 'Krankenlager' tritt, sieht er mich ebenfalls voller Erstaunen an. Ich muss in den letzten Wochen ja wirklich einen sonderbaren Anblick geboten haben! Aber viel interessanter finde ich, dass zusammen mit Bruder Norbert eine junge Frau das Zimmer betreten hat drahtig, beinahe knabenhaft, und zweifellos mit Abstand beste Anblick der letzten Zeit.

      Flaggenmeister Norbert schickt Günther fort: „Ist es nicht Zeit für dich, sich ums Essen zu kümmern?“ Dann richtet er das Wort an uns alle: „Jetzt, wo ich Euch alle zusammen habe…“. Und so beginnt die offizielle Ansprache: Erst ein kurzer Willkommensgruß, dann ein ausführlicher Überblick über die Verhaltensregeln in „unserem Falkenhorst“. Er lässt uns wissen, Glücksspiel sei strengstens verboten und wirft ausgerechnet mir einen merkwürdigen Blick zu. Wie sollte ich mit dieser Hand denn gut würfeln können, bitteschön? Außerdem sei allen Nicht-Angehörigen des Klosters das Betreten der Bibliothek untersagt, und Verena werde niemals dulden, dass Besucher oder Bewohner des Klosters die Hand im Zorn gegeneinander erheben. Mehr kann ich mir nicht merken ... und es interessiert mich auch nicht sonderlich: Meine Gedanken kreisen unablässig um Magnus.

      Schließlich weist Norbert den jungen Dieter an, sich um alles weitere wie Unterkunft für uns zu kümmern und verlässt darauf hin die Krankenstube.

      Wer kümmert sich jetzt eigentlich um meine immer noch fürchterlich schmerzende Hand? Man kann über Wolfgang sagen was man will: Er ist nun einmal Arzt, und so begutachtet er meine Verletzung. Dann sieht er sich im Krankenzimmer um und sammelt die verschiedensten Kräuter und Tinkturen zusammen, die in diversen Regalen und Schubladen aufbewahrt werden. „Gibt es hier denn nirgendwo einen Feuerstein?“, grollt er, und Dieter zieht sofort los, Wolfgangs Wunsch zu erfüllen.

      Wolfgang sucht verschiedene Zutaten zusammen und zerkleinert sie in einem Mörser; dank einer einfachen, aber funktionsfähigen Waage braucht er das richtige Mischungsverhältnis nicht nur abzuschätzen (währenddessen brummelt er unaufhörlich etwas davon, er hätte doch seine Reisewaage mitnehmen sollen, aber besser als nichts ...), und dann erhitzt er das Gemisch (in das er, wenn ich mich nicht täusche, auch einen ordentlichen Schluck Bier getan hat, aber vielleicht ist das Wunschdenken) über einer kleinen Flamme und wartet, bis das Elixier genug eingedampft ist so zumindest erklärt er. Während Wolfgang konzentriert arbeitet, berichtet Monalon, was ihnen in den zurückliegenden Wochen widerfahren ist:

      Wolfgang und sie waren im Osten des Reiches mit Hilfe einer Einheit Soldaten in eine Schlacht mit Truppen des Chaos geraten, die sie nur mit Müh und Not überstanden hatten: mit viel Glück und wohl nur dank der Hilfe einer äußerst zwielichtigen Gestalt so wie ich es verstehe, muss das eine Art Vampir gewesen sein. Es sieht den beiden gar nicht ähnlich, sich auf derlei Bündnisse einzulassen. Eigentlich möchte ich nachfragen, aber gleichzeitig kann ich mich nicht so recht auf den Bericht konzentrieren. Es wird auch nicht besser, als unvermittelt Wolfgang meine Hand packt und mir in seiner unnachahmlich mitfühlenden Art mitteilt, das werde jetzt sehr weh tun. Dank Monalon bekomme ich wenigstens ein Beißholz und und erwarte das Schlimmste. Als Wolfgang die Tinktur mit einer Art Spachtel auf meine Handinnenfläche aufträgt, wird diese mit einem Schlag eiskalt! Ich bin überrascht, hatte ich doch eher mit dem Gegenteil gerechnet. Aber wieder einmal spüre ich, dass Kälte genauso brennen kann wie Hitze ... trotzdem hatte ich viel Schlimmeres erwartet (Verrät mir das etwas darüber, wie zimperlich Wolfgang ist? Wenn meine Gedanken nicht immer noch um Magnus kreisen würden, müsste sich so ein Wissen doch nutzen lassen!). Langsam verfliegt die Eiseskälte aus meiner Hand ... die trotzdem völlig taub ist. Gut, die Schmerzen sind weg, aber bewegen kann ich die Finger immer noch nicht. Gerade, als ich Wolfgang darauf aufmerksam machen will, dass sich meine Lage nur unwesentlich gebessert hat, kehrt das Leben in meine Fingerspitzen zurück ... zusammen mit den Schmerzen. Aber sie sind dankenswerterweise nur noch ein schwacher Abglanz dessen, was mich in den letzten Wochen fast die ganze Zeit über davon abgehalten hat, Trost ins Morrs Armen zu finden. Wie gesagt: Man kann über Wolfgang sagen, was man will, aber sein Handwerk versteht er.

      Die Hand wird verbunden, und Wolfgang fragt Dieter nach einem Handschuh, der die Wunde zusätzlich schützen soll. Dieter führt uns daraufhin über den Innenhof, an der Zwergen-Statue vorbei (an der sich Dieter tief verbeugt) und betritt eine kleine Schneiderwerkstatt. Dort begrüßt uns Siggi der Schneider äußerst liebenswürdig. Auf unsere Bitte hin unterbricht er sogar seine aktuelle Arbeit und fertigt mir aus einem dicken Stofflappen einen ziemlich genau passenden Handschuh an. Sehr geschickt, der Mann!

      „Nun wird es aber Zeit, Euch Eure Zelle zu zeigen, gleich ist auch schon Mittagszeit…“, mahnt Dieter zur Eile. Beim Wort 'Zelle' zucke ich unwillkürlich zusammen und wähne mich weniger Gast denn Gefangener, aber Monalon erklärt mir, dass Mönche ihre Stuben aus mir gänzlich unerfindlichen Gründen 'Zelle' nennen. Ich habe ja Respekt vor Leuten, die ihr Leben ganz den Göttern widmen, aber müssen die immer gleich so sehr ihre Leidensbereitschaft zur Schau stellen? Also, für mich wäre das nichts. Und dass Monalon dabei klingt, als rede sie mit einem begriffsstutzigen Kind, steigert meine Begeisterung auch nicht gerade. Der Mönchs-Zögling führt uns wieder über den Hof, verbeugt sich dabei erneut vor der Zwergen-Statue, und geleitet uns in eine recht große Stube an der Südostecke des Klosterkomplexes: Vier Betten, zwei Schreibpulte und ein leerer Schrank bieten Platz zum Schlafen und Studieren; die beiden Fenster des Raumes gestatten einen beinahe schon atemberaubenden Ausblick auf die Bergwelt. „Ihr werdet Euch hier sicher wohlfühlen“, hebt Dieter erneut an. „Gleich gibt es dann auch etwas zu essen, und später solltet ihr unbedingt das Ale von Braumeister Dalbert probieren…“. Dieser Bursche redet wirklich unentwegt, dabei kreisen meine Gedanken gerade um völlig andere Dinge. Doch dann wird Dieter vom lautstarken Klingeln kleiner Glöckchen unterbrochen anscheinend werden so die Mönche und auch die Gäste in den Speisesaal zusammengerufen.

      Erst jetzt fällt mir auf wie prachtvoll der Saal ist. Kunstvolle Fresken schmücken die Wände, unterbrochen von mächtigen Säulen, vor denen sich wiederum Statuen erheben, die allem Anschein nach die Gerechtigkeit und die Lehre Verenas symbolisieren. Monalon zumindest blickt sich um, als wolle sie eine wissenschaftliche Arbeit über diesen Raum verfassen (das sähe ihr ähnlich!).

      Obwohl uns Dieter zur Eile mahnt (warum sind die hier oben alle so hektisch? Wird nicht in so manchem Lied das beschauliche Leben der Gottgefälligen besungen?), sind wir die letzten, die den Saal betreten. Am Kopfende steht Kapitän Schwerner und hält bereits eine flammende Rede, die er immer wieder durch wilde Gesten seines linken Armes begleitet was hin und wieder mehr als skurril wirkt, schließlich fehlt dem alten Kämpfer die zugehörige Hand; stattdessen bildet eine lange, prügelartige Prothese aus Holz die Verlängerung seines Unterarmes. Zu Schwerners Rechten sitzt Flaggenmeister Norbert und nickt bei jedem Satz des Kapitäns zustimmend mit dem Kopf. Schwerner beschwört die Mönche, sich bitte endlich zusammenzureißen, denn die schützende Flammenwand vor der Klosterbrücke sei nun verschwunden. Also gelte es jetzt mehr denn je, sich zu rüsten und regelmäßig Wehrübungen abzuhalten. Die Feinde könnten jederzeit zurückkehren. Es sei an der Zeit, das Kloster wehrhaft und mit dem Schlendrian der letzten Jahre Schluss zu machen, denn schlimme Zeiten seien angebrochen. Ohne die Finger des Schicksals wäre das Kloster erst kürzlich mit Sicherheit überrannt worden und es könne nicht angehen, sich stets nur auf andere zu verlassen. Schließlich lehre Verena ja ... Es ist bemerkenswert, wie lange (und wie laut) Schwerner sprechen kann, ohne zwischendurch Luft zu holen.

      Das ganze wirkt ein wenig wie eine Mischung aus Weckruf und Strafpredigt. Aber gewiss hat der Mann Recht: Magnus wird das Kloster gewiss kein zweites Mal retten. Ich selbst bin im Moment mehr oder minder außer Gefecht gesetzt, denn in einer echten Schlacht würde auch meine Beidhändigkeit kaum ausgleichen, dass meine rechte Hand im Augenblick kaum nutzbarer ist als Schwermers Linke. Immerhin haben wir jetzt Monalon mit ihren Feuerbällen hier und Wolfgang mit seiner unnachahmlichen Art, seine Mitmenschen anzuspornen.

      Dann wird endlich das Essen aufgefahren: gebratenes Geflügel. Auf meine Frage hin erklärt mir Dieter, es handle sich um Jakjak, einen krähenartigen Gebirgsvogel. Dazu wird eine Mehlspeise gereicht. Schmeckt das wirklich so gut oder liegt es daran, dass ich so lange Zeit nicht mehr bewusst etwas Vernünftiges zu mir genommen habe?

      Nachdem abgedeckt wurde, erscheint Bruder Stefan vorne am Pult. Schlagartig scheint mir ein Hauch von Angst durch den Saal zu streifen. Stefan sieht es wohl als seine Lebensaufgabe an, seine Ordensbrüder mit der Sprache der Elfen vertraut zu machen. Allerdings erinnert mich das, was ich hier sehe, weniger an den Versuch, andere etwas zu lehren, als vielmehr eine Lektion darin, wie man seinen Mitmenschen ihre allgemeine und insbesondere fachliche Unzulänglichkeit vor Augen führen kann. Zeit für uns zu gehen und Bruder Georg die Aufwartung zu machen.

      Dieter führt uns über den Hof (die Verbeugung vor der Statue nicht vergessend) und die bekannte Treppe zum Abt des Klosters. Georg begrüßt uns freundlich und merkt an, wie es ihn freuen würde, dass es mir wieder besser gehe. Wir befragen ihn erneut über die Prophezeiung, aber weitere Hinweise können wir ihm nicht entlocken.

      So begeben wir uns wieder in den Hof, wo Dieter erstmal wieder seine bekannte Verbeugung vor der Statue vollführt. „Die Statue. Das muss doch der erste Schlüssel sein.“ stelle ich fest. „Wir haben es hier doch offenbar mit einer Art Schnitzeljagd zu tun, an dessen Ende der Kristall der Luft zu finden sein könnte“. Wolfgang sieht mich erstaunt an, worauf ich ihm von den diversen Botschaften der Zwerge erzähle, die wir auf unserer Reise zusammengetragen haben und die darauf hindeuten, der Zwerg Yazeran könne der Besitzer dieses Steines gewesen sein.

      Noch einmal lasse ich mir die Zeilen der Prophezeiung durch den Kopf gehen ... und schließlich habe ich tatsächlich eine Art Eingebung: „Das Senkblei muss eine Bedeutung haben! Lasst uns an der Stelle suchen, wohin der Schatten des Senkbleis weist. Genauer gesagt: dort, wo der Schatten des Senkbleis genau zur Mittagsstunde hinfiel, als Monalon, Magnus und ich hier vor einem Monat eintrafen.“

      Im Moment weist der Schatten des Senkbleis auf die gemauerte Wand des großen Saales links neben der Tür und endet etwa drei Fuß über dem Boden. Jetzt gilt es hier die nötige Anpassung vorzunehmen. „Hmmm“, Monalon und Wolfgang überlegen laut: „Etwas höher, da die Sonne eine Stunde nach Mittag tiefer steht, etwas nach links, da ein Monat vergangen ist.“

      Dass die Beiden allem Anschein nach komplizierte Rechnungen vornehmen, dauert mir einfach zu lange. Ich ziehe einen meiner Dolche und suche mir einen Stein in der Wand aus, der eine halbe Hand breit über und eine Hand links vom jetzigen Schatten-Ende liegt. Als ich den Dolch ansetze, um die Fugen um den Stein herum zu bearbeiten, bemerke ich, dass er völlig locker sitzt. Wie eine Schublade lässt er sich herausziehen!
      Mit meiner unverletzten Hand lange ich in den Hohlraum und fördere ein kleines festes sechseckiges Pergament zu Tage, ganz ähnlich dem kleinen Pergament, dass wir von Bruder Georg erhalten hatten. Das ist der nächste Hinweis! Auf dem Pergament ist ein Amboss abgebildet, über dem 7 Schwerter schweben. An den 6 Kanten wird erneut ein Spruch aus 6 Wörtern gebildet: „Suche - die - Quelle - finde - den - Grund.“ - „Wo ist Eure Schmiede?“, frage ich Dieter.

      Die Schmiede des Klosters liegt unmittelbar gegenüber des großen Saales; der Eingang, zu dem Dieter uns führt, befindet sich links um die Ecke. Bruder Klaus, ein hochgewachsener und mit erheblicher Leibesfülle ausgestatteter narbengesichtiger Kerl begrüßt uns freundlich.

      Neben den üblichen Gerätschaften einer Schmiede Amboss, Feuerstelle, Blasebalg und mancherlei Handwerkzeuge fallen unter den an der Wand aufgehängten Schwertern zwei besonders große, gekreuzte Exemplare mit kunstvoll gewellten Klingen besonders ins Auge. Sonderlich sinnvoll erscheint mir das zwar nicht, aber es sieht unbestreitbar beeindruckend aus. Auf meine Frage hin, ob er diese prächtigen Stücke selbst gefertigt hätte, entgegnet Klaus: „Nein, soweit reicht meine Kunst leider nicht. Das sind zwei Duellschwerter aus Tiléa, die mir ein Pilger vor Jahren zum Geschenk gemacht hat."

      Wir erzählen dem Schmied von unserer Suche nach Hinweisen, und als wir ihm das kleine sechseckige Pergament zeigen, das uns zu ihm und seiner Schmiede geführt hat, läuft sein Gesicht ein wenig rot an. „Oh. Noch so ein Bierdeckel. Ja so einen habe ich auch, allerdings nur eine Hälfte davon. Die andere Hälfte habe ich meinem Bruder Siggi gegeben. Ihr könnt ihn haben, aber bitte erzählt dem Abt nicht, dass wir den Bierdeckel zerteilt haben. Das ist mir jetzt aber peinlich, hätte nie gedacht, das da mal jemand kommt und danach fragt.“. Klaus wühlt in einem kleinen Schränkchen und holt den halben „Bierdeckel“ hervor. Schon jetzt erkennt man, das darauf ein Brunnen abgebildet ist und um das Bild herum zieht sich wieder ein Sinnspruch ... der aber natürlich nicht vollständig ist. Wir beschließen, zunächst erneut Siggi den Schneider aufzusuchen.

      Klaus beendet noch eben die Arbeit an einem neuen Schwert und führt uns zu Siggis Kammer, in der uns auf einmal ein riesenhafter Köter entgegenspringt und lautstark anschlägt. „Sitz!“, ruft Klaus nur. Die Bestie gehorcht aus dem Sprung heraus; ab sofort lässt sich auch nur noch ein leises Winseln vernehmen.

      Siggi kramt dann auch die zweite Hälfte des „Bierdeckels“ hervor (was immer diese sonderbaren Pergament-Sechsecke in Wahrheit sein mögen!). Zusammengesetzt ist jetzt tatsächlich ein Ziehbrunnen darauf zu erkennen. Aus zwei in der Luft schwebenden Kelchen strömt jeweils eine Flüssigkeit in den Brunnen, darüber ist eine „II“ abgebildet. Der aus sechs Worten zusammengesetzte Spruch lautet: „Der - Letzte - ist - nicht - der - Geringste“.

      Obwohl wir weder aus der Abbildung noch aus dem Spruch schau werden, erscheint es uns sinnvoll, sich den Klosterbrunnen in der Eingangshalle anzuschauen, den wir ja schon kennen. Laut Dieter ist dies nämlich der einzige Brunnen des Klosters, ansonsten gäbe es nur noch einige kleine Zisternen.

      Rätselnd stehen wir eine Weile vor dem Brunnen. Ich schlage vor, einfach mal zwei Becher mit Wasser hineinzuschütten, wie auf der Abbildung zu sehen. Zwar weiß ich wirklich nicht, wie uns das helfen soll, aber der Versuch wird nicht schaden und wenn es hier vielleicht um irgendeine Form von Magie geht, ist das nun wahrlich nicht mein Territorium. Monalon? Wolfgang? Marna? Aber abgesehen davon, dass sie meine Idee mit den Kelchen für Unfug halten, fällt ihnen auch nichts besseres ein.

      Dieter holt aus der Küche zwei mit Trinkwasser gefüllte Kelche, die Wolfgang und ich in den Brunnen entleeren. Es dauert eine Ewigkeit, bis man das Platschen hört. Der Brunnen muss mehrere Hundert Schritt tief sein! Aber wie sollte es auch anders gehen? Das Kloster steht schließlich auf diesem hohen, massiven Fels.

      Viel schlauer sind wir jetzt allerdings wirklich nicht. So beschließt Wolfgang, einmal ein paar Meter in den Brunnen hinabzusteigen. Mit meiner Hand falle ich für derlei Wagnisse ja derzeit aus. Also seilen wir den Doktor an und lassen ihn dann, mit Dieters, Monalons und Marnas Hilfe (ich kann dabei natürlich nur eine Hand erübrigen), behutsam hinab.
      „Die Wand ist bemerkenswert glatt - ohne Zweifel zwergische Baukunst“, hallt Wolfgangs Stimme aus etwa fünf Schritt Tiefe nach oben. „Oh…hier ist eine Art Nische. Wartet - nicht weiter ablassen!" Dann: Stille.

      Schließlich fällt der Satz, auf den wir kaum zu hoffen gewagt hatten: "Wieder ein Pergament! Das muss der nächste Hinweis sein!“. Wir ziehen Wolfgang wieder hinauf, sein Kopf ragt schon über den Brunnenrand, mit der rechten Hand streckt er uns ein weiteres Pergament-Sechseck entgegen ... da läuten die Klosterglocken unvermittelt Sturm.


      Fortsetzung folgt!

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