Sigurds Tagebuch - Die Reise nach Tiléa

      Hallo Eowyn,

      die Welt ist klein. Denn das war dann wohl ich. ;) ....muß so vor 2-3 Jahren gewesen sein, als ich in Wien meine Kusine besucht habe. Ihr Freund Patrick hat mich dann in die "Taverne" mitgeschleppt, und da er noch dieses Bardenkostüm mit samt Laute hatte....
      War ja auf jeden Fall ein sehr schöner Abend. Du warst die "Wahrsagerin", oder ?

      Danke übrigens für das Lob, ich werde auf jeden Fall weiterschreiben, der nächste Teil ist schon so gut wie fertig, wird aber zur Zeit noch von Spielleiter Ulf lektoriert.

      Liebe Grüße zurück aus Bonn!
      Friedie
      Da für nächsten Freitag bereits der nächste Spieltermin ansteht, wird wohl in den nächsten Tagen die Zusammenfassung der Ereignisse des letzten Termins hier von mir gepostet werden.

      Erstmal muß aber Spielleiter Ulf zuendelektorieren.... ;)

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      noch Backtag, der 33. Sommerzeit

      In der Ferne vor uns ragt eine ganze Reihe schneebedeckter Berge in die Höhe, die die Südwestgrenze des Reiches markieren. Aber auch in unserer näheren Umgebung scheinen die Erhebungen im Laufe unseres Weges immer mehr in die Höhe zu wachsen, aus grösseren Hügeln werden noch grössere, mit immer schrofferen Felswänden. Der Weg wird steiler und steiniger, immer öfter müssen wir absteigen und die Pferde führen. Nachdem wir etwa zehn Meilen dem Lauf des Söll gefolgt sind, brauen sich plötzlich riesige Wolkenberge über uns zusammen. Sigmund kommt gerade noch bis: ?Ohhh, gleich wird es anfangen zu??, da ergiessen sich schon wahre Wassermassen auf uns. Innerhalb weniger Sekunden sind wir völlig durchnässt, und ob des mittlerweile sehr spärlichen Bewuchses rings um uns gibt es leider nirgends eine Möglichkeit, sich unterzustellen. Raslani kommt auf die Idee, doch vielleicht unter der Plane unseres Karrens Schutz zu suchen, aber diese Idee wird rasch verworfen, da die Pferde ja dann weiterhin ungeschützt dem Regen ausgeliefert wären. Weit blicken kann man ob der vom Himmel stürzenden Wassermassen auch nicht mehr, aber Raslanis Elfenaugen entdecken dann doch zum Glück eine Öffnung in einer Felswand links von uns, die der Eingang zu einer grösseren Höhle sein könnte.

      ?Orks ?? fragt Magnus auf die Höhle zeigend in die Runde, - ?Schon möglich, lasst uns lieber vorsichtig sein und erst einmal nachsehen? antwortet Sigmund. Die beiden geben uns anderen das Zeichen, bei Kutsche und Pferden zu warten und machen sich auf in Richtung Felsöffnung, um die Lage zu erkunden. Bald darauf kommt Sigmund zurück: ?Die Luft ist rein?. Der Felsspalt öffnet sich im Inneren des Berges tatsächlich zu einem sehr geräumigen Höhlenraum, in dem sogar unsere Pferde Platz finden, dass allerdings ?die Luft rein ist? kann ich wahrlich nicht bestätigen; insbesondere was den armen Magnus angeht, der vorhin mindestens bis zu den Knien in diesem übelriechenden Haufen gestanden haben muss, der sich da an der linken Höhlenwand auftürmt. Hier haben sich wohl vor einiger Zeit zahlreiche Orks entleert. Doch ansonsten ist es ein eigentlich ganz heimeliges Plätzchen , vor allem bei diesem Regen, der sturzbachartig immer weiter fällt, insbesondere nachdem wir ein kleines Feuer entzündet haben. An einer Wand rinnt sogar frisches Felswasser herab, das unseren Durst rasch stillt. Weiter hinten entdecke ich einen kleinen Gang, den ich dann kurz ausspähe ? man möchte ja doch nicht von hinten überrascht werden! Der Gang wird immer enger, und irgendwann komme ich dann überhaupt nicht mehr weiter. Hier kann sich dann wohl auch kein Ork mehr durchquetschen, höchstens ein kleiner Goblin denke ich mir. Dennoch lege ich ein paar der trockenen Zweige, die in der ganzen Höhle verstreut sind, vor dem Felsspalt auf den Boden - falls uns hier jemand würde überraschen wollen, sollten wir das jetzt zumindest frühzeitig hören. Etwa zwei Stunden lang, in denen wir in trockene Kleidung wechseln, unsere Pferde wenigstens halbwegs trocken reiben können und auch noch die Zeit finden, uns kurz zu verpflegen, harren wir in unserer Notbehausung aus, die uns vor diesem Unwetter guten Schutz bietet. Dann fallen auch schon die ersten Sonnenstrahlen in den Höhleneingang.

      Als wäre nichts gewesen, strahlt uns die Sonne an einem völlig blauen Himmel entgegen, als wir uns dann wieder auf den Weg machen. Noch ein ganzes Stück vor uns taucht die Sonne einen einzelnen, hoch aufragenden Berg, den Sigmund den ?Blutberg? nennt, in eine glühendes, fast unnatürliches Dunkelrot, und der Name erscheint mir auf einmal immens passend. Nach etwa zehn Meilen sehen wir dann einen riesigen Findling vor uns auftauchen ? Gedanken an die Monolithen im Teufelsschlund, in dem wir damals nach dem grossen Formstein suchten, werden bei mir wach ?, und zu dessen Füssen liegt unser heutiges Tagesziel, die Herberge der kaiserlichen Linie ?Zum Stein?. Da wir die einzigen Gäste sind, wird es ein kurzer Abend, an dem nichts aussergewöhnliches mehr passiert.

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      Sonnenstill des Jahres 2512

      Das morgendliche Frühstück wartet mit herrlich duftendem, frisch gebackenem Brot auf, an das ich mich dann auch vorwiegend halte, denn das dazu gereichte Hammelfleisch scheint aus den Resten des gestrigen Abendmahls zu bestehen und sieht nicht mehr allzu appetitlich aus. Als wir uns auf den Weg machen wollen, versucht uns die Schankmaid noch zum Bleiben zu bewegen: ?Wollt Ihr den Sonnenwendtag etwa wirklich auf der Strasse feiern ?? Wahrscheinlich hat sie aber eher Angst, den Feiertag am Ende noch allein begehen zu müssen, nachdem wir als die einzigen Gäste sie jetzt verlassen. Aber darauf können wir leider keine Rücksicht nehmen.

      Es ist den ganzen Tag über brüllend heiss, als wolle die Sonne selbst uns beweisen, dass sie heute ihren höchsten Stand des Jahres erreicht hat. Kein Wölkchen versperrt ihr den Weg, keiner der hohen Berge spendet uns Schatten, und als wir am späten Nachmittag die Herberge ?Zu den drei Pässen? erreichen, hat sie Magnus? riesigen barhäuptigen Schädel in ein Rot getaucht, das dem 'Blutberg' zur Ehre gereicht hätte. Wir alle sind müde und erschöpft nach dem heutigen ?Aufstieg? - denn das war es heute viel eher als die üblichen Tagesritte der letzten Woche: Die meiste Zeit mussten wir absitzen und die Tiere führen, zum Reiten war die Strecke einfach zu steil und zu unwegsam. So sind wir froh, dass ein äusserst aufmerksamer Stallbursche uns schon entgegeneilt, um sich um Pferde und Wagen zu kümmern.

      Andram der Wirt, ein stämmiger Kerl von Anfang dreissig mit dichtem schwarzen Bartwuchs, weist uns einen Tisch zu, versorgt uns zunächst mit einigen Krügen kühlen Wassers - die jetzt so richtig gut tun! - und fragt uns dann, wo wir denn herkämen und wo wir hinwollten. Als wir ihm daraufhin als unser Reiseziel Til?a nennen, teilt er uns mit, dass das schwierig würde, da der Mondidier-Pass ja bereits gesperrt sei - der Krieg mit Bretonnia stände jetzt wohl unmittelbar bevor. Aber unser Weg soll ja über die Winterzähne durch das Land der Grenzfürsten führen, entgegnet Magnus dem Wirt. Das sei natürlich etwas anderes, so Andram. Etwa zehn Tagesreisen seien es dann noch bis zum deutlich kleineren Gebirge der Appuccinen, die das Gebiet der Grenzfürsten von Til?a scheidet.

      Als Andram kurz verschwindet und bald darauf mit einigen Ale-Krügen für uns zurückkehrt, tritt Myralin mit ihm in Verhandlungen, um unseren Proviant aufzufrischen. Sicher keine schlechte Idee angesichts der Tatsache, dass das Land der Grenzfürsten gewiss nicht so gut mit Herbergen ausgestattet sein dürfte wie das Reich - und ob man als Reisender dort überhaupt in jedem Ort oder jeder Burg willkommen sein wird, ist auch sehr fraglich, wie Andram weiter zu berichten weiss. Aber das Feilschen scheint Myralin nicht im Blute zu liegen: sie bietet dem - dann freudestrahlenden - Wirt eine ganze Goldkrone für ein paar Vorräte! Ein wenig später raunt Andram mir zu: ?Das mit dem feilschen hat Deine Reisebegleiterin aber noch nicht so gut raus, was ? - Mit unserem Ranald hat die wohl wenig am Hut!?. ? ?Das wohl?, entgegne ich lächelnd ?aber muss das denn jetzt unbedingt zu meinem Schaden sein? - Ein Fässchen Ale könntet Ihr doch jetzt ruhig noch drauflegen - habt doch dann immer noch ein gutes Geschäft gemacht? füge ich augenzwinkernd an. Der Wirt grinst mich an und nimmt einen kräftigen Zug aus seinem Alekrug ? einen ziemlich kräftigen, wie ich dann erstaunt feststelle: der Krug ist danach leer bis auf den letzten Tropfen. Wenn er auch noch singen kann, sollte der zum Karneval nach Middenheim kommen! Unsere Unterhaltung wird dann durch ein paar Grenzsoldaten unterbrochen, die die Herberge betreten und lautstark nach Ale verlangen.

      ?Geniesst ruhig Euer Ale, es ist vielleicht das letzte - Ihr Grenzer werdet gewiss die Ersten sein, die in Morrs Leichentücher gehüllt werden!?, tönt es plötzlich aus einer Ecke des Schankraums. Dort sitzt, in einen übergrossen Umhang gehüllt, an einem kleinen Tisch ein Wanderer, der uns in seiner Schweigsamkeit bisher kaum aufgefallen war. ?Wollt Ihr Euch nicht zu uns setzen ?? fragt ein neugierig gewordener Magnus den Mann, der sich dann auch, auf dem Weg zu uns auf einen sehr stabilen Wanderstab stützend, zu uns gesellt. ?Bertam? - so stellt er sich vor - ist ein Mann um die sechzig, mit bereits ziemlich ergrautem Vollbart und zerfurchten Gesichtszügen, die vermuten lassen, dass er schon so einiges erlebt und durchgemacht haben muss. Er strahlt dabei, so erscheint es mir, auch eine gewisse Weisheit aus. ?In den Süden und aus dem Reich hinaus wollt Ihr also?, beginnt er das Gespräch, ?das ist im Moment wahrlich eine weise Entscheidung. Denn das Chaos hat Einzug gehalten in Bretonnia! Mond Morrslieb ist fast gänzlich vom Himmel des Reiches verschwunden, die Orks rotten sich zusammen, ganze Skelettarmeen ziehen schon durch die Lande, und schon bald werden Krieg und Verderben von dort aus in das Reich einziehen.? ? ?Kommt Ihr etwa aus Bretonnia ?? frage ich ihn. ? ?Nicht direkt - ich kam heute aus dem Land der Grenzfürsten über die Winterzähne hierher. Oh, die Grenzfürsten ? ihnen gelten Segen und Fluch zugleich. Einerseits sind sie im Moment relativ sicher, da sich ausserhalb ihrer Grenzen im Moment kaum jemand für sie interessiert. Andererseits könnten doch gerade sie das Zünglein an der Waage im kommenden Krieg sein!? Warum der König von Bretonnia nichts unternimmt, möchten wir von Bertam erfahren, eine zufriedenstellende Antwort auf diese Frage vermag er uns allerdings nicht zu geben. Vielleicht bemerke der dortige Herrscher ja auch überhaupt nicht alles von dem, was dort in seinem Land vor sich geht, das Chaos würde vorwiegend von einzelnen Magiern in einigen verstreuten Ortschaften heraufbeschworen. Oder das Königshaus selbst könnte bereits vom Chaos unterwandert sein. Diese kleinen Zollstreitigkeiten, die in den letzten Monaten zwischen Bretonnia und dem Reich aufgekommen sind - ach ja, der gute Bretonische Wein ...-, könnten jedenfalls nicht der wahre Grund für die drohende Kriegsgefahr sein.

      Schliesslich verabschiedet sich Bertam zur Nachtruhe, richtet dabei aber noch ein paar Worte an Magnus: ?In Til?a hat Dein Sigmar übrigens kaum Bedeutung, Priester ? keine strahlenden Tempel wie in Nuln oder Altdorf, vielleicht hier und dort mal ein kleiner Schrein, und das war?s auch!?. Ob er auf seinem weiteren Weg auch durch Meissen komme, möchte Magnus noch von Bertam wissen. Als dieser das bejaht, bittet Magnus ihn, Vater Thersson seine Grüsse auszurichten und auch ihn vor den drohenden Gefahren zu warnen, was Bertam dann auch zu tun verspricht. Der alte Mann geht daraufhin die knarrende Holztreppe hinauf, hält aber auf der letzten Stufe plötzlich inne, wendet sich um und zeigt mit seinem Wanderstab auf mich: ?Auch Du, mein Sohn, bist vom Chaos gezeichnet?.

      ?Was meint er damit??, wirft mir Magnus entgegen, springt wie von einer Wespe gestochen auf und baut sich vor mir in seiner ganzen Grösse auf. Die Hand an seinem Schwert starrt er jetzt drohend von oben auf mich herab, so dass mir schon ein wenig mulmig wird. ?Ja, ich bin mit dem Chaos in Berührung gekommen, aber weil ich es bekämpft habe, und nicht, weil ich mit ihm im Bunde stehe!?, versuche ich ihn zu beruhigen. ?Das reicht mir nicht, erkläre Dich genauer!?. Also erzähle ich ihm kurz von unserer Begegnung mit einem der am meisten gefürchteten Chaoskrieger der nördlichen Wildnis, bekannt unter dem Namen Ulhednar auf der Burg Wittgenstein, mit dem wir damals zum Schein einen Pakt hatten schliessen müssen -sonst wäre es wohl aus gewesen mit uns. ? ?Das klären wir hier und heute ? Raslani, pass auf ihn auf!?, faucht Magnus herrisch und verschwindet die Treppe herauf, wohl um Bertam wegen seiner Aussage zur Rede zu stellen.

      Da hat mich meine Vergangenheit wohl mal wieder eingeholt! Vor mir sitzt eine auf einmal sehr nervöse Raslani, ganz offensichtlich die Befürchtung hegend, ich würde jetzt jeden Moment aufspringen und mich aus dem Staube machen. ? ?Mach Dir doch keine Sorgen Elfin, wenn ich wirklich flüchten wollte, so hätte ich das zum Beispiel vor zwei Tagen in Meissen nach unserem Besuch in der Schänke mit Leichtigkeit tun können - wenn Ihr Euch selbst überhaupt noch erinnert, in welchem Zustand Magnus damals war?, versuche ich sie zu beruhigen, lehne mich ? zugegebenermassen immer noch ein wenig verkrampft - lächelnd zurück und nehme einen tiefen Schluck aus meinem Krug.

      Nach einer Weile kehrt Magnus zurück, er wirkt jetzt schon wesentlich ruhiger, und schickt mich hinauf zu Bertam, da dieser gerne ein paar Worte mit mir wechseln würde. Als ich Bertams Zimmer betrete, sitzt dieser in einem Sessel und stopft sich gerade eine Pfeife: ?Ich habe Dich wohl etwas falsch eingeschätzt: Nach dem was dieser Sigmar-Priester mir gerade erzählt hat, ist dir wohl doch zu trauen - zumindest im Moment noch. Ich würde jetzt aber gerne alles noch einmal ausführlicher und von dir selbst erfahren?. Darauf hin erzähle ich dem alten Mann meine Erlebnisse der letzten Monate, angefangen mit unseren Schwierigkeiten mit dem Geheimbund der ?Purpurnen Hand?, die Verwechslungsgeschichte meines früheren Wegbegleiter Gustav, der von dem erwähnten Geheimbund für einen gewissen ?Kastor Lieberung? gehalten wurde, dessen sie habhaft werden wollten, wohl wegen irgendeiner Erbschaft . Dann fahre ich fort, wie wir auf der Suche nach dieser Erbschaft nach Bögenhafen kamen, Dr. Wolfgang Kern sich uns anschloss und wir fortan diesen unterstützen, dass Chaos zu bekämpfen, was uns danach ja soweit auch ganz gut gelang. Teugen, der in Bögenhafen wohl den Dämon ?Tzeench? heraufbeschworen wollte, Etelka Herzen, die mit ihren Schergen dem grossen Formstein nachjagte und Lady Margritte mit ihren merkwürdigen Versuchen das ?Leben? neu zu erschaffen - alle wurden von Dr. Wolfgang Kern mit Monalons und meiner Unterstützung mehr oder weniger aus dem Wege geräumt: eigentlich doch keine schlechte Liste, wie ich betone. Bertam nickt häufiger wissentlich, während ich ihm weiter berichte; viele der Ereignisse und Namen scheinen ihm nicht ganz fremd zu sein: ?Ach, ihr wart das damals in Bögenhafen ? aber jetzt erzähl mir doch einmal, wie das mit deiner Hand passiert ist?. Ich erzähle ihm, wie nach einem Handel mit dem vermeintlichen Schmuckverkäufer in Altdorf ? der sich später als ein Scherge der Pupurnen Hand herausstellte, der Wolfgang fast zur Strecke gebracht hätte ? und nach dem obligatorischen Handschlag, um den Kauf zu besiegeln, plötzlich meine ganze rechte Hand tief purpurn gefärbt war, und wie Ulhednar diese sonderbare Farbe, gegen die auch Monalon nichts hatte ausrichten können - nur eine 'magische Aura' hatte sie entdecken können! Darauf wäre ich ja fast selbst gekommen ... -, dann auf Burg Wittgenstein einfach verschwinden liess - dabei aber offenbar eine noch schlimmere, weil chaotische Aura darauf hinterlassend. Auch von dem Chaoskrieger selbst berichte ich Bertam, und von seinem gefährlichen Leibgardisten, der uns fast in Stücke gerissen hätte. ? ?Ich bin beeindruckt ? Ihr seid der erste Mensch, dem ich begegne, der ein Zusammentreffen mit Ulhednar und seinem Diener überlebt hat. Zweifellos seid Ihr tatsächlich vom Chaos berührt worden, aber dass Ihr mit dem Chaos im Bunde steht glaube ich nun wahrlich nicht mehr, da ja ganz offensichtlich Fuchs und Wolf - damit spielt er wohl auf Ranald und Ulric an, die ich beide sehr schätze - und sogar Sigmar Heldenhammer immer wieder schützend die Hand über Euch gehalten haben. Aber das Chaos hat Euch in Gestalt Ulhednars berührt, mein Junge, und deshalb rate ich Euch sehr, den Beistand der Götter zu suchen, um dieses Mentekel wieder loszuwerden?.

      Bertam lässt dann auch noch Raslani und Myralin zu ihm bitten, wodurch der jetzt wieder fast völlig ruhige Magnus und ich die Möglichkeit bekommen, ein nettes Männergespräch zu führen und mit ein paar Krügen des leckeren Ale den sich dem Ende zuneigenden Sonnenwendtag gemeinsam und angemessen zu beschliessen.

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      Zahltag, der 1. Vorgeheim

      Am nächsten Morgen begrüsst uns Wirt Andram sehr freundlich und gut gelaunt und teilt uns mit, dass die Vorräte bereits auf dem Wagen verstaut seien. Sigmund Grünfels ist gerade zu begeistert: ?Sogar ein Fässchen von dem leckeren Ale ist dabei!?. Andram und ich müssen uns daraufhin kurz gegenseitig angrinsen, was keiner der Anderen so recht zu verstehen scheint. Nach einem wohlschmeckenden Frühstück aus Wurst, Käse und Brot brechen wir auf, wobei wir gerade noch sehen, wie Bertam hinter einer Felsecke Richtung Norden verschwindet. Ein geheimnisvoller alter Mann.

      Schon bald erreichen wir eine Gabelung. Den rechten Weg versperren vier Grenzer, unzweifelhaft geht es dort Richtung Mondidier-Pass, wir aber wollten ja ohnehin den linken Weg nehmen, der Richtung Winterzähne führt. In engen Serpentinen geht es nun bergan, und auf der jeweiligen Talseite fällt die Felswand teilweise fast senkrecht ab. Die Pferde müssen ab jetzt den ganzen Weg geführt werden, und ich bewundere Sigmund, wie er es meistert, den Wagen unbeschadet bis zur von mehreren nebeneinander aufgereihten spitzen Felszacken eingerahmten Passhöhe zu lotsen, die wir gegen Mittag erreichen ? Aha, deshalb nennt man diesen Pass also ?Die Winterzähne?. Ein mächtiger Grenzstein am Wegesrand markiert das Ende des Reiches, das ich jetzt zum ersten Mal in meinem Leben verlasse. Magnus hat damit seinen eigentlichen Auftrag, nämlich mich aus dem Reich hinauszugeleiten, ausgeführt, macht aber keinerlei Anstalten wieder umzukehren - schliesslich hat er sich ja selbst vorgenommen, mich bis nach Til?a zu bringen. Als ich mich noch einmal kurz umwende, sehe ich, dass man von hier oben einen atemberaubenden Blick auf das Sölland geniessen kann, und irgendwo ganz weit in der Ferne meine ich sogar die Stadt Nuln zu erkennen. Und diesem Land sollen jetzt Krieg und der Einzug des Chaos drohen, wie Bertam es gestern predigte ? ? kaum zu glauben, wenn man sieht, welch einen friedlichen Eindruck von hier oben alles macht.

      Auf der anderen Seite des Passes geht es in ähnlichen Serpentinen weiter, nur diesmal natürlich abwärts, was noch wesentlich schwerer fällt als bergaufwärts, insbesondere weil der Wagen einige Male droht, sich selbständig zu machen. Auch ist der Weg in einem wesentlich schlechteren Zustand als auf der ?Reichsseite? - den Grenzfürsten scheint es nicht so wichtig zu sein etwas für die Reisenden zu tun, ob sie nun in ihre Reiche hinein oder aus ihnen wieder hinaus wollen. Manche dieser Reisenden erwischt es dann auch hin und wieder, wie ich dann feststelle, denn vor mir, etwa zwanzig Meter unterhalb des Weges sehe ich plötzlich die letzten Spuren eines solchen Dramas: Dort ist jemand - beim näheren Hinsehen erkenne ich, dass es sich unzweifelhaft um einen mittlerweile skelettierten Zwerg handelt - von einer Felsnadel regelrecht aufgespiesst worden. Auch Raslani hat ihn entdeckt. Ein scherzhaftes ?Dobri den?, dass ich dem armen Opfer zu rufe, macht dann auch Magnus und die anderen aufmerksam. Da sehe ich, dass plötzlich das Licht der Sonne einen stabartigen, hellen Gegenstand aufblitzen lässt, den die rechten Skeletthand des Zwerges immer noch fest umklammert. Das macht uns natürlich alle recht neugierig, und so seilt sich die in solchen Dingen offensichtlich sehr geschickte Elfin Raslani - wo haben die in ihrem Wald denn bloss Berge?! - mit Magnus Hilfe ab, um sich das ganze anzuschauen.

      Bei dem Gegenstand handelt sich um eine Schriftrollenhülle, die Raslani uns dann kurz darauf stolz präsentiert. Magnus erbricht das Siegel, und tatsächlich ? darin befindet sich eine - wenn auch bereits reichtlich vergilbte - Schriftrolle, die neben einer kleinen Kartenskizze ein Schreiben folgenden Inhaltes aufweist:


      Yazeran:

      Wir sind vier und zwanzig mutige Krieger,
      eingeschlossen in den Höhlen des Wasserfalles.

      Die Ork-Horden haben uns eingekreist. Ihre Zahl ist gross.
      Wir fühlen die Nähe eines mächtigen Artefakts,
      vielleicht Dem, von dem ich Dir erzählt habe.

      Wenn Du wahrlich Deine eigene Fracht in Sicherheit gebracht
      und Verbündete unter den Menschen gefunden hast,
      wie es uns zugetragen wurde, dann schicke uns bitte Hilfe.
      Was sie dort haben, dürfen sie keinesfalls behalten,
      noch dürfen unsere eigenen Geheimnisse in ihre faulen Hände fallen.

      Ketiger,
      im Auftrage Hadrins


      Fortsetzung folgt!

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      noch Zahltag, der 1. Vorgeheim

      Wir alle sind uns einig, dass es sich gewiss lohnen würde, diesen Zwergen-Schlupfwinkel aufzusuchen - im allgemeinen gelten Zwerge ja als sehr wohlhabend, und dieses geheimnisvolle Artefakt, von dem in diesem Brief die Rede ist, macht uns schon etwas neugierig. Und wenn es sich auch noch in der Nähe befindet, dürfte die Karte uns ja ein guter Wegweiser sein.

      Aber bevor wir aufbrechen können, besteht Magnus darauf, zuvor den armen Zwerg zu bergen, zu einem Morrshof zu transportieren und dort angemessen zu beerdigen. Raslani blickt ihn daraufhin völlig verständnislos an, und ich muss gestehen: ich mag Zwerge ja auch - zumindest mit den meisten Vertretern dieses Volkes, mit denen ich bislang zu tun hatte, habe ich mich immer gut verstanden - aber ist das jetzt wirklich notwendig? Es scheint mir nämlich auch nicht ganz ungefährlich zu sein, gerade als ?Nicht-Elf? auf diesen steilen Abhängen herum zu kraxeln. Als ich Magnus eine entsprechende Frage stelle, entgegnet er mir nur: ?Das ist die Pflicht eines jeden guten Menschen. Wir können ihn doch nicht so da unten liegen lassen.?. - ?Dann sind hier in den letzten Jahren ja wohl nicht grad' sehr viele gute Menschen vorbeigekommen!?. Sigmund Grünfels merkt darauf an, dass die Stelle dort unten aber gewiss auch nicht von jedem Reisenden entdeckt wurde, und damit hat er sicher auch recht. Also soll Magnus nur machen, ich bin hier der letzte, der ihn an seinem Vorhaben zu hindern versuchen würde. Mit Sigmunds Hilfe seilt sich Magnus dann in die Tiefe ab. Unten angekommen versucht er nun die Überreste des Zwerges ?in den Griff zu bekommen?, was teilweise ziemlich ungeschickt und fast drollig aussieht. ? ?Soll ich zum Tanze aufspielen?? rufe ich dem Sigmarianer scherzhaft zu, denn teilweise erweckt der Anblick der Szene auf dem vorspringenden Felsen wirklich den Anschein, Magnus wolle das Skelett wirklich hierzu auffordern, aber er ist zu beschäftigt um meine Worte wahrzunehmen. Schliesslich gelingt es ihm doch, sich die sterblichen Überreste, eingewickelt in die Reste des Kettenhemdes, unter den Arm zu klemmen ? bis auf eine Skeletthand, die sich vom Arm löst und daraufhin, von einem mehrmaligen ?Klack-klick-klack? begleitet, einige Meter weiter in die Tiefe fällt.

      Magnus scheint grosse Schwierigkeiten zu haben auf dem Weg nach oben, rutscht immer wieder ab - er hat ja auch nur eine Hand am Seil, und das traurige Bündel unter seinem Arm ist wohl doch schwerer, als es zunächst den Anschein hatte. Fast hat er es geschafft, mit einer Hand greift er schon über die Kante, da passiert doch das wohl Unvermeidliche. Magnus rutscht ab und verliert den Halt. Das Bündel entgleitet ihm, als er mit der anderen Hand verzweifelt versucht Halt zu finden, und kurz darauf zerschellt es auf der Felsnadel, worauf die Überreste des Zwerges unter lautem Geschepper und Gepolter in der Tiefe verschwinden. Magnus verliert jetzt endgültig jeden Halt und landet, sich mehrfach überschlagend, auf - oder vor - der bekannten Felsnadel, die ja schon den Zwerg seinerzeit das Leben gekostet hatte.

      Sofort eilt Raslani rasch hinunter, um nach Magnus zu sehen. Als sie unten ankommt, untersucht sie ihn kurz und winkt uns dann zu: ?Er atmet noch!?. Sigmund und ich lassen ein weiteres Seil herunter, das ich zuvor glücklicherweise im Karren vorfinde, und damit seilt Raslani Magnus an. Mit ihrer Hilfe gelingt es uns zum Glück recht schnell, den reglosen Körper nach oben auf den schmalen Pass zu ziehen. Myralin kümmert sich um den Verletzten, um den es leider nicht zum Besten steht. Die Haut am Rücken ist grossflächig aufgeplatzt und blutet stark. Gebrochen scheint zum Glück nichts zu sein - ein Wunder nach diesem Sturz! -, aber es ist sicher nicht auszuschliessen, dass einige der inneren Organe verletzt sein könnten. Die Ärztin hat grosse Mühe, die Blutung zu stoppen, immer wieder quillt in regelmässigen Schüben die kostbare rote Flüssigkeit aus der Wunde.

      Wenn das so weitergeht wird der arme Magnus verbluten. Was kann man nur tun? Nach einer Weile kommt mir der Gedanke, dass das Einzige was hier vielleicht noch helfen könnte, Ralons? Heil-Elixier ist, aber das ist ja nun leider schon seit Wochen aufgebraucht. Trotzdem krame ich das mir wohlbekannte Fläschchen hervor, um nachzusehen, ob da vielleicht doch noch ein letzter kleiner Rest vorhanden sein könnte. Und tatsächlich, am Boden schimmert das durchsichtige Glasfläschchen immer noch leicht bläulich: da scheint auch noch etwas von dem Wunderzeug am Flaschenhals angetrocknet zu sein. Ich fülle ein wenig Wasser aus meiner Trinkflasche hinein und schüttele das Fläschchen einige Male kräftig durch. Danach gebe ich es Myralin und bitte Sie, etwas des Inhaltes in die Wunde zu geben. ? ?Was ist das denn für ein Zeug ?? - ?Frag nicht, mach einfach, und zwar schnell!? erwidere ich recht ungeduldig und vielleicht auch ein wenig zu unfreundlich, aber ich mache mir einfach grosse Sorgen um unseren Gefährten. Als sie das verdünnte Heilmittel auf der Wunde verteilt, stöhnt Magnus auf, doch die Blutung lässt langsam nach und die Wunde zieht sich sichtlich zusammen. Erleichtert atme ich auf: das Zauberzeug wirkt tatsächlich noch. Den Rest des Inhaltes gebe ich Magnus zu trinken. Seine Augäpfel sind mittlerweile erkennbar gelb verfärbt - ein Hinweis auf eine verletzte Leber, wie die Ärztin anmerkt. Wichtig, so Myralin weiter, sei es jetzt, an kühles Wasser zu kommen um die Wunden zu kühlen und auch um ihm Wadenwickel gegen das ansteigende Fieber anzulegen, doch der Fluss, der am Fusse des Berges fliesst, ist viel zu weit entfernt. Zugleich sind wir uns einig, dass wir hier nicht länger verweilen können, und dann deutet Sigmund in die Ferne auf einen kleinen Bach zu unserer rechten, gewiss noch einige Stunden entfernt, aber dennoch viel leichter erreichbar als der Fluss unten im Tal. Daraufhin beschliessen wir, dorthin aufzubrechen, und Sigmund und ich heben Magnus daraufhin gemeinsam auf den Karren ? wie schwer dieser Kerl das doch ist! Myralin kümmert sich dort weiter um den Patienten, während wir in Richtung Tal aufbrechen.

      Ob Magnus das übersteht? In der Vergangenheit hat die Medizin ja oft Wunder gewirkt. Ich muss nur an mein Abenteuer mit ?Ralon dem Fremden? denken. Damals in dieser Schänke in Delbertz sprach er mich an und überredete mich, mit ihm eine Schatzsuche im Drakwald zu unternehmen. Am zweiten Tag wurden wir dann von mehreren Tiermenschen überfallen, die mir eine hässliche, stark blutende Fleischwunde im Oberschenkel beibrachten. Nur dank Ralons Heilmittel und seiner Geschicklichkeit habe ich das damals wohl überlebt. Der arme Ralon - in dem grossen Hügel der ?Slann? hat es ihn dann kurz darauf dahingerafft, als er einer merkwürdigen, unheilvollen ?Musik? zum Opfer fiel. Ich fand dort im Inneren eine Grabkammer - und in den Armen eines unserer Vorväter lag dieses wertvolle Schwert, dass ich laut Magnus? Versprechen ja bald wieder an meiner Seite tragen darf. Aber ich schweife wohl wieder einmal ab.

      Der weitere Abstieg über endlose Serpentinen verläuft ohne weitere Zwischenfälle, Sigmund hat den Karren mittlerweile sehr gut im Griff. Am Fusse des Passes wird der unwegsame Bergpass wieder zur halbwegs befestigten Strasse, die weiter Richtung Süden, einem langstreckten Hochtal folgend, tiefer in das Gebiet der Grenzfürsten führt. Zur unserer Linken glitzert der Fluss, und auf der anderen Seite des Tales mache ich einen gewaltigen Berg aus, dessen drei Gipfel von der Abendsonne in tiefes Rot getaucht werden. Sofort fällt mir die Karte des Zwerges ein, auf der, wie es mir scheint, genau dieser Berg verzeichnet ist. Jetzt dürfte es uns leicht fallen, diesen im Brief erwähnten Zwergen-Unterschlupf zu finden.

      Sigmund Grünfels schlägt vor, langsam ein Nachtlager zu suchen, und schon nach kurzer Zeit entdecke ich eine geeignete Stelle etwas abseits der Strasse, die von einigen schützenden Bäumen und Sträuchern eingerahmt wird. Mithilfe der Wagenplane errichten wir für Magnus ein provisorisches Zelt. Sigmund und Myralin erklären sich bereit, die Nachtwache bei Magnus zu übernehmen, so dass Raslani und ich in den Genuss erholsamen Schlafes kommen.

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      Königstag, der 2. Vorgeheim

      Am nächsten Morgen weckt mich der herrliche Duft von Essen. Über dem Lagerfeuer, das wir für die Nacht entzündet hatten, brutzelt Sigmund in der Pfanne Speck und Eier. Dazu gibt es leckeres Brot. Das Frühstück ist hervorragend - was für Gewürze hat er da nur verwendet? - und ich stelle fest, dass ich irgendwie ganz vergessen hatte, dass Sigmund ja Wirt und allem Anschein auch noch ein exzellenter Koch ist. Magnus scheint es nun schon wesentlich besser zu gehen, er versucht sich sogar am Frühstück, was aber dann doch verfrüht erscheint, da er es nach einer kurzen Weile fast wieder von sich gibt.

      Wir sind uns einig, die in der Karte verzeichnete Zwergen-Behausung aufzusuchen, nicht nur um vielleicht medizinische Hilfe für Magnus zu erhalten, sondern weil wir ja ohnehin vorgehabt hatten, der Spur dieses Briefes nachzugehen. Es wird beschlossen, dass Raslani ein wenig vorausreitet, um die Lage auszuspähen, während wir nachkommen, so schnell es mit Karren und einem Verletzten eben geht. Magnus besteht darauf, selbst zu reiten, und er schafft es auch tatsächlich - wenn auch mit einigen Schwierigkeiten - auf den Rücken seines Pferdes, aber so ganz sicher scheint er mir dann doch nicht im Sattel zu sitzen. Ich lenke mein Pferd an seine Seite, um im Notfall eingreifen zu können: ?Noch ist es nicht die Zeit, den Helden zu spielen, Herr Magnus!?

      Nach einigen Meilen erreichen wir eine Holzbrücke, die über genau den Bach führt, auf den uns Sigmund am Vortag aufmerksam gemacht hat - allerdings hatten wir alle wohl die Entfernung und damit auch die Ausmasse des 'Baches' selbst falsch eingeschätzt: hier trifft der Ausdruck 'Flüsschen' deutlich eher zu! Laut Karte müsste der Wasserfall mit dem Zwergenstützpunkt irgendwo rechts davon liegen, und Raslani, die auf der Brücke bereits auf uns bereits wartet, zeigt mit ihrem Bogen auch schon in die entsprechende Richtung, um kurz darauf wieder vorauszureiten. In etwa dreihundert Metern Entfernung glitzert zwischen den dichten Kiefern am Ufer etwas. Es gibt zwar keine Strasse entlang des Flüsschens, aber es sieht so aus, als könne man mit dem Karren ganz gut durchkommen. Dennoch helfe ich Sigmund beim Lenken des Gefährts, während Myralin und und Magnus voraus reiten und der Elfin Raslani folgen.

      Auf Rufweite herangekommen, lasse ich ein lautes: ?Je n?kdo doma ?? erschallen ? In Khazalid steht das für: ?Ist jemand zuhause ?? - Keine Antwort. Was nichts heissen muss, da das Tosen des Wasserfalls hier schon recht laut ist. Als wir näher herankommen, sehe ich dass der Wasserfall in zwei Stufen vor mir in die Höhe ragt: In zehn Meter Höhe liegt der gemauerte Rand eines Wasserbassins, aus dem das kühle Nass über den Rand hinwegfliesst und das Flüsschen zu unseren Füssen speist. Wiederum fünf Meter höher kommt ein zweiter Wasserfall aus einer viereckigen Felsöffnung herausgeschossen, an deren unterem Rand sich zu beiden Seiten jeweils Simse befinden. Ausserdem erkennt man oberhalb des rechten Felssims noch zwei Haken - ich vermute, um hier Leitern anlegen zu können oder Seile zu befestigen. Auf dem rechten dieser Simse sehe ich gerade, wie Raslani eine kleine Öffnung, vielleicht eine Art Guckloch oder Schiessscharte, untersucht. Wie ist die Elfin da wieder so schnell hinaufgekommen?

      Als sie wieder herunterkommt, überlegen wir kurz, wie wir anderen denn dort wohl hoch gelangen könnten. Da wir nur noch über ein Seil von etwa fünf Meter Länge verfügen, wird Raslani damit wieder hoch geschickt, um es an einem der beiden Haken festzumachen. Die ersten 10 Meter bis zur Höhe des Bassins scheinen durchaus auch ohne Seil meisterbar zu sein. Ich nehme diese Bergsteigeraufgabe dann mal als erster in Angriff, und fast ehe ich es selbst bemerke, stehe ich breit grinsend neben der Elfin, die etwas ungläubig und anerkennend auf mich herabsieht - aber zugeben würde sie so etwas natürlich niemals. Auch die anderen schaffen es dann ohne Probleme zu uns hinauf, sogar Magnus stellt sich diesmal sehr geschickt an. 'War wohl gestern nicht sein Tag. Aber schnell erholt hat er sich, das muss man schon sagen!

      Am oberen Rand der exakt gemauerten viereckigen Felsöffnung, aus der etwa in Kniehöhe das Wasser schiesst und in das darunterliegende Bassin stürzt, erkennt man ein Fallgatter, das aber nur zu ungefähr einem Viertel heruntergelassen ist. Keiner scheint sich recht zu trauen, der ?Eingang? sieht nicht gerade einladend aus mit den Wassermassen die daraus hervorströmen. Schliesslich fasse ich mir ein Herz, schnappe mir das Seil und bitte Magnus, mir von der Talseite, also in Richtung Öffnung einen kleinen Stoss für das erste Wegstück mit zu geben, damit mich die Strömung nicht gleich wieder in die Tiefe reisst - was er dann auch tut. Die Strömung hier ist wirklich stark, aber der Boden zum Glück griffiger, als ich vermutet hatte, und so gelingt es mir, mich langsam vorzuarbeiten. Der Gang ist dunkel, aber nach einer Weile kann ich doch ein paar Umrisse vor mir erkennen. Am Kopfende des Ganges sehe ich etwa in einem Meter über der Wasseroberfläche einen Steg querliegen, der anscheinend zwei an den Seitenwänden liegenden Bogendurchgänge verbindet. Als ich diesen erreiche, fühle ich, dass er schon recht vermodert zu sein scheint, aber bin doch zuversichtlich, dass er mein Gewicht hält. Ich schwinge mich hinauf und entzünde erst einmal eine Fackel aus meinem Rucksack. Das erste Nennenswerte, was ich erblicke, sind zwei Winden. Als ich die rechte davon betätige - und sie lässt sich kaum bewegen -, höre ich nur ein Quietschen, dann einen scharfen Knall, und kurz darauf fällt klirrender Rest einer Eisenkette aus einem Deckenloch herab. Das war wohl die Vorrichtung für das Fallgitter. Hmmm, dann könnte die zweite Winde vielleicht dazu dienen, das Wasser abzustellen, denke ich mir. Doch beim betätigen dieses Mechanismus' taucht nur der Rest eines völlig ausgefaserten und anscheinend gerissenen Taues aus dem Wasser. Nun, dann bleibt es den anderen wohl nicht erspart, genauso nass zu werden wie ich.

      Wo ich jetzt schon mal hier bin, beschliesse ich, erst einmal die Lage alleine weiter zu erkunden, die anderen hatten schliesslich ihre Chance. Zunächst erforsche ich den linken Torbogen. Hier führt zunächst eine Treppe nach oben. Als ich die oberste Kannte in Kopfhöhe erreiche, blickt mich plötzlich ein Totenschädel aus seinen leeren Augenhöhlen an. Ein Schädel mit Hörnern! Bitte nicht schon wieder Tiermenschen oder Mutanten! Dann doch lieber zuerst den anderen Weg auskundschaften. Auch hinter dem rechten Torbogen am anderen Ende des Steges führt zunächst eine Treppe aufwärts. Oben angekommen, macht der Gang eine Biegung nach rechts und führt geradeaus auf einen kleinen weissen Lichtpunkt zu. Auf halbem Weg dorthin gibt es nach links eine weitere Abzweigung. Der Lichtfleck stellt sich als ein Ausguck bzw. eine Schiessscharte heraus, wahrscheinlich die, die Raslani vorhin von aussen untersucht hat. - ?Buhhh !!!?, versuche ich mich bemerkbar zu machen, aber das werden sie da draussen wohl kaum gehört haben.

      Der abzweigende Gang endet mit einer halb verfallenen Holztür, die in einen grösseren Raum - meiner Vermutung nach ein Wachraum - führt. Am Boden liegen einige vermoderte Holzstücke, wohl das ehemalige Mobiliar. Hinten rechts riecht es stark nach Ammoniak - offenbar der Abort -, während ich links durch eine zweite Holztür in einen weiteren Raum gelange, der dem ersten fast völlig gleicht. An den Wänden befinden sich Fackelhalter ? eine der halb abgebrannten Fackeln zünde ich mit meiner Eigenen an, um ein bisschen besser sehen zu können. Und tatsächlich, da ist doch tatsächlich so etwas wie eine Holzkiste in der Ecke. Ich schiebe den halbverfaulten Deckel weg und bin etwas enttäuscht ? nur eine riesige Spinne glotzt mich kurz mit grossen Augen an und verschwindet kurz darauf in einer noch halbverdeckten Ecke der Kiste. Aber halt, da zwischen Kiste und Wand schimmert doch etwas! Ich ziehe zwei Schriftstücke hervor. Eine Landkarte, hmmm ? sie ähnelt der die ich schon besitze, ist nur etwas detaillierter - und ein Text, anscheinend in einer kaum verständlichen Mischung aus Reichssprache und Orkisch verfasst - grosse Literaten werden die wohl nie hervorbringen:

      ?Die Zwerge kommen zurück, das hab' ich im Urin. Aber meinen Stein kriegen die nicht! Ihre Bücher haben sich als nützlich erwiesen, aber da ist immer noch mehr draus zu lernen, und das wird Zeit brauchen. Ich komme immer noch nicht durch das magische Tor, aber ich kann es nicht weiter versuchen, weil die Zwerge zurückkommen. Muss mich in die Berge zurückziehen. Wenn ich den Dreh mit dem Stein raushab, kommen wir zurück und zeigen es den Scheiss-Priestern, wo uns hier zurückgelassen haben.

      Torgoch
      Kriegsboss des Blutaxt-Bundes?

      Als ich den Text mit Mühe entziffert habe - welch schreckliche Ausdrucksweise! - höre ich plötzlich einen merkwürdigen Laut: ?Krrrrgschhhh!?. Halb Tier halb Mensch, so kommt es mir vor. Mit einem etwas mulmigen Gefühl in der Bauchgegend beschliesse ich zurückzukehren und die anderen zu holen.

      Glücklich wieder auf dem Sims angelangt (und wieder nass...), berichte ich den Gefährten kurz, was ich herausbekommen habe, und zusammen beschliessen wir, dieses Zwergennest jetzt gemeinsam weiter zu erforschen. Auch die anderen versuchen ihr Glück zunächst an den beiden Winden und in den Räumen hinter dem rechten Bogengang, Neues gibt es da aber zumindest für mich nicht zu entdecken. Ich übergebe Magnus die Fackel - er ist ja fast wieder ganz der Alte, will es mir scheinen -, und so geht es schliesslich die linke Treppe hoch, an diesem gehörnten Schädel vorbei - wenn man zu mehreren ist, fällt das natürlich wesentlich leichter. Oben schliesst sich ein Gang an, der schon nach wenigen Metern nach rechts abknickt, also tiefer in den Berg hinein führt. Am Ende wieder so eine Tür, davor liegen die Überreste eines Tiermenschen, was man an den langen Hufen deutlich erkennen kann. Nur der Kopf fehlt. Aha, das ist wohl der Rest des ?Gehörnten?. Da... war da etwa wieder ein Geräusch ? Myralin spannt einen Bolzen auf die Sehne ihrer Armbrust, und auch wir anderen halten uns bereit, als Magnus die Tür öffnet. Ein knarrendes Geräusch, das war's. Wir stehen in einem grossen Raum, der wohl einst ein Speisesaal gewesen sein muss, wie an dem verfaulten Mobiliar und einigen herumliegenden Ess- und Trinkgefässen (fast alle zerstört) zu erkennen ist. Rechts davon finden wir die Überreste einer Küche, und nach einer kurzen Suche findet Magnus in den Resten eines Schrankes ein weiteres Schriftstück, das dem ersten, das ich vorhin gefunden hatte, recht ähnlich ist. Magnus übersetzt, wobei ich etwas beruhigt bin, dass er dabei ähnliche Schwierigkeiten zu haben scheint wie ich zuvor:

      ?Torgoch ist heute bei Sonnenaufgang mit vielen der Jungs losgezogen und hat mich mit ein paar anderen hier zurückgelassen. Er sagt, er kommt zurück, aber ich glaub' ihm nich. Diese Bücher der Zwerge haben den doof gemacht! Die und sein blöder Stein! Die Jungs sind nicht glücklich weil die Zwerge jederzeit zurückkommen können. Diese Priester werden Torgoch fertigmachen, wenn er nach Haus kommt, oder er wird auf dem Weg dahin umgebracht. Und wir stecken hier fest, bis die Zwerge kommen und uns auseinandernehmen. Das ist nicht fair, morgen hauen wir hier auch ab und versuchen nach Haus zu kommen. Scheiss Torgoch-Verräter, wo uns hier verrecken lässt.?

      Als Magnus gerade die Übersetzung vollendet ist es plötzlich wieder da: ?Krrrrgschhhh!?: Woher es kommt, ist nicht auszumachen. Wir kehren in den Speisesaal zurück, von dem aus ein zweiter Gang tiefer in den Berg hineinführt. Und da ist wieder so eine Tür. Als Magnus sie öffnet, macht es kurz: ?klack?, ich spüre einen leichten Luftzug von vorne und höre ein Knarren. Im letzten Moment werfe ich mich zu Boden, da rauscht schon etwas Grosses über mich hinweg: eine Baumfalle! Zum Glück scheinen sich alle rechtzeitig geduckt zu haben. Oh nein, doch nicht: Hinter mir liegt ein menschlicher Körper lang ausgestreckt, und im Fackelschein sehe ich, wie sich unter dem Kopf eine grosse Blutlache ausbreitet. - ?Ob wir Sigmund jetzt wohl noch für seine Dienste bezahlen müssen??

      Fortsetzung folgt!

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      noch Königstag, der 2. Vorgeheim

      Eine mehrfach gebrochene Nase scheint noch das kleinere Übel zu sein, denn als Myralin den Kopf Sigmunds' zur Seite dreht, sieht man eine grosse, hässliche Wunde - auf der Breite etwa einer halben Hand ist die Schläfe des armen Kerls aufgeplatzt, sogar etwas der kostbaren grauen Hirnmasse ist hier ausgetreten. Immer noch tritt das Blut in grossen Schüben aus der Wunde. Myralin stellt fest, dass Sigmunds' Puls noch leicht schlägt, und auch flacher Atem scheint noch wahrnehmbar zu sein, allerdings kann sie leider kaum etwas für ihn tun. Magnus faltet die Hände und spricht ein Gebet, und auch ich rufe in Gedanken die Götter an, aber hier kommt wohl leider jede Hilfe zu spät. Ein kurzes aber heftiges Zittern der Beine noch - dann entspannt sich der Leib unseres Weggefährten: Morr hat Sigmund in sein Reich geholt. Ein kurzer Moment der Trauer - schade um den netten Kerl! - mehr ist uns ob unserer Situation im Augenblick leider nicht möglich. Wir beschliessen, ihn zunächst hier liegen zu lassen und uns erst einmal weiter umzuschauen. Begraben können wir ihn ja später immer noch.

      Der Raum, in dem wir uns jetzt befinden diente offenbar früher als Waffenkammer. Das erkennt man deutlich an den Halterungen an den Wänden. Einen weiteren Zugang zu der Kammer scheint es auf den ersten Blick nicht zu geben. Aber dies ist ja ein Stützpunkt von Zwergen, da ist mit Geheimtüren immer zu rechnen. Raslani untersucht die rechte Wand des Raumes: ?Ungewöhnlich ... - Sigurd, sieh dir doch mal die andere Wand an!?, sagt sie und zeigt auf das dem Zugang gegenüber gelegene Wandstück. Dieses ist sehr schön gemauert, eine Meisterleistung zwergischer Maurerkunst. Was aber auffällt, ist in der Mitte ein vertikaler bündiger Abschluss - so etwas kenn' ich doch irgendwoher! Hier müsste eigentlich ein lockerer Stein sein, den man eindrückt und dadurch den Mechanismus einer Geheimtür auslösen kann. Aber nein, alle Steine bleiben fest an ihrem Platz, so sehr ich auch dagegen drücke. Ein: ?Ach ja!!? entfährt mir - ich Tor! - 'muss hier doch mehr in Zwergen-Grössen denken! Also schnell etwas tiefer noch einmal das Gleiche probiert, und tatsächlich, mit einem: ?Klack? schwingt eine Tür nach aussen auf - dahinter liegt ein weiterer Gang, den meine Fackel einige Meter weit ausleuchtet. ?Das haben wir ja gut miteinander hinbekommen?, lächelt die Elfin mich an. - Huch, sie kann ja tatsächlich lächeln! Hätte ja nicht gedacht, dass das möglich ist nach den etwa zwei Wochen die wir ja jetzt schon zusammen unterwegs sind.

      Ich nehme die Fackel in die linke Hand und ziehe mein Schwert, da tippt mir Magnus auf die Schulter: ?Es wird langsam Zeit, dass Du DAS hier wiederbekommst?, und er reicht mir mein eigenes, vertrautes, magisches Schwert - sicherlich nicht der schlechteste Augenblick, den er hierfür gewählt hat. Sofort fasse ich noch mehr Mut und betrete den dunklen Gang als Erster. Schon nach wenigen Schritten macht dieser einen schärferen Rechtsknick, als man es von solchen Gängen eigentlich gewohnt ist. Unmittelbar dahinter türmt sich ein riesiger Schutthaufen vor uns auf. Darüber gähnt ein ziemlich grosses Loch in der Decke. Raslani klettert behänd auf den Haufen, um sich das näher anzusehen, und leuchtet mit ihrem blauen Elfenlicht hinein: ?Hmmm, hier geht?s nicht weiter. Die Steine, auf denen ich stehe, scheinen aber in etwa in diesen Hohlraum hinein zu passen?. ?Wohl eine weitere dieser Fallen?, stelle ich fest. Als Raslani weiter vorgeht, räume ich ein paar der Steine zur Seite, und tatsächlich - da ragt ja ein Arm heraus! Unter dem Geröll entdecken wir dann die Leiche eines weiteren dieser gehörnten Tiermenschen. Ausser den Resten eines Bustpanzers ist hier nichts weiter zu finden, und so folgen wir Raslani weiter den Gang hinab. Dieser endet schliesslich an einer Treppe, die abwärts führt, und uns bietet sich ein bereits vertrauter Anblick: Auf der obersten Stufe liegt wieder so ein gehörnter Tiermenschen-Schädel, den leeren Blick Richtung treppabwärts gerichtet. ?Wohl eine Warnung wegen der Fallen an seine lebenden Artgenossen?, äussere ich die Vermutung, was die anderen dann wohl auch für durchaus glaubhaft halten.

      Am Fusse der Treppe breitet sich dann eine Art Höhlensystem aus, das mich irgendwie an das unter Burg Wittgenstein erinnert - was ich meinen Begleitern dann auch erzähle. Auf ihre neugierigen Fragen hin berichte ich, wie wir damals durch diese vielen düsteren Gänge irrten - mein teurer Kompass versagte leider aus unerfindlichen Gründen seinen Dienst, fast an jeder Ecke schossen merkwürdige Ranken peitschenartig aus den Wänden, die hässliche Wunden reissen konnten, Tiermenschen und Mutanten stellten sich uns ? natürlich! - in den Weg, und unser Wegbegleiter Sebastian wurde uns von einem unterirdischen Strom fortgerissen. Als wir ihn später erstaunlicherweise auf der Burg selbst wiederfanden, schien er völlig geistesgestört zu sein, so dass wir ihn im Verenatempel von Kemperbad zurücklassen mussten. Nun, diese Geschichten tragen nicht gerade zur Ermunterung meiner Kameraden bei, so dass ich es dann lieber erst einmal dabei belasse.

      Zu unserer Rechten nehmen wir auf einmal einen merkwürdigen Geruch war, laut Raslani riecht es ?Irgendwie nach Fluss?. Sie folgt dem ?Duft? und entdeckt ein Loch im Boden, das gerade gross genug ist, um sich dort hindurch abzuseilen. Plötzlich vernehmen wir auch wieder bereits bekannte Geräusche: ?Krrrrgschhhh!? - diesmal kommen sie eindeutig von dort unten. Mit Raslanis' Hilfe seilt sich Magnus ab, um dem Lärm auf den Grund zu gehen. Als er zurückkehrt, berichtet er uns von einem weiteren Loch und einer weiteren Höhle, die etwa vier Meter tiefer liegt. Und dort habe er schattenhafte Bewegungen wahrgenommen, und auch Stimmen - wahrscheinlich Tiermenschen. Daraufhin beschliessen wir, möglichem Ärger lieber aus dem Wege zu gehen und statt dessen - zumindest erst einmal - die anderen Gänge hier ?oben? zu untersuchen.

      Auf der linken Seite dieses unterirdischen ?Saales? scheint es weiterzugehen, und tatsächlich beginnt hier ein Gang, von dem schon bald rechts ein weiterer, allerdings deutlich schmalerer, Weg abzweigt. Dieser endet allerdings nach wenigen Metern in einem kleinen Saal, in den durch ein Loch weit oben in der Decke etwas Tageslicht hereinfällt. Das macht zwar etwas Hoffnung, bringt uns aber nicht gerade unserem Ziel näher - und hinaufklettern könnte dort höchstens Raslani, aber das hilft uns anderen ja auch nicht weiter. Also folgen wir dem breiten Gang weiter, der schliesslich an einer Kreuzung in Form eines ?T? endet. Links schimmert etwas Licht, diesmal aber wohl eher künstlichen Ursprungs, wie wir vermuten. Als wir uns diesen Gang entlangtasten, wird dieses Licht zunehmend heller. Wir erreichen den Fuss einer weiteren Treppe, und als wir hinaufschauen, bietet sich uns ein äusserst interessanter Anblick: In einem sehr schön gemauerten Türbogen - auch eindeutig Zwergenarbeit - erstrahlt ein sternförmiger greller, gelber Lichtervorhang. Dahinter liegt, über einen Tisch gebeugt, ein Zwergenleichnam, der uns abweisend seine skelettierten Handflächen entgegenstreckt, als wolle er uns irgendwie fernhalten. Tatsächlich habe ich auch den Eindruck, dieser Lichtvorhang sei das letzte Werk dieses Zwerges - vermutlich, um irgendetwas zu beschützen. ?Hmmm, meiner Vermutung nach ist das Hadrin.? - ?Wer ??, fragt Myralin.- ?Na, der Zwerg der den Boten mit dieser Schriftrolle ausgeschickt hat.?. Unter dem rechten Arm scheint Hadrin - so nenne ich ihn jetzt einfach mal - eine weitere dieser Schriftrollen zu verbergen.

      Aber einfach wird es sicher nicht, an die Rolle zu kommen, immerhin scheint dieser Lichtzauber ja über Jahrzehnte, wenn nicht sogar noch länger gehalten zu haben - ob das nun Hadrin ist oder ein anderer Zwerg. Der gemauerte Bogen gibt uns keinerlei Hinweise, keine Schriftzeichen - gar nichts. Magnus wirft ein paar kleine Steinchen in Richtung des Lichtes, die davon allerdings einfach abprallen. Dann greift er vorsichtig mit seiner Hand in Richtung Öffnung. Wie er berichtet, wird der Widerstand grösser, je tiefer er in den Raum hinter dem Steinbogen eindringt. Ich trete neben ihn: ?Lass mich mal versuchen? - Magie kann man wohl nur mit Magie bekämpfen, eine Erfahrung, die ich selbst schon das ein oder andere Mal machen musste -, und mir fallen diese magischen Pfeile ein, die ich mir damals vom Magier-Meister Hyronimus Blixen in Delbertz eigens hatte anfertigen lassen. Ich nehme einen dieser Pfeile aus dem Köcher, greife ihn weit hinten am Schaft und strecke meine Hand vorsichtig nach vorne. Der Widerstand wird langsam stärker, und schliesslich bleibt der Pfeil im Licht einfach stecken. Ich lasse ihn los, weiche kurz zurück, und der Pfeil scheint doch tatsächlich in der Luft zu schweben! Hmmm... das ist jetzt nicht gerade die Art Magie, die ich im Sinn hatte. Ich greife nach meinem Pfeil, um ihn wieder herauszuziehen, aber er will nicht so recht. Schliesslich gibt er von einem auf den anderen Moment nach, mein Arm schwingt mit dem Pfeil in der Hand ruckartig zurück, und ich spüre einen merkwürdig ziehenden kurzen Schmerz in meiner Schulter. Wenigstens habe ich meinen magischen Pfeil wieder - wer weiss, wann man ihn brauchen wird.

      Plötzlich glaube ich aus dem Gang hinter uns Geräusche zu hören, mir scheinen es Stimmen und Waffengeklirr zu sein. Sofort lege ich den Pfeil, den ich ja ohnehin gerade in der Hand halte, an meinen rasch hervorgeholten Bogen und schicke ihn den vermeintlichen Angreifern entgegen. - ?Pling.? Und auf einmal herrscht Stille. Magnus ist nicht begeistert ob meiner vorschnellen Reaktion, aber so bin ich nun mal. Wenn ich mich bedroht fühle, dann agiere ich lieber schnell, als erst lange abzuwarten. Aber war da jetzt etwas, oder haben meine Sinne mir einen Streich gespielt? Das wohl eher nicht, denn die anderen scheinen ja auch etwas gehört zu haben. Raslani und Magnus beschliessen, der Sache auf den Grund zu gehen, während Myralin und ich zunächst hier an der Treppe zurückbleiben.

      Nach einer Weile hören wir eindeutig Getöse und Stimmengewirr, und so beschliessen Myralin und ich, den beiden anderen zu folgen. Wir finden sie bei der uns bereits bekannten Öffnung im Höhlenboden, aus der Raslani Magnus gerade wieder herauszieht. Irgendwie scheinen sie die Tiermenschen in Aufruhr versetzt zu haben, denn aus der Öffnung dringen wütende Schreie und Waffengeklirr zu uns herauf. Wir ziehen uns zu der Treppe und dem Lichtervorhang zurück - dass scheint uns nämlich eine Stelle zu sein, die sich recht gut verteidigen liesse. Besser noch wäre es freilich, den Zauber zu brechen oder zu überwinden, und die dahinterliegende Kammer zu erreichen! Während die anderen sich auf dem oberen Treppenabsatz umwenden und in Verteidigungsposition gehen, versuche ich noch einmal mein Glück mit dem magischen Lichtervorhang. Doch nichts hat irgendeinen Effekt: weder mein magisches Schwert, noch die in der Zwergensprache Khazalid gesprochenen Worte: ?Hadrin, lass uns doch bitte eintreten!?. Etwas konsterniert bitte ich Raslani, sie möge doch einmal ihr Glück versuchen - Elfen gelten ja im Allgemeinen als recht gut bewandert in magischen Dingen -, tausche mit ihr die Plätze und richte meinen gespannten Bogen wieder in Richtung des dunklen Ganges. Tatsächlich, nach einer kurzen Weile schimmert das gelbe Licht hinter mir auf einmal bläulich, danach ein kurzer, heftiger Blitz, und auf einmal stehen wir in völliger Dunkelheit.

      Da fällt uns auf, dass auch von dem Lärm der Tiermenschen nichts mehr zu hören ist, Etwas Zeit also, die dank Raslani geöffnete Kammer zu untersuchen. Ich entzünde erneut eine Fackel und gebe sie an Magnus, da sehe ich, dass die Elfin bereits in der Nähe des toten Zwerges zu Gange ist. Sie schnappt sich die Schriftrolle, dessen Inhalt sie uns kurz darauf vorliest:


      ?An den Anführer des Rettungstrupps:

      Wenn Ihr diese Zeilen lest gehe ich davon aus, das Gnarok mit seiner Botschaft bis zu Euch durchgedrungen ist. Nehmt Euch bitte Seiner an, er ist mein Sohn und Erbe. Ich gehe weiterhin davon aus, dass es den Orks nicht gelungen sein wird, meinen ?Lichtzauber? zu überwinden.

      Ich bedaure, Euch nicht persönlich begrüssen zu können: Ich bin verwundet und fühle den Tod nahen. Der magische Schutzschild wird das letzte bisschen Leben aus meinem Körper saugen. Ich hoffe, er wird die Grünhäute so lange abhalten, bis Ihr hier eintrefft. Sie müssen glauben, der 'Kristall der Luft' befinde sich in unseren Händen, und nicht in denen Yazerans.

      Die Hartnäckigkeit, mit der uns die Orks verfolgten, zeigt deutlich, dass sie sich tatsächlich über die unglaubliche Macht der Kristalle im Klaren sind. Ich glaube, sie haben bereits den Kristall in ihrem Besitz, der die Erde beherrscht. Weiteren Kristalle dürfen ihnen nicht in die Hände fallen! Ihr solltet sie sofort verfolgen und sicherstellen, dass sie den Schatz nicht in ihr verfluchtes Heimatland schaffen, sonst wird alles verloren sein.

      Lebt wohl.
      Hadrin?


      Als die Elfin die Übersetzung vollendet hat - ?Warum bekommt immer nur sie die einfachen Texte?, werfe ich Magnus kurz zu -, fällt mir eine Begegnung mit einem Zwerg ein, die sich vor einigen Jahren in einer Schänke in den Katakomben des Bernabau-Stadions von Middenheim zugetragen hatte, und von der ich den anderen kurz berichte:

      'Guntram der Stolze' nannte er sich, und ich hab' ihn immer für einen kleinen, aber dabei trotzdem sehr umgänglichen, Prahlhans gehalten. Auch war er immer sehr freigiebig, und so verbrachten wir schon den einen oder anderen feuchtfröhlichen Abend miteinander. So auch an diesem besagten Abend, als Guntram mir zunächst die Geschichte seiner Sippe, und dann auch immer wieder von den alten Sagen des ?grossartigen Zwergengeschlechts? berichtete. Welch mächtige Fürsten hätten damals geherrscht, als das Menschengeschlecht noch kaum eine Rolle spielte. Kristalle hätten sie besessen, mit denen sie sogar die Elemente nach Belieben beherrschten! An viel mehr oder Genaueres kann ich mich leider nicht erinnern - wie gesagt, es war einer dieser feuchtfröhlichen Abende, und das leckere Ale war mir damals wichtiger als die Geschichten Guntrams', die ich wohl eher als Prahlerei abtat, was ich ihm gegenüber der Höflichkeit halber selbstverständlich nie äusserte.

      ?Nun, scheint ja vielleicht doch mehr dran zu sein? beende ich meinen kurzen Monolog, und die anderen scheinen mir durchaus beizupflichten. Wer diese Steine in seinen Besitz bringt, könnte vielleicht einiges zum Guten wenden angesichts der Gefahren, die unserer Welt in diesen unsicheren Zeiten drohen - wenn man alleine schon an den bevorstehenden Krieg zwischen Bretonnia und dem Reich denkt, und auch an den zunehmenden Einfluss des Chaos überall. Da der Kristall des Lichtes sich offenbar damals bei Yazeran befand, also vermutlich innerhalb der Grenzen des Reiches - denn in diese Richtung war Hadrins Sohn Gnarok unzweifelhaft unterwegs gewesen, bevor sein Leben auf dieser Felsnadel endete -, und da meine Verbannung aus dem Reich uns diesen Weg im Moment verschliesst - wie Magnus kurz anmerken zu müssen meint -, scheint es uns angebracht, zunächst der Spur dieses Orks Torgochs zu folgen, der damals den ?Erdstein? an sich gebracht hatte. Nur ...erst einmal müssen wir hier unbeschadet aus diesen Höhlen herauskommen.

      Bevor wir uns wieder auf den Weg machen, durchsuchen wir noch kurz den Raum: anscheinend eine Art Schreibstube, die aber bis auf den Tisch und einige leere Regale völlig ausgeräumt scheint. In einem Winkel des Raumes findet Raslani noch eine kleine Holzkiste, die mit einem kleinen Vorhängeschloss versehen ist. Nachdem es ihr nicht gelingt, das Schloss zu öffnen, greift sie kurzerhand zu ihrem Schwert und lässt es auf die kleine Kiste herabfahren - ?Rummms!? Die anscheinend völlig morsche Kiste zerfällt in mehrere Einzelteile. ?Übrigens?, merkt Magnus breit grinsend an, "hier wäre wahrscheinlich der Schlüssel gewesen?, und zeigt auf den Gürtel Hadrins, an dem ein Schlüsselbund befestigt ist. Bis auf einen Beutel mit einigen Münzen, den Raslani an sich nimmt, ist nichts weiter zu finden, und so machen wir uns, Myralin vorneweg, auf den Weg: die Treppe hinab und den dunklen engen Gang entlang.

      An der ersten Abzweigung beschliessen wir, den uns noch unbekannten Gang geradeaus zu erforschen - vielleicht führt ja hier ein zweiter Weg hinaus. Wir alle sind der Ansicht, hier gebe ist nichts weiteres zu finden, was uns nützlich sein könnte, und so könnte man diesen gehörnten Tiermenschen aus dem Wege gehen. Nach ein paar Metern bleibt Myralin plötzlich ruckartig stehen: ?Hier geht es runter!?. Etwa vier bis fünf Meter geht es hier steil abwärts, und unten scheint, wie man dem Rauschen entnehmen kann, ein unterirdischer Fluss entlangzuströmen. Raslani, die für solche Fälle ja prädestiniert zu sein scheint, übernimmt die Spitze und klettert rasch den Abhang hinab. Da, plötzlich wird das Wasserrauschen von lautem Gebrüll und Waffengeklirr übertönt, das von dort unten scheinbar aus einem Seitengang dringt.


      Fortsetzung folgt!

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      noch Königstag, der 2. Vorgeheim

      ?Komm lieber rasch wieder hinauf!?, rufe ich Raslani zu, und wenige Augenblicke später steht die Elfin auch schon wieder neben mir. Da bleibt uns wohl nur der bereits bekannte Weg, um diese Höhlen zu verlassen. Zügig, aber mit aller gebotenen Vorsicht machen wir uns dann auf, die bekannten Gänge entlang, durch den grossen Saal - auch aus der Öffnung im Boden dringen jetzt Waffenlärm und Schreie - die Treppe herauf und an dem Totenschädel und der Steinfalle vorbei in die Waffenkammer. Die Geheimtür verschliesse ich sorgfältig hinter uns, während Magnus sich den Leichnam des armen Sigmund über die Schulter wirft. Die urgewaltige Kraft dieses Sigmar-Priesters ist doch immer wieder erstaunlich! Als Magnus und ich den Steg am Höhleneingang erreichen, sind auch dort plötzlich Waffengeklirr und Stimmen zu vernehmen - und zwar diesmal direkt aus dem Berginneren. Noch ehe wir etwas unternehmen können, bricht ein Teil der Mauer unter dem Steg ein. Ein gewaltiger Wasserschwall brandet aus der jetzt deutlich vergrösserten Öffnung und reisst den ganzen morschen Steg mit sich fort. Während Magnus mit Sigmund ins Wasser stürzt, gelingt es mir gerade noch, mich mit meiner linken Hand an einem dieser Eisenringe in der Wand festzuhalten. Fast im gleichen Moment erhebt sich aus den Fluten ein riesiger, gehörnter Tiermensch: Er will sich wohl auf den fast hilflosen Magnus stürzen, der gerade versucht, irgendwie Halt zu finden - was bei dieser Strömung und dank seiner zusätzlichen Last gar nicht so einfach ist. Aber in meiner rechten Hand halte ich ja immer noch eine Fackel, und genau die ziehe diesem Untier jetzt mit aller mir in dieser Situation zur Verfügung stehenden Kraft über den Schädel. Sofort bricht es zusammen - und stürzt geradewegs auf Magnus und Sigmund. Gemeinsam werden die drei dann aus der Höhle herausgespült - und über den Rand des Wasserfalls! Ich selbst versuche gerade, zügig durch das Wasser zum Ausgang zu waten, da sehe ich, wie Raslani und Myralin fast gleichzeitig ins Wasser springen, an mir vorbeischwimmen... und dann Magnus hinterher springen: Raslani mit einem sehr eleganten Kopfsprung, bei Myralin sieht es dann nicht ganz so geschickt aus. Auf dem Fels-Sims draussen angekommen - Mann, es ist ja ganz schön hell hier! - mache ich mich an den Abstieg, schliesslich bin ich bisher nur bis zu den Oberschenkeln nass geworden, und von mir aus kann das auch gerne so bleiben.


      Beim Wagen angekommen treffe ich meine - völlig durchnässten - Weggefährten wieder. Obwohl kein Verfolger in Sicht ist, beschliessen wir zügig aufzubrechen. Magnus verfrachtet Sigmunds Leiche auf dem Karren, ein wenig zögerlich setzt sich Myralin dazu, und ich binde mein Reitpferd hinten an dem Wagen fest. Mir erscheint es sinnvoll, das ich das Gefährt vom Kutschbock aus lenke, schliesslich habe ich Sigmund in den letzten Tagen dabei genau auf die Finger gesehen und traue mir eigentlich mittlerweile auch zu, so einen Karren zu beherrschen.

      Auf der Suche nach der Spur von Torgoch und dem Erdstein scheint es uns ratsam, zunächst einmal diesen Turm aufzusuchen, der auf der Karte der Orks verzeichnet ist und im Süden, irgendwo abseits der Strasse, auf der anderen Seite des Flusses liegen sollte. Wir überqueren die kleine Brücke am Ende des kleinen Seitentales und folgen dann der Strasse, die das Land der Grenzfürsten mit dem Reich verbindet, weiter Richtung Süden. Ich halte den Wagen immer möglichst weit auf der rechten Seite der Strasse, denn zu unserer Linken fällt das Gelände sehr steil ab. Ach, was heisst 'steil' - fast senkrecht! Und das Waldgebiet, durch das glitzernd der Fluss strömt, liegt noch mindestens achthundert Meter unter uns. Nach einiger Zeit erreichen wir eine Biegung: der Weg ist in Serpentinen angelegt, so dass wir uns erst einmal wieder in Richtung Norden bewegen! Langsam merke ich, wie anstrengend es eigentlich ist, so einen Wagen zu lenken. Komisch, bei Sigmund sah das viel einfacher aus... Plötzlich hören wir über uns ein tosendes Grollen, als ob irgendetwas genau auf uns zu rollt! Ich gebe dem Pferd die Zügel - gerade noch rechtzeitig, denn als ich mich kurz darauf umsehe bricht hinter uns ein ganzes Rudel Rotwild durch die Büsche, setzt über die Strasse und stürmt weiter hinab auf den Fluss zu.

      Bald darauf macht die Strasse wieder in eine Kehre, es geht also wieder Richtung Süden. Hoch über uns glitzert jetzt der Wasserfall in der Abendsonne, es wird also langsam Zeit, ein geeignetes Nachtlager zu finden - was schwierig werden dürfte, schliesslich befinden wir uns immer noch weit über dem Talboden. Langsam wird es zu dunkel, um den Wagen noch sicher steuern zu können, und so reiche ich meinen vor mir reitenden Gefährten zwei Fackeln. Da diese aber auch nicht ewig brennen werden, halten wir jetzt verstärkt Ausschau nach einem geeigneten Lagerplatz. Und wir haben Glück! In der nächsten Spitzkehre verbreitert sich die Strasse, und an der Aussenseite wird sie auch noch durch einen Felsüberhang geschützt. Also stelle ich den Wagen ab, und wir errichten unser Nachtlager. Raslani sammelt ein wenig Bruchholz für ein kleines Feuer - es wird hier oben auch in dieser Nacht sicher wieder empfindlich kalt werden, wie uns ein klarer Sternenhimmel verheisst. Als die Elfin zurückkehrt, erzählt sie von einem katzenartigen Geschöpf, das irgendwo über der Strasse lauern würde, Vorsicht sei also geboten. Wir einigen uns darauf, dass Raslani und Magnus die ersten beiden Wachen übernehmen, gefolgt von mir und Myralin, und ich rolle mich erst einmal in meine warme Decke ein.

      Magnus weckt mich in stockfinsterer Nacht - denn das Feuer ist mittlerweile erloschen. Nein, nicht 'erloschen', Holz wäre noch genügend vorhanden gewesen: es wurde bewusst gelöscht. ?Das war Raslani, sie hat da wohl bedrohliche Laute von irgendeinem grossen Tieres gehört. Und weil sie nicht wusste, was das nun ist, wollte sie verhindern, dass es auf uns aufmerksam wird?. So sinnvoll das auch gewesen sein mag: ein wärmendes Feuer wünsche ich mir schon, denn es ist jetzt wirklich bitterkalt. Ich lege mir eine Decke um und entferne mich ein paar Schritte von unserem Lagerplatz - durch Myralin?s Geschnarche ist sonst aus der Umgebung kaum etwas zu hören! Nach einer Weile zünde ich mir eine Pfeife an: Das tut gut und hilft vor allem ein wenig gegen die klirrende Kälte. Wie kalt muss es hier erst im Winter werden! Auf einmal höre ich über mir ein Knurren. Langsam und vorsichtig ziehe ich mich ein paar Schritte in Richtung Lager zurück. Da bewegt sich etwas, zum Glück aber nähert es sich nicht. Danach scheint sich dieses Etwas in Richtung Tal zu bewegen, man hört noch ein paar Steinchen den Abhang unter der Strasse hinabkullern und dann ist es wieder ruhig. Nach etwa zwei Stunden wecke ich Myralin, weise sie kurz ein und versuche danach noch etwas Schlaf zu finden.

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      Arbeitstag, der 3. Vorgeheim

      Noch im Halbschlaf vernehme ich den leckeren Duft von leckerem Rührei mit Speck - es ist doch gut einen Sigmund dabei zu haben denke ich mir, doch als ich langsam wieder ganz zu mir komme fallen mir die Ereignisse des vergangenen Tages wieder ein - und auch, dass unser 'Koch' den Tag nicht überlebt hatte! Myralin ist es, die das Feuer wieder zum Leben erweckt hat und gerade dabei ist, uns ein anständiges Frühstück zu brutzeln.

      Frisch gestärkt setzen wir dann unsere Reise fort. Mit Befriedigung stelle ich fest, dass mir das Steuern des Wagens zunehmend leichter fällt. Schon bald schwenkt die Strasse wieder nach Süden. Weit über uns ist wieder der in der Morgensonne glitzernde Wasserfall auszumachen ? wir haben schon einiges an Höhe verloren und scheinen jetzt Meter um Meter tiefer in das bewaldete Tal einzutauchen. Zu unserer Linken schimmert der Bergfluss ab und an durch die spärlichen Baumlücken, doch von diesem Turm ist nichts zu sehen - er muss laut Karte auch noch ein ganzes Stück weiter im Süden liegen.

      Nach einer Weile kommt uns ein einzelner Reiter entgegen, ein typischer Ranger etwa Anfang dreissig mit dunklen Haaren und wettergegerbtem Gesicht. Das pechschwarze Pferd, auf dem er sitzt, macht einen hervorragenden Eindruck - vielleicht stammt es ja sogar aus Arabia. Der Mann, der sich als Kundschafter einer Handelskarawane aus Til?a herausstellt, erkundigt sich bei Magnus, ob der Pass ?frei? sei, worauf mein Gefährte ihm mitteilt, dass wir ja erst vor kurzem aufgebrochen seien und deshalb nicht genau wüssten, ob bald hinter uns noch jemand käme. Kurz darauf macht sich der Fremde mit dem prachtvollen Pferd wieder auf in Richtung Passhöhe. Und nach wenigen Minuten kommt auch schon die Karawane auf uns zu, angeführt von drei Männern in schweren Kettenhemden. Ich lenke unseren Wagen so weit es geht an die rechte, an den Berg grenzende Seite der Strasse.

      Auf die drei Männer - offenbar die Leibwachen des Händlers - folgt der Besitzer persönlich: auf dem Bock einer prächtigen Kutsche. Dagegen komme ich mir mit unserem Karren ja richtig armselig vor! Er ist ein Halbling, der sich uns als 'Gustav Brandywein' aus Til?a vorstellt. Es scheint übrigens eine Til?anische Eigenart zu sein, sehr viel zu reden, denn zumindest im Redefluss unterscheidet sich der Händler keinen Deut von dem Til?aner Giovanni, den wir ja vor einigen Tagen zwischen Kemperbad und Nuln trafen: Die Grenzfürsten seien zur Zeit recht friedlich - jawohl - aber vor kurzem habe doch tatsächlich ein riesiger wilder Eber seinen Handelszug angegriffen und einen seiner Wagen dabei völlig auseinander genommen! Teppiche aus Arabia hätte er geladen, und es sei ja sehr aufwändig gewesen, die Ladung des zerstörten Wagens auf die anderen Wagen so gleichmässig zu verteilen, ohne einen von denen zu überladen, aber sein Personal - ja, darauf könne er sich ja zum Glück verlassen, gutes Personal zu bekommen sei ja heutzutage sehr schwierig - hätte das zu seiner vollsten Zufriedenheit erledigt... Ohne Unterlass redet er minutenlang für uns teilweise völlig belangloses Zeug, aber man soll ja in solchen Situationen die Höflichkeit walten lassen, und so bleibt uns nur, ihn freundlich und verständnisvoll anzulächeln und auf das Ende seiner Wortkanonade zu warten. Manchmal wünsche ich mir dann doch meinen alten Gefährten Wolfgang Kern herbei: Dieser hätte in seiner unnachahmlichen Art diesen Redeschwall sicherlich im Keim erstickt. Unsere Freundlichkeit führt aber letztlich immerhin dazu, dass Brandywein sich bereit erklärt, den Leichnam Sigmunds zu übernehmen und im Reich für eine angemessene Bestattung zu sorgen - gegen eine bescheidene Aufwandsentschädigung, versteht sich! Für ein paar weitere Goldkronen bietet er uns auch noch die Möglichkeit, eine seiner Landkarten der hiesigen Gegend abzuzeichnen (die ihm schon seit Jahren immer gute Dienste geleistet habe, redet er weiter und weiter und weiter...), was ich daraufhin auch gerne tue. Nun, etwas genauer als dieser Fetzen der Orks, an dem wir uns bisher immer orientiert haben, ist diese Karte schon. Immerhin erfahren wir durch diese auch, dass der Fluss dort unten den Namen 'Jetzin' trägt, und dass der Wald jenseits davon als sehr gefährlich gilt. Der Turm, den wir suchen, ist allerdings nicht auf der Karte eingezeichnet, auch hat Gustav Brandywein noch nie von einem solchen Gemäuer in dieser Gegend gehört, wie er auf unsere Nachfrage hin erklärt, und er bereise diese Strecke ja nun wahrlich nicht zum ersten Mal. Nachdem Magnus dem Händler ein Schreiben an den nächstgelegenen Tempel überreicht, um Sigmunds angemessene Beisetzung auf einem Morrsfeld sicherzustellen, und Arnold - ein hagerer, aber sehr muskulöser Kerl aus Brandyweins Gefolge - den Leichnam unseres Kameraden auf einen der Handelskarren umlädt, können wir unseren Weg endlich fortsetzen.

      Der geheimnisvolle Turm scheint uns als Ziel jetzt noch lohnender, denn die Tatsache, dass dieser ja offenbar seit Jahrzehnten völlig unbekannt zu sein scheint, erhöht sicherlich die Chancen, dort vielleicht noch irgendetwas zu entdecken, was auf die Ereignisse von damals hindeutet... aber erst einmal müssen wir das alte Gemäuer ja finden.

      So geht es die Strasse weiter Richtung Süden, bis Raslani auf einmal ihr Pferd anhält und mit dem Arm gen Osten zeigt: ?Da!? Ich kann beim besten Willen nichts erkennen - und ich wage zu behaupten, dass meine Augen eigentlich doch recht gut sind! Irgendwo zwischen den Bäumen hat die Elfin tatsächlich den Turm entdeckt - behauptet sie zumindest. Wir verlassen darauf hin die Strasse und bewegen uns langsam durch den Wald dem Jetzin entgegen. Als wir den Waldsaum und damit auch das Flussufer erreichen, liegt vor uns ein Hügel, auf dem sich tatsächlich der gesuchte Turm erhebt, den die Orks auf ihrer Karte so erfreulich mit 'Tuam' bezeichnet hatten (ein komisches Kauderwelsch, diese Orksprache!). Mein Respekt vor der Sehkraft der Elfen! Es handelt sich um einen mächtigen Rundturm mit einem viereckigen Vorbau, dessen Aussenmauer an einer Stelle eingestürzt ist. Ansonsten scheint das Bauwerk in recht gutem Zustand. Das wäre also geschafft - nur: wie den Fluss überqueren? An dieser Stelle ist der Jetzin zwar recht flach, allerdings hat sich in Flussmitte eine tiefe Rinne gebildet - wohl als Folge zahlreicher Schneeschmelzen, die dieses Flüsschen in einen reissenden Gebirgsstrom verwandeln dürften. Die Überlegung, das Gewässer schwimmend zu überqueren, wird schnell verworfen - uns allen scheint es doch sinnvoller, nach einer Furt zu suchen. Da das Gelände flussaufwärts sehr unwegsam wird, beschliessen wir, in der entgegengesetzten Richtung zu suchen. Daraufhin reiten Raslani und Magnus voraus, während Myralin und ich mit dem Wagen langsam folgen.

      Nach einer Weile nehme ich weiter vor uns äusserst merkwürdige Geräusche wahr, und noch ehe ich irgendetwas unternehmen kann, bietet sich uns ein schier unglaubliches Bild: Da schreitet doch tatsächlich ein Baum auf uns zu! Die Wurzeln benutzt er dabei als Beine. Myralin schreit auf, und auch mir wird ganz anders zumute! Ich halte den Wagen erst einmal an - ein Wunder dass das Pferd nicht durchgeht! Da fallen mir die alten Geschichten über die so genannten Ents ein, die mir meine Ziehmutter Gwendolyne früher immer erzählt hat. Ich hatte das damals ja immer für Phantastereien gehalten. Nun, jedenfalls schilderte sie mir diese Baumwesen als sehr machtvoll, aber auch friedlich und weise - 'friedlich' natürlich nur, wenn man sie in Ruhe lässt. Zum Zeichen meiner eigenen Friedfertigkeit breite ich die Arme aus, da legt sich auch schon von oben ein Ast um meinen Oberkörper und hebt mich vom Kutschbock in die Höhe. Myralin hinter mir scheint ähnliches zu widerfahren - zumindest lässt ihr panisches Geschrei das vermuten, sehen kann ich nämlich nichts. Dafür bemerke ich, nachdem ich mittlerweile schon bestimmt vier Meter über den Boden angehoben wurde, plötzlich Magnus und Raslani in der gleichen Lage wie mich - und der leicht amüsierte Blick der Elfin beruhigt mich dann doch schon sehr. Kurz darauf setzt sich der Ent wieder in Bewegung und stapft geradewegs auf den Fluss zu, den er dann auch mit erstaunlich schnellen Schritten durchquert. In der Mitte sackt er zwar kurz ein - das war dann wohl die Rinne! -, bringt uns aber trockenen Fusses über den Jetzin und setzt uns dann behutsam im hohen Ufergras ab. Myralin ist ein wenig grün im Gesicht, ansonsten haben wir alle es gut überstanden. ?Danke, guter Hirte! Wie ist eigentlich Euer Name ?? fragt Magnus das Baumwesen höflich. ?Den könntet Ihr wohl nicht aussprechen, nennt mich einfach 'Der Wald'?, grollt es irgendwo hinter den Blättern hervor. Ob wir denn die garstigen Orks verfolgen würden, fragt er uns dann noch, was wir natürlich eifrig bejahen. Abgesehen davon, dass uns das dem Ent vermutlich noch sympathischer machen dürfte, ist es ja schliesslich auch noch die Wahrheit! Tatsächlich verspricht uns der Ent daraufhin, an genau dieser Stelle auf uns zu warten und uns dann wieder über den Fluss zurückzutragen. Ein wenig später frage ich Magnus, worüber Raslani und er denn noch mit dem Ent geredet hätten, worauf er mir entgegnet: ? Wir kamen da von Hölzchen auf Stöckchen... nun ja, er stand da halt so rum, und da hat Raslani ihn gefragt, ob er vielleicht die Freundlichkeit besässe uns überzusetzen."

      Kurz darauf stehen wir dann am Fusse unseres Turmes. Raslani ist gerade im Begriff, die eingestürzte Mauer näher in Augenschein zu nehmen, da stapfen ihr plötzlich mit ungelenken Bewegungen zwei drollige ?Pelzknäule? entgegen und schlingen die Pfoten gleich darauf besitzergreifend um die schlanken Beine der Elfin. Bären!!! Plötzlich bricht ein markerschütterndes Gebrüll aus dem Turminneren hervor, und wenige Augenblicke später stürmt auch schon die Bärenmutter aus der Mauerlücke und baut sich in ihrer ganzen Grösse bedrohlich vor uns auf! ?Sigurd, schiess!? brüllt mir Magnus entgegen, und schon schnellt ein Pfeil von meiner Bogensehne, der den Bären in den Bauch trifft. Doch das macht ihn nur noch wütender, und da stampft er auch schon geradewegs auf Magnus zu. Dieser trifft ihn zwar mit seinem Schwert, bekommt aber postwendend einen gewaltigen Prankenschlag ins Gesicht. Ich stürze mich von hinten auf das Ungetüm und lasse mit aller Kraft mein Schwert in dessen Nacken fahren - aber selbst das bringt das Tier nicht zu Fall, im Gegenteil! Gerade noch kann ich einem Tatzenhieb ausweichen, da stürzt sich zu meinem Glück Magnus mit blutüberströmtem Gesicht erneut auf den Gegner. Ein gewaltiger Hieb, das Schwirren eines Armbrustbolzens - das war ohne Zweifel Myralin - und endlich stürzt das Tier tödlich getroffen zu Boden.

      Magnus hat es leider wieder einmal ziemlich böse erwischt: quer über seinem Mund scheint der Bär mit seinem Hieb irgendwie eine zweite Öffnung geschaffen zu haben - ich kann da jedenfalls nicht länger hinsehen. Während Myralin ihn verarztet, sehe ich, dass Raslani die beiden Bärenkinder derweil in friedlichen Schlummer versetzt hat.

      Als Myralin dann Magnus soweit wieder hergestellt hat - den wirft anscheinend so schnell nichts um! -, wagen wir uns durch die Maueröffnung in das Gebäude selbst. Der Raum, den wir betreten, endet vor dem eigentlichen Rundturm. An den Seiten befinden sich jeweils mehrere Meter hohe Steinvorsprünge, die den Raum fast wie einen Tempel mit mehreren Seitenkapellen erscheinen lassen. Der Gestank der hier herrscht ist hingegen nicht gerade sakraler Natur: überall liegt Bärenkot. Erklärend deutet Magnus auf einige Eisenringe, die in gleichmässigen Abständen in etwa fünf Fuss Höhe in die Wand eingelassen sind: ?Das war nur ein Pferdestall?. Als wir schliesslich wieder hinauskommen - viel länger hätte ich diesen Gestank auch wirklich nicht ausgehalten, und das will 'was heissen, den der Geruch in den Zwergenkaschemmen von Middenheim ist auch nicht von schlechten Eltern!, entdecken wir an einer Seite des quadratischen Vorbaus einen Sims in etwa drei bis vier Metern Höhe. Darüber befindet sich eine Holztür, die Zugang in das Obergeschoss verspricht. Mit Hilfe von Magnus' Räuberleiter ist es für Raslani ein leichtes, den Sims zu erreichen, doch die Tür scheint zwar nicht abgeschlossen, dafür aber immens verklemmt oder verzogen zu sein, denn als die Elfin sie mit der Schulter aufstossen will, prallt sie davon ab und fällt den Sims herunter. Aber keine Sorge: genau wie die Katzen, scheinen auch Elfen sieben Leben zu haben, denn sofort steht Raslani wieder aufrecht. ?Lass mich mal !? werfe ich Magnus zu, und mit seiner Hilfe gelange ich - genau wie zuvor die Gefährtin (nur dass Magnus bei mir deutlich mehr schnauft) - auf den engen Sims. Nur nicht zuviel Schwung, denke ich mir, und presse vorsichtig mit dem Oberkörper gegen die Tür, die darauf hin aufspringt. Das ging ja leichter als ich dachte - wahrscheinlich hat Raslani schon einiges an Vorarbeit geleistet.

      Der Raum, den kurz darauf dann auch meine Gefährten betreten, bildet das Obergeschoss des viereckigen Vorbaus/Stalles. Der Boden ist hier übersät mit zertrümmerten Möbelstücken - diesen Anblick kenne ich doch irgend woher! An den Wänden sind deutlich Inschriften von Orkhand zu entziffern: ?Wir sind schon viel zu lange hier! - Der Boss ist doof! - Der Kerl nebenan stinkt! - Torgoch lässt uns hier verhungern!?. Die Orks waren also tatsächlich hier, wir sind ganz offenbar auf der richtigen Fährte. Der Weg in den Rundturm selbst ist von hier aus leider durch ein Fallgitter versperrt. Dahinter, das erkennen wir deutlich, führt an der linken Mauerseite eine Treppe nach oben, im Boden befindet sich eine Falltür. Gemeinsam versuchen Magnus und ich, das Fallgitter anzuheben, was uns tatsächlich auch ein winziges Stück gelingt, aber eben leider nicht weiter: es ist also entweder festgerostet, oder der Zugmechanismus hat sich furchtbar verklemmt. Bedauerlicherweise bietet sich keines der zerstörten Möbelstücke als Hebel an, um das Gitter hochzustemmen - oder vielleicht auch nur als Rammbock genutzt werden zu können, und so beschliessen wir, den Turm zu verlassen und nach einem weiteren Eingang zu suchen. Aussen an der Rückseite des Rundturmes befindet sich dann auch ein Fenster, allerdings in selbst für Raslani unerreichbarer Höhe.

      Wenn wir die Geheimnisse dieses Gemäuers ergründen wollen - vielleicht befindet sich dieser sagenumwobene Erdstein ja tatsächlich hier - müssen wir also wohl oder übel an diesem Fallgitter vorbeikommen.


      Fortsetzung folgt!

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      noch Arbeitstag, der 3. Vorgeheim

      Im nahen Wald schauen wir uns nach geeigneten Hölzern um, und schon nach kurzer Zeit kommt Raslani mit einem stabilen Ast herbei, der uns für unsere Zwecke gut geeignet scheint. Wieder zurück im alten Gemäuer, machen Magnus und ich uns ans Werk. Der Ast passt gerade in die Lücke unter das Fallgitter, die Überreste eins alten Schemels dienen uns als Auflage. Mit vereinten Kräften drücken wir den Ast nieder, und tatsächlich gibt das Fallgitter langsam nach. Das scharrende Kreischen rostigen Metalls auf Gestein ist allerdings ohrenbetäubend. Und dann:?Krawummm!? zerspringt der Rest des Schemels in zahllose Einzelteile, und der Ast knallt uns mit Schwung vor die Füsse. Aber das Gitter reicht jetzt nicht mehr bis knapp zum Boden: Wir haben uns einen Spalt von fast vier Fuss erkämpft. Das reicht uns, um darunter hindurch zu gelangen - nicht ohne uns Sorgen zu machen, was wohl geschehen wird, falls das Gitter doch wieder hinunterkracht....

      Auf der anderen Seite angelangt öffnet Raslani die Falltür im Boden - augenscheinlich hat sie hier das Verlies entdeckt, denn das einzige, was man dort unten in einem leeren und völlig fensterlosen Raum in etwa vier Metern Tiefe ausmachen kann, ist eine leblose Gestalt, die zusammengesunken mit dem Rücken zur Mauer sitzt. Die Elfin meint sicher zu erkennen, dass es sich dabei um die Überreste einer Grünhaut handelt. Das interessiert mich jetzt aber nicht so sehr, ausserdem erinnert mich das jetzt ein wenig an meine Zeit in der Kemperbader Gefängniszelle, und so gehe ich rasch die Treppe hinauf, die an der Wand entlang in das nächste Stockwerk des Rundturmes führt.

      Im Teil des Bodens, der über der Treppe liegt, befinden sich fünf quadratische Öffnungen von jeweils fast einem halben Fuss Breite, die Magnus als sogenannte ?Mörderlöcher? bezeichnet: ?Hier konnte der Feind notfalls von oben mit heissem Wasser, Öl oder Pech begossen werden, wenn er versuchte, diesen Raum einzunehmen?. Myralin stellt die - durchaus berechtigte - Frage, was denn überhaupt der Zweck dieses Gemäuers gewesen sei, worauf ich die Vermutung äussere, es könne vielleicht einmal ein Raubritternest gewesen sein - die Lage unweit der Handelsstrasse, die von den Ländern der Grenzfürsten in das Imperium führt, lässt dies ja durchaus vermuten. Magnus nickt daraufhin zustimmend. Doch derartige Überlegungen helfen uns natürlich jetzt auch nicht recht. Also schauen wir uns weiter um, und finden hier eine Winde - für das Fallgitter von unten -, eine weitere Treppe, die weiter nach oben führt und den Rest einer völlig vermoderten Holztür. Ich beseitige die Holzreste, betrete dann das Obergeschoss des viereckigen Vorbaus ...und traue meinen Augen nicht: Ich stehe doch tatsächlich in einem hochherrschaftlichen Schlafgemach! Neben einem Himmelbett an der Kopfseite des Raumes und einem Tisch mit einigen Stühlen in der Mitte befindet sich an der linken Seite sogar ein gemütlicher Kamin. Entlang der rechten Wandseite führt eine weitere Treppe hinauf. Der Boden besteht zu meinem Erstaunen aus kunstvollem Holzparkett. Etwas unangenehm ist allerdings der süssliche Geruch vermoderten Fleisches, der mir jetzt in die Nase dringt. Raslani drängelt sich an mir vorbei, um dem nachzugehen, und geht geradewegs auf das Himmelbett zu. Krachend bricht ein Stück des Bodens heraus, so dass sie fast bis zum Knöchel feststeckt. Na gut: so schön dieses Parkett auch aussehen mag, besonders stabil scheint es ja nicht mehr zu sein, wenn selbst unsere Elfin, eindeutig das Leichtgewicht unter uns, hier schon einzubrechen droht. Als sie sich dann, nun deutlich vorsichtiger, weiterbewegt, wird sie weder unter dem Bett noch im Kamin fündig. Ich hingegen bewege mich unter äusserster Vorsicht um den Tisch herum in Richtung Treppenaufgang, denn hier scheint mir der Geruch am stärksten zu sein. Auch ich drohe dabei mehrfach einzubrechen und bin froh, als ich wohlbehalten die rechte Wand des Raumes erreiche. Der üble Geruch scheint seinen Ursprung hinter der Holzverschalung der Treppe zu haben, aber ich sehe keinen Anlass hier jetzt länger zu verweilen und nach irgendwelchen Leichen zu forschen - das ist mir ein wenig zu heikel, und ich habe wirklich nicht die Absicht, mich plötzlich ein Stockwerk tiefer wiederzufinden ...mit gebrochenen Knochen! Und so gehe ich, als würde ich über rohe Eier schleichen, langsam weiter und erreiche, nachdem ich mehrfach kurz davor gestanden habe, in diesem Boden einzubrechen, endlich die unterste Treppenstufe, die mir zumindest ein wenig sicherer erscheint.

      Diese Treppe führt in den Rundturm zurück, in dem mich eine gleissende Helligkeit empfängt. Die Decke wird hier lediglich von vier breiteren Säulen gehalten, dazwischen umläuft eine geschlossene Glasfront den gesamten, kreisförmigen Raum, unterbrochen lediglich von einer Holztür, die auf das Dach des Anbaus führt. Eine solch kunstvolle Glaserarbeit habe ich noch nie zuvor gesehen! Gewiss nicht das Werk von Menschen, vielleicht von Zwergen ? - wer weiss. Das Ganze macht für mich den Eindruck einer Art Observatorium, der Blick von hier oben ist nämlich atemberaubend. Dieser 'Tuam' erhebt sich hier aus dem tiefgrünen Wald, der uns von allen Seiten umgibt, wie ein Leuchtturm an der Küste. Fern im Norden ist der dreigipfelige Berg zu sehen; er gehört zu einer langen Gebirgskette, die sich östlich von uns weit in Richtung Süden erstreckt. Auf der anderen Seite schlängelt sich der Jetzin gen Süden und ich meine dort am Ufer sogar unseren Ent auszumachen, dessen Äste sich wie grosse Arme im Wind zu bewegen scheinen.

      In der Mitte des Raumes, einmal mehr mit zerstörten Möbelstücken übersät - die Orks waren also wohl auch hier - liegt ein umgefallenes, kunstvolles gewirktes Dreibein aus Bronze, das eine grosse runde Schale trägt. Genau davor finden sich eine ganze Menge feiner Glassplitter - ich würde fast wetten, dass diese einmal eine hohle Glaskugel gebildet haben, die in diese Schale gehört. Nur was man damit anfangen soll, bleibt mir ein Rätsel.

      Während ich noch den herrlichen Ausblick von hier oben geniesse, sind auch meine Reisegefährten eingetroffen, und die beiden Frauen beginnen sogleich systematisch den Raum zu durchsuchen. Und schon nach kurzer Zeit werden sowohl Raslani als auch Myralin fündig - beide reichen mir jeweils ein vormals zerknülltes Schriftstück. Und natürlich sind beide wieder in dieser fast unverständlichen Ork-Verballhornung einer Sprache abgefasst. Ich würde sogar fast sagen wollen, sie wurden mit der gleichen Hand geschrieben - wenn man das 'Schreiben' nennen darf.


      Raslanis Schriftstück hat folgenden Inhalt:

      ?Bis jetz keine Zwerge da, wo den 'Tuam' angreifen wollen, aba ich weiss, dasse kommen. Bin schon seit 'nem Monat hier, und irgendwann müssen die ja kommen. Aba wenn se kommen, werden wir uns besser schlagen wie die Menschen, wo vor uns hia waren. Haben deren Boss nie gefunden - muss wohl weggelaufen sein. Wenn die Zwerge nicht kommen, können wir im Frühjahr hier verschwinden, und bis dahin kann ich daran arbeiten diesen Stein hier auszubaldowern.
      Torgoch, Kriegsboss des Blutaxt-Bundes?


      Auch Myralins Notiz scheint aus der Feder ?unseres? Orks zu stammen, aber seine Schrift wirkt hier schon um einiges wirrer:

      ?Immer noch keine Zwerge und der Winter ist fast vorbei, also können wir bald aufbrechen. Ich und mein Schatz sind einen weiten Weg zusammen gegangen, jetz muss ich nach Hause und die Priester fettichmachen. Dann ist Torgoch der Boss der Bosse! Ich und mein Stein, da kann mich niemand mehr hindern! Höchstens vom Steinkreis, wie Zoglub gesagt hat, aber die Priester sind auf jeden Fall tot. NIEMAND KASS MICH JETZT NOCH AUFHALTEN.?


      Wenn das so weiter geht mit den immer grösser werdenden Buchstaben, braucht der für sein nächstes Briefchen grössere Pergamentbögen! Aber wir sind offenbar immer noch auf der richtigen Spur. Doch wie wir jetzt weiter vorgehen, soll - so sind wir uns schnell einig - erst später entschieden werden. Erst wollen wir mal sehen, ob hier vielleicht nicht noch mehr zu erfahren ist - oder sogar doch noch was zu holen! ?Die Menschen, die hier einst wohnten, können uns da ja leider nicht mehr behilflich sein? teilt mir Magnus noch mit. ? Die haben wir nämlich vorhin unter der Treppe gefunden?. Aha. Daher also der Geruch. Auch schön.

      Das Dach des Anbaus hat die Form einer Pyramide und wird ringsum von einem schmalen Laufsteg umgeben. Zusätzlich führt an einer der Seitenwände - wenn man auf das Dach hinaustritt, die linke - eine Treppe bis zur Pyramidenspitze und von dort im rechten Winkel zum nächsten Stockwerk des Rundturmes - also genau über dieses Observatorium. Doch der schmale Gang ist übersät mit Vogelnestern, und deren Bewohner - vor allem riesige Raben und Krähen - bevölkern das ganze Dach in fast unglaublichen Massen. Na gut, einladend ist der Anblick zwar nicht, aber letztlich sind das ja nur Vögel, denke ich mir - auch wenn sie grösser sind als alle, die die ich bisher je gesehen habe. Also öffne ich die kleine Holztür und trete nach draussen.

      Oweia! Was für eine Fehleinschätzung meinerseits - sofort stürzen sich diese fliegenden Bestien auf mich. Ich versuche noch, mir die Viecher mit heftigen Armschlägen vom Leibe zu halten, aber die lassen einfach nicht locker, und so sehe ich mich gezwungen, mich sofort wieder zurückzuziehen. Ich rechne es der Elfin hoch an, dass sie nicht in schallendes Gelächter ausgebrochen ist. Aber immerhin habe ich da draussen etwas gesehen, was ich den anderen auch sogleich mitteile: ?Da hinten glitzert alles mögliche! Wahrscheinlich hunderte von Münzen - das muss ein kleines Vermögen sein! Und ausserdem liegt da hinten auf dem Mauerrand eine weitere Schriftrolle - glaub' ich zumindest?. - ?Die müssen wir unbedingt haben? beschliesst Magnus, hüllt sich in seinen Umhang und tritt nach draussen auf den Laufgang, um selbst sein Glück mit diesen Vögeln zu versuchen. Leider finden dabei diesmal mehrere dieser Krähen den Weg zu uns in den Raum und greifen uns sofort an. Eines dieser Biester krallt sich an meiner Schulter fest und beginnt damit, mir unaufhörlich in den Hals zu picken - welch ein Schmerz! Nie wieder werde ich 'Ist ja nur ein Vogel' sagen! Ich packe das Tier, was gar nicht so einfach ist, denn es schlägt unaufhörlich - und kräftig - mit seinen Flügeln, und schliesslich gelingt es mir, es mit Schwung gegen eine der vier Säulen zu schleudern. Die Krähe fällt wie ein Stein zu Boden und rührt sich nicht mehr. Auch die beiden Frauen haben sich derweil erfolgreich gegen diese fliegenden Angreifer zu Wehr gesetzt, Raslani hält noch das Dreibein in ihrer rechten Hand, das sie allem Anschein nach als übergrosse ?Vogelklatsche? gebraucht hat.

      Magnus kehrt zurück ? und, welch' Überraschung, er hält nicht eine, sondern sogar zwei Rollen in der Hand. Die Erstere von Beiden erweist sich als eine ?Zauberrolle?. - ?Was hat es den für eine Bewandnis damit ?? frage ich Raslani. ? ?Diese Rolle enthält Magie, den Wind und die Elemente zu beherrschen? sagt sie und nimmt das Schriftstück an sich. Die zweite Rolle enthält wiederum einen in orkischem Kauderwelsch verfassten Text - aber dieses Mal in einer anderen Klaue geschrieben!


      ?Hallo Torgoch,
      jetzt haben die anderen Priester dich aber so richtig auf dem Kieker. Was die da machen, scheint mir einfach nicht richtig zu sein, aber ich kann dir nicht in aller Offenheit helfen, sonst machen die mich fertig. Die Götter sollen sie für das bestrafen, was sie dir da antun!
      Wenn du irgendwann mal deine Zauberkraft auffrischen möchtest, dann geh hoch zum Steinkreis. So kommst du rein: Geh um die Steine rum nach Nordost, dann nach Südwest und dann wieder nach Norden. Währenddessen musst du das Zeichen machen, was ich dir gezeigt habe. Dann gehen Flammen an. Du hältst eine Flamme fest und gehst durch die Öffnung - sollte gar kein Problem sein. Die Flammen gehen hoch, und dann kommst du rein. Sag keinem, dass ich dir das gesagt habe und bleibe den Göttern treu.
      Zoglub.?


      Also wird schon wieder dieser Steinkreis erwähnt - ganz offensichtlich sogar mit anständigen Hinweisen, wie man dort ?hineingelangt? - was auch immer das nun bedeuten mag -, um wertvolle Magie zu finden. Sicher ein lohnendes nächstes Ziel für uns. Aber noch sind wir hier nicht fertig. Was befindet sich wohl noch in den Räumen über uns ? Der einzige Weg dorthin führt leider über das Dach, und dort herrschen ja nun diese Vögel! Schliesslich fasse ich mir ein Herz und zünde meine letzte Fackel an - vielleicht hält mir das die Viecher ja vom Leibe! Und tatsächlich - indem ich die Fackel teilweise vor und teilweise hinter mir schwenke, gelingt es mir ohne grössere Schwierigkeiten, über die pyramidale Aussentreppe nach oben zu gelangen. Doch viel gibt der 'Tuam' leider nicht mehr her. Ein leerer Raum - wurde wohl früher als Verteidigungsplattform genutzt, zu erkennen an geradezu winzigen Fenstern und zahlreichen Schiesscharten - und eine Leiter mit Deckenluke. Ich steige dort hinauf, wuchte die Luke hoch - was gar nicht so einfach ist, die ist nämlich erbärmlich schwer! - und - ...lasse sie fast augenblicklich wieder fallen. Denn dort oben gibt es ausser Zinnen nur noch dutzende weiterer Vogelnester - mitsamt wütenden Bewohnern. Und gepiesackt wurde ich von diesen Biestern heute ja wohl schon mehr als genug.

      Fortsetzung folgt!

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      noch Arbeitstag, der 3. Vorgeheim

      Zurück von meinem kleinen Ausflug, berichte ich den Anderen, dass ausser den zahllosen Münzen wohl nichts mehr zu holen ist in den oberen Kammern des Turmes. Magnus stellt noch einmal die Frage nach dem genauen Zweck des Raumes, in dem wir uns befinden, und Raslani bestätigt meine anfängliche Vermutung, es könne sich früher mal um eine Art Observatorium gehandelt haben. Die mittlerweile zerstörte kristallene Hohlkugel könnte dabei ein Instrument gewesen sein, mit dem man in die Ferne gesehen habe. Des weiteren gebe es, so sagt Raslani, an diesem Ort aber auch Magie zu verspüren, etwas diffuser Art zwar - aber doch noch sehr kräftig. ?Vielleicht hat Torgoch ja hier oben seine Versuche mit diesem magischen Erdstein betrieben - würde zumindest die Unordnung erklären, die hier herrscht? merke ich an, worin mir Myralin recht gibt, und auch Magnus nickt zustimmend: ?Dann sind wir hier wohl fertig. Auf zu diesem Steinkreis!? Ich blicke daraufhin noch einmal aus den grosszügigen Panoramafenstern, aber von hier oben ist beim besten Willen kein Steinkreis auszumachen. Wo also danach suchen ?. ?Hmmm, vielleicht sollten wir den Ent fragen?. Raslani hebt eine Augenbraue und scheint meinen Vorschlag in Zweifel zu ziehen.: ?Ob der das weiss ?? - ?Nun - fragen schadet doch nichts. Wir können natürlich auch ziellos durch die Wälder irren, wenn es das ist, woran Elfen Spass haben....?. Langsam kommt mir der Verdacht, es ist völlig belanglos, was man in Gegenwart dieser Elfin sagt, denn schliesslich ist man ja nur ein unwissendes, junges Menschlein, also kann es anscheinend ohnehin nichts sonderlich Sinnvolles oder Brauchbares sein.

      Magnus und Myralin dagegen scheint diese Vorgehensweise durchaus vernünftig zu sein. Doch bevor wir uns auf den Weg machen, sind wir uns einig, zunächst noch den Ork in dem Kerker zu untersuchen, die menschlichen Überreste - die die Anderen unter der Treppe entdeckt hatten - in Würde zu begraben und uns das Fleisch des toten Bären zu sichern. Wer weiss denn schon, wann wir wieder an solche Leckerbissen kommen? Und gerade die Tatzen dieser Tieres sollen ja sehr wohlschmeckend sein, wie ich schon des öfteren gehört habe. Der tote Ork birgt keine weiteren Geheimnisse, wie Raslani schnell feststellt, die sich mit Magnus Hilfe in den Kerker abgeseilt hat. Er ist fast vollständig skelettiert und laut Myralin wohl schon seit etwa einhundert Jahren tot. Ausser seinem Kettenhemd trägt er nichts bei sich, und der Raum ist auch ansonsten völlig leer. Wir schaffen die toten Menschen nach draussen, wo Magnus und ich uns an ihre Beerdigung machen. Zum Glück ist der Boden recht locker, denn die Holzbretter, die uns dabei als Grabwerkzeug dienen, eignen sich nicht gerade gut für diese Arbeit. Magnus spricht noch ein Gebet, und dann können wir uns auch schon auf den Weg machen, denn Myralin und Raslani haben derweil den Bären ausgeweidet und das Fleisch geschickt in Blätter verpackt. Trocknen können wir es wohl kaum, also muss es wahrscheinlich bald gegessen werden. Na, mir soll's recht sein.

      Am Flussufer wartet der Ent. Er steht immer noch genau dort, wo wir in verlassen hatten: ?Da seid Ihrrrr ja schon wiederrrr ...typisch fürrrr Menschen ...Ihrrrr macht immerrr allessss sooo schnell?. - ?Das liegt wohl in unserer Natur guter Hirte ? und wir haben auch jetzt leider nicht viel Zeit?, gibt Magnus zurück. ?Wir suchen nämlich einen alten Steinkreis, der sich hier irgendwo in der Gegend befinden muss?. ?Dient dassss auch dazu, die bööösen Orrrrksss zu bekämpfen ? Diese finnnnsterrrren Gestalllllltennnn.....immerrr schlaaagennn siiee unser Holzzz und verrrrnichten unserrrre Bäume...?. - ?Ja, selbstverständlich guter Herr Ent? füge ich eifrig an. ?Das ist eines unser wichtigsten Anliegen - aber wisst Ihr nun von diesem Steinkreis ?? - ?Immerrrr laaangsaaam ....laaangsam ....hmmm ....Steinkreissss ....jaaa .....weittt im Süüüden ...immerrr am Wasssserrrr entlang - weit jenseitsss dessss verderrrrrbten Landessss.? - ?Wie weit ist das den ungefähr ?? fragt Raslani.- ?Nuuuun.... für unssss Entssss sicherrr gut zwanzig Tagesrrreisen.... aberrrrr Ihr seit ja vom Stamme der Elfen ....hmmm ....fürrr Euch mag esss zu Fuss ein Zehntel derrrr Zeit ausmachen ....fürrr die Menschlein eherrrr den Fünftel Teillll?.

      Unser Ent ist dann so freundlich, uns wieder über den Fluss zu tragen und nach einem wortreichen Abschied, den wir so gut es eben geht abkürzen - aber ohne dabei den netten Waldhüter ganz zu verprellen -, stellen wir fest, dass sich noch alle unsere Habseligkeiten bei unserem Wagen befinden. Na ja, wer hätte die hier auch stehlen sollen? Aber man weiss ja nie... Wir machen uns dann auf, zunächst zurück Richtung Strasse ? und der nette Ent winkt uns mit seinen Zweigen noch freundlich hinterher (...und sicher noch für eine lange Zeit).

      Eine Weile folgen wir der Strasse weiter Richtung Süden, dann versinkt die Sonne langsam hinter den Bergen im Westen. Irgendwo dahinter muss Bretonnia liegen, geht es mir durch den Kopf. ?Zeit ein Nachtlager zu suchen? schlägt Magnus vor. Und so verlassen wir die Strasse wieder Richtung Fluss, denn dort wartet frisches Wasser auf uns - und, hoffentlich zumindest, ein gemütliches, geschütztes Plätzchen. Es wurde auch Zeit, denn jetzt, im Schatten der Bäume, wird es doch sehr schnell dunkel. Plötzlich ist da ein Licht vor uns zu erkennen - offenbar streift dort jemand mit einer Laterne durch den Wald. Geräuschvoll zieht Magnus sein Schwert, was den Laternenschwenker wohl auf uns aufmerksam macht: ?Hallo ...Hallo ....wer seid Ihr ...sucht Ihr ein Nachtlager ?? - ?Reisende? rufe ich ihm zu. Und Magnus fügt an: ?Wer seid Ihr denn ? - ?Spielleute ...wartet, ich komme näher!? schallt es uns entgegen. Magnus zieht die Stirne kraus, Raslani hebt die rechte Augenbraue, ich aber grinse ein wenig in mich hinein - das verspricht doch endlich mal wieder einen lustigen Abend in angenehmer Gesellschaft!

      Der Mann, der jetzt auf uns zukommt, ist etwa so alt wie ich, hat dunkle Haut, etwas krauseliges Haar und trägt einen spitzen Kinnbart. Seine bunte Kleidung deutet darauf hin, dass er die Wahrheit gesagt hat - so sieht ein typischer Vertreter des fahrenden Volkes aus. - ?Mein Name ist Dschigalo, wir rasten eigentlich immer hier wenn wir durch diese Gegend ziehen. Es gibt hier eine kleine Landzunge im Fluss, und auf der haben wir unser Lager aufschlagen?. Er erzählt uns dann noch, dass sie weit aus dem Süden kämen und sich auf dem Weg ins Reich befänden um dort ihre Künste zu zeigen - und natürlich Geld zu verdienen.

      Kurz darauf erreichen wir das Lager des fahrenden Volkes. Fünf grosse, bunte Wohnwagen sind auf einer Lichtung in einem Halbkreis aufgestellt davor lodert ein mächtiges Lagerfeuer, über dem bereits ein Stück Fleisch brutzelt. Von was für einem Tier dieses stammt kann ich aber nicht genau erkennen. Um das Feuer herum sitzen schon einige Lagerbewohner, wohl in Erwartung des Abendessens, und um sie herum wuseln einige emsige Frauen und Mädchen, die sich um die Vorbereitungen kümmern und auch bereits die ersten Getränke reichen. ?Hmmm? Dschigalo? spreche ich unseren Gastgeber an, ?Ich glaube wir könnten Euren Abendschmaus noch mit etwas Bärenfleisch anreichern.?. Der Kerl ist darauf hin hoch erfreut: ?Das ist gut, ich weiss nicht ob unser Pangolin für alle gereicht hätte?. Damit meint er dann wohl das Viech, das da bereits über dem Feuer brutzelt. Sieht auf jeden Fall sonderbar aus, fast wie ein Fuchs mit Schuppen. Ich bin skeptisch.

      Ein grosser stämmiger Mann mit dunklem Vollbart kommt auf uns zu, so wie er auftritt, ist er offenbar der Anführer des Lagers: ?Ahhh ...Gäste, wunderbar! - Kaia ...bring rasch Wein herbei ...und sag der alten Frau Bescheid!?. Und zu uns gerichtet fährt lächelnd er fort: ?Ihr wollt doch sicher die Zukunft geweissagt bekommen!?. Dschigalo erzählt seinem Anführer gleich begeistert von dem Bären, mit dem das Abendessen angereichert werden wird, was Goshwar - so stellt er sich uns kurz darauf vor - hoch erfreut. Auch wir stellen uns kurz mit Namen vor, worauf Dischigalo mich kurz etwas Beiseite nimmt: ?Komm doch mit uns, du bist doch von unserem Schlag?. Ich bedanke mich höflich für diese nette Einladung, sage ihm aber, dass ich plane nach Til?a zu gehen und dort meine eigene Kunst zu verbreiten. Meine Reisebegleiter müssen daraufhin laut loslachen, scheint doch ganz offensichtlich der Hauptgrund für mich das Mal auf meiner Stirn zu sein, das Reich zu verlassen. Nun - sicher würde ich jetzt lieber in Delbertz bei meiner Liebsten sein, aber davon abgesehen muss ich sagen, dass mich Til?a schon auch reizt. Ich glaube so langsam habe ich mit damit sogar ein wenig abgefunden und freue mich fast ein bisschen darauf, mal neue Länder zu sehen.

      Wir setzen uns nah ans Feuer, und sofort springt da so ein junges Ding herbei um uns die rasch gereichten Gläser zu füllen. - ?Kaia, meine Jüngste? merkt Goshwar mit gewissem Vaterstolz an. Und dafür hat er auch allen Grund, denn trotz ihrer vielleicht vierzehn Jahre wird das sicher einmal eine sehr schöne Frau werden. Sie hat dieselbe dunkle Haut wie scheinbar alle hier, schwarze lange Haare, die sie offen trägt und auf ihrem hübschen Gesicht, aus dem die dunkle Wimpern besonders hervorstechen, ein Steine schmelzendes Lächeln, dass mir immer dann besonders freundlich erscheint, wenn sie gerade mir immer wieder aufmerksam Wein nachschenkt. Derweil spielen zwei Musiker fremdländische Melodien auf mir völlig unbekannten Instrumenten - das eine scheint einer Geige recht ähnlich zu sein, das andere erinnert mich an eine Drehleier.

      Der Wein ist sehr würzig - irgendwie hab ich den Eindruck, da sind gewisse Kräuter beigemischt, an deren Geschmack ich mich noch von Gwendolynes Kochkünsten her zu erinnern glaube - aber dabei sehr wohlschmeckend. Zwei junge Frauen servieren das Essen und ich habe Glück, denn auf meinem Teller landet eine der Bärentatzen, die sich als äusserst lecker erweist. Auch ein Stück von diesem ?Pangolin? ist dabei, dessen Geschmack mich irgendwie an Fisch erinnert. Sieht aber trotzdem eher aus wie Fuchs! Sonderbar. Magnus ist derweil in ein Gespräch mit Goshwar verstrickt und warnt ihn, weil der Anführer für dieses Feuer frisches Holz hatte verwenden lassen, schliesslich gebe es in dieser Gegend ja Ents. Goshwar, der sich ruhig seine Pfeife anzündet, erwidert, dass ja genügend altes Bruchholz am Boden läge und fügt in einer sehr souveränen ruhigen Art an: ?Respektiert den Wald, dann respektiert der Wald Euch?. - Magnus fragt Goshwar dann auch nach dem ?verderbten Land?, das der Ent ja gerade vorhin erwähnt hatte. - ?Ja, der Wald weiter im Süden, damit stimmt irgend etwas nicht. Da ist er völlig grau und scheinbar wie tot - und trotzdem hängen dort noch Blätter an den Bäumen. Auch der Himmel sieht dort merkwürdig aus, der ist dort schwarz wie Blei - aber nur über diesem Waldstück - aussen herum war nur klarer blauer Himmel zu sehen. Wir sind dort jedenfalls schnellstmöglich vorbei. Aber diesen Platz hier haben wir ja zum Glück friedlich wie eh und je vorgefunden!?

      Als das Mahl beendet ist, geselle ich mich erst einmal zu den beiden Musikern, die sich mir als Taboth - das ist der Drehleierspieler - und Razi?l - der Geigenspieler - vorstellen. ?Was ist das eigentlich für eine Musik, die Ihr da macht, sehr faszinierend übrigens, so etwas habe ich noch nie gehört.? - ?Die stammt - wie wir alle übrigens - aus Arabia. Freut uns dass dir Euch gefällt. Hast du Lust, ein wenig mitzumachen ?? - ?Nun, wenn ihr auch das hier und im Reich Landesübliche beherrscht, dann wohl gerne.? Ich hole meine Laute herbei und nachdem die Beiden ihre Instrumente darauf umgestimmt haben - was eine ganze Weile dauert, irgendie stimmen die ihre Instrumente ganz anders als ich! - beginnen wir mit flotter Musik. Die Jungs sind gut und es macht mir gehörig Spass, endlich mal wieder in die Saiten zu schlagen. Schon bald beginnt Dschigalo im Takt mit Bällen zu jonglieren und wenig später tritt ein stämmiger, glatzköpfiger Bursche mit Schnauzbart und nacktem tätowierten Oberkörper hinzu und beginnt mit einem Feuerzauber dass es eine wahre Freude ist. Er jongliert mit brennenden Holzscheiten, die er sich zwischendurch in den Mund steckt und dann wahre Feuersbrünste ausspeit. Sehr beeindruckend! Damit könnte er sogar auf dem Markt von Nuln für einige Furore sorgen, und die Leute dort sind, Ranald weiss es, wahrlich nicht leicht zu beeindrucken.

      ?Wer ist das denn??, frage ich dann Kaia, die sich fast schon auffällig eifrig um mich kümmert - steigt mir grade dieser Wein zu Kopfe oder macht die Kleine mir tatsächlich Avancen ? - naja ...die bösen, eifersüchtig erscheinenden Blicke der anderen Frauen scheinen durchaus auf so etwas hinzudeuten. Nun, das schmeichelt mir ja jetzt durchaus, aber einerseits ist da noch Marion - wobei ich die allerdings wohl nicht mehr so schnell wiedersehen werde - und andererseits könnte dieser Goshwar ziemlich unangenehm werden, wenn man seiner Lieblingstochter zu nahe tritt. - ?Das ist Haspadin, mein Vetter? reisst mich die Kleine wieder aus meinen Gedanken. Und schon werden wir in unserer kurzen Zweisamkeit abgelenkt, als nämlich besagter Haspadin beginnt, unter grossem Beifall aller glühende Kohlestückchen einfach in der Luft schweben zu lassen. Kurz darauf ruft Goshwar seine jüngste Tochter zu sich, um auch sein Glas nachfüllen zu lassen.

      Es wird später und später, und schiesslich begibt sich Raslani in den Wagen der alten Frau, um sich ihre Zukunft voraussagen zu lassen, Magnus verschwindet im Wald - ?um in Ruhe zu beten? wie er kurz wissen lässt -, und Taboth, Razi?l und ich genehmigen uns noch ein paar Gläser von dem wohlschmeckenden, würzigen Wein. Plötzlich entsteht eine leichte Unruhe im Lager. - ?Wo ist Sorill ?? ruft Goshwar besorgt. Wie ich von Taboth erfahre, handelt es dabei sich um die ältere Tochter des Anführers. ?Vielleicht bei Magnus!?, versucht ihn Myralin zu beruhigen - aber gerade das scheint Goshwar nicht im Mindesten zu beruhigen. Im Gegenteil. Erst Myralins Zusatz: , ?Der ist vorhin in den Wald gegangen zum Beten?, besänftigt ihn - ein bisschen. Nein, einer Tochter dieses Vater sollte man wohl wirklich nicht gerade schöne Augen machen, zumindest nicht, solange er in der Nähe ist.. Doch schon kurz darauf entspannt sich alles wieder: Sorill tritt aus einem der Wagen: ?Da bin ich doch, Vater!?, und auch Magnus ist auf einmal wieder unter uns - woher kam der denn jetzt so plötzlich?

      Goshwar schlägt vor, für die Nacht Wachen aufzustellen: ?Ich glaube zwar, dass es ruhig bleibt, aber Haspadin hier - unser Weiser - meint, die Gegend sei wohl doch nicht mehr ganz so sicher wie früher. So wird beschlossen, dass Magnus und Dschigalo die erste, Goshwar und Haspadin die zweite und schliesslich Taboth und ich die dritte und letzte Wache übernehmen werden. Daraufhin begeben sich Taboth und ich in einen der Wagen, wo mir der Musiker freundlicherweise auch noch seinen Schlafplatz anbietet - das sei er mir als guter Gastgeber schuldig. Als kleinen ?Absacker? bietet er mir noch einen Kräuterschnaps an, den ich dankend annehme und der es mir dann sehr leicht macht, rasch in Morrs Arme zu sinken. Das Zeug hat es aber auch in sich!
      Festtag, der 4. Vorgeheim

      Mitten in der Nacht pocht es an die Wagentür. Das sollen jetzt vier Stunden gewesen sein ? Müde schäle ich mich aus dem Bett, streife meinen Mantel über und begebe mich in Richtung Lagerfeuer. Das ist allerdings erloschen, und Haspadin erklärt uns auch gleich warum: ?Hier gehen merkwürdige Dinge vor! Magnus hat irgendein merkwürdiges Flugwesen gesichtet. Er hat das Feuer ausgemacht, um es nicht noch unnötig auf uns aufmerksam zu machen. Ich meine auch etwas am Himmel gesehen zu haben, mehr als einen grossen Schatten habe ich selbst zwar nicht erkannt, aber vielleicht hat Euer Gefährte ja die besseren Augen?.

      Dann verschwindet Haspadin in einem der Wagen und Taboth zückt erst einmal die wohlbekannte Flasche mit dem Kräuterschnaps. - ?Danke, im Moment lieber nicht?, lehne ich sein freundliches Angebot ab, auch einen Schluck davon zu nehmen. Nach einer Weile geht Taboth ?auf Streife? wie er sagt - sicher keine schlechte Idee sich ein bisschen die Beine zu vertreten bei der Kälte. So langsam graut der Morgen, da sehe ich weit über mir plötzlich etwas Dunkles herbeischweben. Ich ducke mich an einen der Wagen und kann gerade noch ein riesiges drachenartiges Wesen (mit drei Köpfen?! Was ist das denn?) erkennen. Zum Glück verschwindet es dann recht schnell Richtung Süden.

      Es muss kurz vor Ende unserer Wache sein, da ruft mich Goshwar in einen der Wagen. Hier treffe ich auch noch Raslani, Magnus und Haspadin an. Es herrscht grosse Aufregung. In der hintersten Ecke sitzt eine merkwürdige dunkle Gestalt - nein mehr ein dunkler schwarzer Umhang. - ?Unsere alte weise Frau, irgendetwas stimmt mit Ihr nicht? so Goshwar zu mir. Da beginnt die Gestalt mit unnatürlichen rauer Stimme zu reden: ?Das ist ein anderer Weg?. - ?Was ist mit unserer weisen Frau?? wundert sich auch Haspadin. Und dann reden irgendwie alle durcheinander - bis auf die auffällig schweigsame Raslani (und das will bei ihr nun wirklich etwas heissen!). ?Über was habt ihr gesprochen ??, versucht Magnus der Sache auf den Grund zu gehen. - ?Das war persönlich?, lautet die kurze Antwort der Elfin. Magnus wird jetzt langsam ungeduldig: ?Raslani, so kommen wir hier doch nicht weiter. Hat sie vom Tod gesprochen ?? - ?Ja?. Mehr ist aus der Elfin dann nicht mehr herauszubekommen. Auch Elfen können anscheinend trotzig werden! Na, prima! Irgendwie weiss ich jetzt auch nicht, wie ich hier noch von grossem Nutzen sein soll, und so verlasse ich den Wagen wieder, gefolgt von Haspadin.

      ?Was ist denn überhaupt los ?? frage ich den Feuerkünstler. ?Nun, Eure Weggefährtin Raslani war bei unserer weisen Frau, um sich die Zukunft weissagen zu lassen, das habt ihr ja mitbekommen. Dann muss irgendetwas Merkwürdiges vorgefallen sein. Auf einmal sprach die alte Angelika mit zwei Zungen - und dann überhaupt nicht mehr! Eine Zeit lang war sie sogar überhaupt nicht mehr ansprechbar. Dank Magnus spricht sie jetzt erst wieder - aber nur wirres Zeug in meinen Ohren, über Chaos und Weltuntergang. Was ist überhaupt los mit eurer Elfin, trägt sie etwa das Chaos in sich??. - ?Das glaube ich ganz sicher nicht?, versuche ich ihn zu beruhigen: ?Wir alle bekämpfen das Chaos, deshalb kommen wir unweigerlich hier und da mit so etwas in Berührung, das lässt sich leider kaum vermeiden?. Konkreter werde ich hier aber lieber nicht, ich möchte den armen Kerl doch nicht unnötig weiter ängstigen, und Ärger wegen meiner rechten 'Ulhednar-Hand' hab' ich selbst genug.

      Haspadins Stirn wirft daraufhin zahllose Falten: ?Oh weh, die Welt scheint mir leider überhaupt nicht mehr so sicher zu sein wie früher. Was kann man da nur tun - und wo soll unsereins denn noch hin ??

      Fortsetzung folgt!
      noch Festtag, der 4. Vorgeheim

      Dichter Morgennebel wallt vom Fluss heran und trägt zu einer seltsamen Stimmung bei, die an diesem Morgen im Lager des fahrenden Volkes herrscht. Die Ereignisse der letzten Nacht scheinen unsere lieben Gastgeber ganz schön aufgewühlt zu haben. Hektisch packen die Schausteller ihre Sachen zusammen - von der gestrigen Gemütlichkeit dieser Leute ist nichts mehr zu spüren. Immerhin bringt uns Kaia ein paar Kanten Brot vom gestrigen Abend (dank des Morgennebels ist es natürlich jetzt ein wenig pappig), und der ?Weise? Haspadin macht uns mit einem mir völlig unbekannten neuen Getränk bekannt: ?Das trinken wir immer zum Morgenmahl, tut wirklich gut. 'Ka-wah' heisst das Zeug.? Oder so ähnlich zumindest, genau verstanden habe ich ihn nicht. Es handelt sich um eine dunkle, fast schwarze, heisse Flüssigkeit, die leicht bitter schmeckt - aber ansonsten gar nicht mal so schlecht muss ich sagen. Hmmm ?ein wenig Zucker würde das ganze geschmacklich vielleicht noch etwas aufwerten. Goshwar kommt noch einmal zu uns herüber, um sich zu verabschieden: ?Hier trennen sich jetzt unsere Wege, die Götter seien mit Euch?.
      ?Sigmar mit Euch, werter Goshwar?, lauten Magnus Abschiedsworte.

      Schon bald bewegen sich die fünf bunten Wagen dann in Richtung Strasse, danach werden sie wohl die Winterzähne ansteuern. Auch wir rüsten uns nun langsam zum Aufbruch. Im Gegensatz zu den Fahrensleuten wenden wir uns - auf der sicheren Strasse angekommen - nach Süden. Nach einer Weile merke ich, dass das schwarze ?Morgengetränk? aus Arabia recht angenehme Nebenwirkungen zu haben scheint: Nicht nur, dass ich mich trotz des wenigen Schlafes in der vergangenen Nacht überhaupt nicht müde fühle, nein, auch die Kopfschmerzen, die Wein und Schnaps hinterlassen hatten, haben sich völlig verflüchtigt.

      Kurz vor der Mittagsstunde - wir haben bereits ein ordentliches Wegstück geschafft - bemerken wir, wie sich der Wald zu unserer Linken verändert. Die Bäume sehen hier aus wie verbrannt, und dennoch tragen die Zweige Blätter. Zudem herrscht hier eine unheimliche Stille: kein Vogelgezwitscher, kein Laut des Windes, gar nichts - und über dem Wald ist der Himmel bleischwarz ...genau so, wie Goshwar es uns ja bereits gestern schilderte. Magnus steigt vom Pferd, um sich das Ganze von nahen zu besehen. Einem dieser Bäume versetzt er einen herzhaften Tritt - woraufhin der Baum mit einem schmerzvollen Stöhnen antwortet! - ?Oh, oh ...das fühlt sich jetzt aber sehr merkwürdig an. Dieser Wald ist irgendwie ?.ganz falsch. Hier scheint das Chaos wirklich immensen Einfluss zu haben?.

      Wenig später erkennen wir schon von der Strasse aus und mitten in diesem Wald eine natürlich-grüne Stelle, über der ein kreisrunder azurblauer Himmelsauschnitt die ansonsten bleischwarzen Wolkendecke durchbricht - wenn das überhaupt normale Wolken sind, irgendwie glaub ich das nicht so recht! -, so dass die Sonne die 'grüne Oase' in diesem verdorrten Wald noch zusätzlich erstrahlen lässt. ?Das scheint mir ein geweihter Ort zu sein?, vernehme ich Magnus' erfürchtige Stimme, ?Wir sollten uns das unbedingt einmal ansehen!?

      Ich glaube auch, dass hier irgendwelche besonderen Kräfte am Werke sind, die das Chaos ganz offensichtlich dazu gebracht haben, dieses Waldstück zu verschonen. Als wir ungefähr die Höhe der Lichtung erreichen - die jetzt genau zwischen unser Position auf der Strasse und dem Jetzin in östlicher Richtung liegt -, versuchen wir uns etwas genauer zu orientieren. ?Nicht, dass wir uns hier noch verlaufen? warnt Raslani, ?Vielleicht sollten wir eine Spur legen.? Ich ziehe einen Dolch und versuche, einen der Bäume mit einem ?X? zu markieren. Doch weit komme ich dabei nicht: die vermeintliche Baumrinde lässt sich zerschneiden wie Fleisch, und dickes Blut quillt hervor. Sofort weist mich Magnus zurecht, es sei sicher keine gute Idee hier die Bäume zu verletzen - schliesslich könnten die Ents etwas dagegen haben. Nun ...aber mit Wucht dagegentreten darf man?! ...Und um gewöhnliche Bäume, die die Hüter des Waldes so gerne beschützen, handelt es sich doch hier ganz offensichtlich auch nicht. Hmmm ...vielleicht gibt es ja auch chaotische Ents in einem chaotischen Wald ? Keine schöne Vorstellung.

      Nun ja, dann muss es eben mein Kompass richten - damals in den Felshöhlen unter Burg Wittgenstein versagte er mir ja leider seinen Dienst. Deshalb behalte ich das Instrument von jetzt ab sehr genau im Auge, als wir die Strasse verlassen und uns in Richtung Osten aufmachen. Der Boden ist mit einer grauen, ascheartigen Masse bedeckt und scheint irgendwie viel zu leicht nachzugeben unter den Hufen der Pferde, die immer wieder zu stolpern drohen. Auch den Wagen zu lenken fällt mir recht schwer: Die Bäume scheinen immer näher an uns heranzurutschen, und immer gleitet der Wagen ruckartig ein Stück zur Seite. Ekelhafter Verwesungsgeruch sticht uns in die Nase. Die Äste der Bäume werden dichter und dichter, manchmal habe ich fast den Eindruck, sie würden versuchen, nach uns zu greifen oder peitschenartig um sich zu schlagen. Ein ?Ohhh!? kommt es von der Ladefläche - Myralin scheint es ähnlich zu ergehen. Raslani und Magnus steigen von ihren Pferden, und auch ich verlasse den Kutschbock. Jetzt ist es wirklich ratsamer, zu Fuss weiterzugehen. Kurz hebt Magnus die Hand und bleibt stehen. Dann spricht er ein kurzes Gebet und schärft uns ein, möglichst eng zusammen zu bleiben und ihm zu folgen. Auch wenn ich das eigentlich eher vom Gott Taal erwartet hätte: Auch Sigmar scheint im Wald einen gewissen Einfluss zu haben, denn nach diesem kurzen Gebet kommen wir wirklich etwas leichter voran, und kurze Zeit später verändert sich die Umgebung schlagartig.

      Auf einem völlig normalen Waldboden wachsen gesunde Bäume mit reichlich grünem Laub, zu unseren Füssen plätschert ein kleines Bächlein friedlich dahin, man vernimmt sogar einzelnes fröhliches Vogelgezwitscher, und auch der Verwesungsgeruch ist völlig verschwunden - jetzt riecht es einfach angenehm nach Wald. Plötzlich höre ich meinen Magen knurren. Nanu? Sicher wäre es jetzt durchaus Zeit, wieder etwas zu sich zu nehmen, das Frühstück ist ja eine Weile her und war nun auch nicht besonders opulent, aber am Abend zuvor war das Essen doch sehr reichhaltig ...Und doch fühle ich mich jetzt, als hätte ich mindestens drei Tage lang nichts mehr gegessen - eigentlich hätte ich gedacht, dass die Bärentatzen und das Pangolin etwas länger vorhalten. Plötzlich wird es schlagartig dunkler: Geht die Sonne schon unter?! Irgendetwas stimmt hier nicht. Läuft die Zeit an diesem Ort vielleicht schneller ab als anderswo?

      Als wir uns, so gut es in der Dämmerung eben geht, hier umsehen, entdeckt Raslani, die sich ihrer Lichtmagie bedient, nachdem die Nacht endgültig hereingebrochen ist, ein paar Schritte jenseits der Grenze dieses grünen Refugiums einen pyramidenförmigen Hügel, der gänzlich aus Totenschädeln besteht. Einige dieser Schädel stammen eindeutig von Menschen, andere haben Hörner. Man erkennt auch Schädel von Orks und Goblins, und aus dem Zentrum dieses sonderbaren Bauwerks glotzt uns schaurig ein riesiger Drachenkopf entgegen. Mir läuft es kalt den Rücken herunter, sonderlich wohl fühle ich mich hier wirklich nicht. Deshalb wende ich mich an Magnus: ?Du hast doch sicher auch bemerkt, das diese grüne ?Oase? hier nahezu kreisrund ist. Wäre es denn dann nicht denkbar, dass die Kraft, die diesen Ort hier gegen das Chaos aufrecht zu erhalten scheint genau in der Mitte liegt?? Magnus stimmt mir zu, und so versuchen wir durch Abschreiten das Zentrum zu ermitteln ...doch dort finden wir nur normalen Waldboden vor. Wir schauen uns nach geeigneten Grabwerkzeugen um, aber hier gibt es nichts brauchbares zu finden, und so versuche ich mit meinem Schwert ein wenig im Boden herumzustochern, kann aber auch dabei nichts Aussergewöhnliches feststellen. Dabei bin ich so in die Arbeit vertieft, dass ich kaum bemerke, wie die Sonne wieder aufgeht. Und mit dem neuen Tag (wirklich?!) kommt auch der Hunger, stärker als je zuvor: ?Ich kann jetzt hier nicht graben, ich muss erstmal was essen!?. Magnus scheint es genauso zu ergehen, und so stapfen wir gemeinsam zum Wagen zurück, auf dessen Ladefläche Myralin bereits genüsslich über unsere Vorräte hergefallen ist. Magnus und ich folgen ihrem Beispiel, und nach einem ausführlichen Mahl -, dass wir mit ein paar Bechern des leckeren Ales herunter spülen - geht es uns wieder etwas besser. ?Wo ist eigentlich Raslani ?? fragt Myralin nach einer Weile. Magnus und ich sehen uns an. Die haben wir ja ganz vergessen!

      Die Elfin steht immer noch vor der Grenze dieser Oase und starrt den Skeletthügel an. Irgendetwas an ihrem Blick verwirrt mich. ?Raslani, möchtest Du nichts essen ?? fragt Magnus und hält ihr ein Stück Schinken unter die Nase. Keine Reaktion. Magnus hält der Elfin die Hände vor die Augen, worauf Raslani nur unwirsch (und natürlich wortlos) den Kopf zu Seite neigt, als wolle sie um alles in der Welt irgendetwas zwischen diesen Schädeln beobachten. ?Sigurd, mach Du mal!?, fordert mich der Sigmarianer auf. Doch auch, als ich seinem Beispiel folge, bleibt Raslanis Reaktion unverändert. Also schütteln wir beide sie gemeinsam kräftig durch und zerren sie dann ein wenig von diesem Hügel fort. Schliesslich kommt sie tatsächlich wieder zu sich und berichtet uns sehr aufgeregt (na ja, zumindest für ihre Verhältnisse): ?Ich habe aus dem Knochenhügel heraus blicken können, und zwar durch die Augen dieser Kreaturen! ...und irgendwie ist meine Sehfähigkeit dabei unglaublich erweitert gewesen. Durch die Augen dieses Drachenkopfes habe ich, viele Meilen entfernt im Südosten, jenseits des Flusses eine Höhle entdeckt, die irgendetwas Besonderes verbergen muss. Als wäre dieser Ort irgendwie magisch. Ich denke, wir sollten diese Höhle unbedingt untersuchen!?. In der Zwischenzeit, während Raslani uns von ihren Erfahrungen berichtet hat, ist die Sonne schon wieder fast untergegangen. -?Das gefällt mir gar nicht!?, werfe ich in die Runde. "Ich habe schon wieder einen Mordshunger, dabei haben wir uns doch gerade erst die Mägen vollgeschlagen. Wir sollten diesen Ort schnellstmöglich verlassen!?. Magnus stimmt mir zu: ?Sigurd hat recht, wir scheinen uns hier weit abseits des normalen Zeitablaufes zu befinden. Lasst uns sofort hier verschwinden - sonst werden wir alle hier noch elendiglich verhungern!"
      Raslani besteht darauf, erst noch etwas zu essen:?Sonst schaff ich es nicht zurück, schliesslich habe ich vorhin nichts abbekommen!?. Nur ...zusehen können wir ihr dabei natürlich nicht lange, und so schlagen wir uns erneut die Bäuche voll. Als wir uns dann auf den Weg zurück zur Strasse machen, geht die Sonne ein Weiteres mal über unseren Köpfen auf, dann fast sofort wieder unter, und wieder auf ...Endlich erreichen wir wieder die Strasse, und als wir aus der letzten Baumreihe heraustreten begrüsst uns die Mittagssonne. Der erste Eindruck hat wohl getäuscht: Dieser grüne Wald war auf seine Art genauso geheimnisvoll und merkwürdig wie scheinbar alles Andere in dieser Gegend.

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      Als wir wieder an der Strasse stehen, scheint es uns, als sei maximal eine Stunde vergangen, aber die ständigen Sonnenauf- und untergänge lassen die Frage offen, wie lange wir denn nun wirklich in diesem Waldstück verbracht haben. Ist es immer noch der selbe Tag, an dem wir das Lager der fahrenden Spielleute verlassen haben, oder sind wir in Wirklichkeit tagelang in diesem merkwürdigen Wald herumgeirrt? Ich gehe auf der Strasse ein kleines Stück zurück nach Norden und suche nach unseren eigenen Wagenspuren - nichts mehr zu sehen! ?Das spricht dafür, dass mehr als eine Stunde vergangen ist. Wagenspuren auf diesem etwas sandigen Untergrund halten sich in der Regel sicher ein bis zwei Tage?, berichte ich den anderen. ?Das glaub ich auch. Dein Bart spricht übrigens eine ähnliche Sprache?, entgegnet Myralin grinsend. Und tatsächlich, als ich mein Kinn betaste, stelle ich fest, dass sich dort ein munteres Dreitagebärtchen breit gemacht hat. Und auch auf Magnus' ansonsten peinlich gründlich rasiertem Schädel spriesst es bereits ordentlich. Also ist dort im Wald die Zeit schneller abgelaufen als hier auf der Strasse? Aber dagegen sprechen doch wieder die fehlenden Wagenspuren, oder nicht?

      Beunruhigt setzen wir unseren Weg nach Süden fort. Das Bild, dass der Wald zu unserer Linken nach einer weiteren Wegstunde abgibt, kann nur noch als grotesk bezeichnet werden. Die Moose leuchten uns in einer seltenen Farbmischung an - widerwärtiges Rot zusammen mit einem an Eiter erinnernden Gelb! -, und die Baumstämme funkeln fast in strahlendstem Purpur. Und dann taucht nahe am linken Wegesrand etwas wirklich ganz Merkwürdiges auf: Eine etwa zehn Meter hohe Steinsäule ragt in den Himmel, über der ein riesiges Ei schwebt - mit der Spitze nach oben. Von der Grösse könnte das zwar durchaus ein Drachenei sein, aber das wäre dann schon ein sehr eigenartiges Nest ...und welche Kraft hält dieses Ei in dem Schwebezustand ? Ich fordere Raslani auf, doch mal zu versuchen, dort herauf zu klettern und sich das Ganze mal näher anzusehen - wenn es jemand von uns diese Säule hoch schafft, dann nur die Elfin. Die geriffelte, kunstvoll beschnitzte Oberfläche gibt Raslani zwar ein wenig Halt, aber mehr als knapp vier Meter kommt sie nicht nach oben: ?Das hab' ich doch gleich gesagt, dass das nicht zu schaffen ist?, meint sie, als sie wieder herunterrutscht. ?Man bekommt keinen richtigen Halt mit den Füssen. - Aber vielleicht könntest Du ja mal versuchen, das Ei mit einem Deiner magischen Pfeile herunterzuschiessen.?. Gute Idee - für irgend etwas müssen Hyronimus Wunderpfeile doch mal nütze sein. Ich lege an und treffe das Ei auch ziemlich in der Mitte. Daraufhin neigt es sich zur Seite und hängt jetzt nicht mehr kerzengrade sondern schräg in der Luft. Doch mehr als diese Schieflage bringen wir nicht zustande, und plötzlich lenkt uns etwas anderes von diesem merkwürdigen Gebilde ab: Raslani stösst einen erstaunten Ruf aus und zeigt nach Osten. Zunächst kann ich gar nichts erkennen ...erst als die Elfin es mir genauer zeigt, sehe ich, das sich auf einer Anhöhe am anderen Ufer des Jetzin eine langezogene dunkle Linie in Richtung Nordosten bewegt: ?Das ist ohne Zweifel eine Armee ? vermutlich eine Armee des Chaos.? Raslanis Worte beunruhigen Magnus sehr: ?Wenn die wirklich Richtung Reich marschieren, könnte das zu einer Katastrophe führen! Wir müssen dringend zurück und unsere Landsleute warnen!? Myralin merkt daraufhin an, dass es ihres Wissens jenseits des Flusses keinen Pass mehr gibt, der unmittelbar ins Reich führt, es sehe wohl mehr danach aus, als wollte die Armee in die Länder der Finsternis ziehen. Letztlich werden wir uns aber alle einig, dass es unumgänglich ist, einen Boten zurück nach Meissen zu senden, um Vater Thersson über die Situation zu unterrichten. Da Raslani mit Abstand die Schnellste unter uns ist, fällt diese Wahl auf die Elfin. Der Rest von uns folgt weiter den Spuren Torgochs und des magischen Erdsteines.

      Kurz vor dem Abschied legt uns die Elfin noch einmal Nahe, die geheimnisvolle Höhle aufzusuchen, die sie durch das Drachenauge gesehen hat: ?Da solltet ihr unbedingt hin! Ich fühlte etwas sehr Magisches an diesem Ort. Vielleicht findet ihr dort ja einen der Zauber-Steine! Wenn ihr Euch von hier aus durch den Wald Richtung Osten haltet müsstet ihr ziemlich genau auf die Höhle zugehen?. Dann springt sie gewandt auf ihr Pferd, gibt ihm die Sporen (die sie wahrscheinlich in Wirklichkeit auch nicht trägt! Elfen!) und verschwindet wie der Wind hinter der nächsten Biegung der Strasse Richtung Norden. Das sieht so einfach aus bei Ihr! Tja, jetzt ist sie weg.

      Der Waldboden, der hier völlig mit dem widernatürlich-bunten Moos überzogen ist, fühlt sich ekelerregend schwammig an, bei jedem Schritt hat man das Gefühl, die Schuhsohlen müssten hier Fäden ziehen. Viel glücklicher wirken die Pferde auch nicht, wir müssen sie führen, und selbst das ist nicht ganz einfach. Nach etwa einer Stunde glitzert der Fluss vor uns (in einem anständigen Wald hätten wir die Strecke in weniger als zehn Minuten geschafft!). Weit kann es bis zur dieser geheimnisvollen Höhle nicht mehr sein. Aus der Ferne dringen undeutliche Stimmen zu uns - fast klingt es wie Gesang ...allerdings äusserst sonderbarer Gesang. Und plötzlich gerät Myralin in Panik: Sie versucht sich die Ohren zuzuhalten, schreit wie am Spiess und rennt unablässig im Kreis herum. Mit einer kleinen Ohrfeige gelingt es Magnus, sie wenigstens wieder einigermassen zur Raison zu bringen, und dennoch zittert unsere Ärztin am ganzen Leib. So etwas ähnliches habe ich schon einmal erlebt: Damals, als ich mit ?Ralon dem Wanderer? auf Schatzsuche im Drakwald war und wir ein Hügelgrab unserer Vorfahren, der Slann, fanden, mussten wir feststellen, dass das dortige Gebiet von einem ?Klangzauber? geschützt war. Während ich das Glück hatte, ins Innere zu gelangen und dieses herrliche Schwert zu finden - das mir inzwischen schon so oft gute Dienste erwiesen hat -, fiel Ralon diesem Schutzmechanismus zum Opfer. Einige Menschen scheinen für solchen Zauber also anfälliger oder angreifbarer zu sein als andere. Diese Geschichte berichte ich jetzt Magnus, lasse ihn auch meine Vermutungen dazu wissen, und so kommen wir überein, Myralin besser hier beim Wagen und den Pferden zurückzulassen und zu Fuss weiterzugehen.

      Je näher wir dem Fluss kommen, desto lauter werden diese seltsamen Klänge. Allmählich scheint es mir doch mehr wildes Heulen zu sein als Musik. Was ich dann erblicke, verschlägt mir kurz den Atem: Der Fluss wird von einer Brücke überspannt, die ausschliesslich aus Schädeln und Knochen besteht. Und tatsächlich sind es die Schädel von denen das schauerliche Heulen ausgeht. So robust dieses Bauwerk an sich auch ausschauen mag: mir wird auf einmal ganz anders. Nur wenige Meter hinter dieser Brücke stürzt der Fluss einen hunderte von Fuss tiefen Wasserfall hinab ...um dann nur keine fünf Schritte weiter seinen Weg auf gleicher Höhe wie unter der Brücke fortzusetzen. So etwas kann es doch eigentlich gar nicht geben!

      ?Wenn wir zur Höhle wollen, müssen wir da rüber!?, versucht Magnus das unbeschreibliche Tosen des Wassers und das entsetzliche Heulen dieser Schädel zu übertönen. - ?Rennen ?? brülle ich zurück. Magnus nickt nur, bedeutet mir dicht hinter ihm zu bleiben, spricht ein kurzes Gebet ...und dann nehmen wir die Beine in die Hand!

      So schnell bin ich selten gerannt in meinem Leben! Als es über die Knochenbrücke geht, habe ich das Gefühl, die Schädel würden uns mit ihren leeren Blicken folgen, sich vielleicht sogar ein wenig drehen! Kurz verliere ich das Gleichgewicht und streife das Geländer aus Knochen, kann mich gerade noch fangen ...und selbst als ich die Brücke weit hinter mir gelassen habe, höre ich nicht auf zu rennen. Erst als Magnus mich kurz an der Schulter packt, bin ich wieder ganz bei mir. Es ist fast so, als wachte ich gerade aus einem Albtraum auf! Magnus deutet auf einen kleinen Berg, an dessen Fuss deutlich ein Höhleneingang auszumachen ist. Zwischen uns und unserem Ziel scheint nur ein kleines harmloses Wäldchen zu liegen. Was ausschaut wie ein kurzer Spaziergang, erweist sich dann aber als mindestens halbstündige Wanderung, denn immer wenn wir den Eindruck haben, hinter der nächsten Ecke sei der Wald zu Ende, hat es den Anschein, als stelle sich uns wieder neues Buschwerk oder ein kleiner Abgrund in den Weg. Es ist der reinste Irrgarten! Endlich finden wir einen Ausgang und stehen dann wirklich vor dem Höhleneingang. Ein stechend-säuerlicher Geruch, wie Salmiak und Seife, dringt aus dem Inneren. Ob das eine Drachenhöhle ist? Ich kenne mich mit so etwas ja überhaupt nicht aus ...mit dem Licht meiner letzten, bereits halb abgebrannte Fackel dringen wir vorsichtig in die Höhle vor. An den Wänden finden sich uns wohlbekannte Ork-Schmierereien - wiederholt ist von einem ?Ochmach? die Rede, der äusserst sonderbare Vorlieben zu haben scheint. Und er war wohl nicht gerade sehr beliebt bei seinen Kumpanen, der Kerl! Doch dann finden wir eine Inschrift, die unser besonderes Interesse weckt:

      ?Torgoch dein rota Stein hat dich ia bekloppt gemach! Un jetz meinste, mit dein rotn Augen kannste di Priesta zuhause umbring.

      De Götta wern dich fettich machen, un alle wo bei dia sin.
      Aba wia wern nich da sein wenn das passiat, weil wia nemich kein Erga mitn Priestan wolln.

      Wir sin wech.

      Roglud un seine Jungs?


      Magnus blickt mich kurz vielsagend an - wir scheinen ja mal wieder auf der richtigen Spur zu sein! Vorsichtig stapft er weiter in die Höhle hinein ...und ich folge ihm auf dem Fusse. Plötzlich ertönt unmittelbar vor uns markerschütterndes Gebrüll.


      Fortsetzung folgt!