Das erste Lywoch-Inferno (Kampagnentagebuch)

      Das erste Lywoch-Inferno (Kampagnentagebuch)

      Aus den Annalen von Lywoch

      Bevor der bretonische Söldnerhauptmann Rued de Perth mit seinen Männern in den unbedeutenden Landstrich zog, der später einmal die Grafschaft Lywoch werden sollte, wachte die alte verfallene hochelfische Festung Ly’Roc über das Land.
      Über die Jahrtausende hatten Wind und Wetter die strahlend weißen Mauern schwarz gefärbt. Und so schwarz wie ihre Mauern waren auch die finsteren Mächte, die in ihnen hausten.
      Gottlos streckten sich die Wehrtürme in den Himmel, griffen mit blasphemischer Lästerlichkeit nach den Gefilden Gottes und bedrohten all das, zu dessen Schutz sie gebaut worden waren.
      Tag und Nacht, bei Voll- und Neumond, bei Sonnenschein oder Sturm suchten unaussprechliche Wesen – allesamt verderbt und ruchlos – die ansässigen Bauernschaften heim.
      Erst de Perth setzte dem ein Ende.
      Aus den Annalen von Lywoch

      Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, anzunehmen, dass Lywoch vom Anbeginn an in den Rang einer Grafschaft erhoben worden ist. Tatsächlich ist es historisch verbürgt, dass der Landstrich rund um das Lywoch-Tal auf den Karten des Reiches lediglich als Ministerialschaft geführt wurde, die de facto keinen besonderen Schutz durch das Imperium genoss. Sie stellte in den Anfängen lediglich eine von Hunderten Veteranenansiedlungen in den unbefriedeten Ländern der Grenzgrafschaften dar.
      Auf bretonischen Karten lautete der Name des Tales Liboche und Rued de Perth war fortan bei jenen, die ihn schätzten, und bei seinen Anhängern ausschließlich als Ruedperth de Liboche bekannt – bei seinen Feinden als Lord de Liboche.
      Aus den Annalen von Lywoch

      Als Mann von niederem Adelsstand, der keine Erfüllung darin fand, sein Leben der Gralssuche zu widmen, strebte Rued de Perth nach Ruhm und Ehre in den zahllosen Kriegen des Imperiums, in denen fähige Söldneroffiziere gebraucht wurden.
      Neben dem Sold kämpften er und seine Männer um das verbriefte Anrecht auf ein Stück fruchtbaren Landes südlich des Grauen Gebirges.
      Seine Hundertschaft, ausschließlich bestehend aus den Veteranen seiner Feldzüge, folgte ihm mit den Familien nach – in der Hoffnung, als freie Männer ein Leben in Ruhe und Zufriedenheit führen zu können. Als die Herren von Lywoch.
      Jeder Veteran durfte so viele Äcker für sich beanspruchen, wie er mit seinen Händen bearbeiten konnte. Eine ganze Kompanie neuer Bauernschaften entstand auf dem Landstrich und rang dem fruchtbaren aber steinigen Boden jeden Tag aufs Neue ihr tägliches Brot ab.
      Keine Steuern und keinerlei Frondienst machten ein Leben in Lywoch erstrebenswert. Die einzige Verpflichtung der wehrfähigen Männer bestand darin, bereitzustehen, wenn der Ruf zu den Waffen erfolgte. Bereitzustehen, Lywoch zu verteidigen – sei es nun mit dem Schwert, dem Speer, der Hellebarde, der Muskete oder der Armbrust. Und jeden Angreifer abzuwehren, der die Ministerialschaft bedrohte.
      Verrat!
      Kurz vor Mitternacht ertönten die Glocken einer kleinen Siedlung im Südlichen Schädelpass des großen Reiches Alagäsia. Die Alarmglocken versetzten die wenigen Bewohner in Panik und Aufruhr. Es dauerte lange bis alle ihre verrosteten Rüstungen angelegt haben welche seit langem nicht benutzt worden waren. Als sich alle vor dem Tor des Holzwalles versammelt haben waren die Gegner bereits gefährlich nahe gekommen. Das Dorfregiment rannte mit Gebrüll und Flüchen den anstürmenden Gegnern entgegen, welche sich beim ersten Aufprall, als Bewohner des Dorfes auf der anderen Seite des Passes entpuppten. Das Gemetzel dauerte nicht lange. Am Ende blieb nur noch ein Schütze namens Korgan übrig welcher die Handvoll anderer Krieger, welche in den Wald geflüchtet waren, wieder zusammenscharrte.
      Das Dorf war wegen dem letzten gegnerischen Schützen durch einen Brandpfeil in Flammen gesetzt. Das Feuer verschlang das Halbe Dorf wodurch Korgan in den noch befreundeten Dörfern Hilfe suchte. Als sie von dem Verrat hörten willigten sie sofort ein Korgan beim Wiederaufbau der Häuser zu helfen. Außerdem sendeten sie einen Späher aus welcher den Grund für den Verrat herausfinden sollte.
      Der Späher kehrte mit der Kunde zurück dass das Verräter Dorf aus seinen eigenen Minen von auflauernden Waldelfen verjagt worden ist wodurch ihnen ihre Ressourcen ausgegangen waren. Doch für einen Zwerg war das immer noch kein Grund Verbündete anzugreifen.
      Korgan entschied sich eine Armee aufzustellen um die Minen zurück zu erobern und die Waldelfen zurück zu treiben. Doch in der Schlacht gegen die Elfen fingen die eigenen Leute an sich zu bekämpfen da sie herausfanden das sich in den besetzten Minen Gromrilvorkommen befanden. Durch diese Gier blieben die Minen in den Händen der Elfen doch Korgan gab nicht auf und fing an Söldner anzuwerben…
      Grazer
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      ...

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      Warmachine (Cygnar, Anfänger)
      Aus den Annalen von Lywoch

      Ruedperth wusste, dass der Fortbestand seiner Ministerialschaft in letzter Konsequenz von den wirtschaftlichen Faktoren und Gegebenheiten abhängig war. Neben dem unermesslichen Vertrauen in die Zukunft und der nicht nachlassenden Wehrbereitschaft gab es letztendlich nur eine Sache, auf die es wirklich ankam – das unerschöpfliche Klimpern von Gold.
      Die Schürfrechte an den alten verlassenen aber nicht erschöpften Zwergenschächten wurden meistbietend an eine Minengesellschaft verkauft, deren Haupteigentümer tief im Imperium ihren Sitz hatten und von denen zu erwarten war, dass sie im Ernstfall ihre Investition schützen wollten. Als Preis wurde eine Gewinnbeteiligung für Lywoch und damit für alle seine Bewohner ausverhandelt.
      Auf diese Weise wiedererstarkte die Mine mit der kleinen angeschlossenen Eisenhütte in den Hügeln von Schaden und entstand eine große Schmiede in der Senke von Hof.
      Von dem wirtschaftlichen Aufschwung in einen regelrechten Goldrausch versetzt siedelten sich freie Händler in Lywoch-Dorf an, die der Wiederbelebung der alten Handelsstraße zwischen Tilea und den Düsterlanden zuträglich waren. Die Errichtung von fünf Mühlen durch ein in den historischen Dokumenten nicht näher erwähntes Mühlenkonsortiums entlang des Flusses Caine-Ach bei Au trug zudem wesentlich bei, den Einwohnern ein geregeltes Grundeinkommen zu sichern.
      Die gerechte Verteilung des gemeinsamen Reichtums an alle Veteranen der ehemaligen Hundertschaft unabhängig vom ursprünglichen Rang und der Funktion im ehemaligen Söldnerregiment war beispiellos für die gesamte alte Welt – und führte dazu, dass die Ministerialschaft ein Landstrich von Besitzern und Eigentümern war, der Wohnsitz der Herren von Lywoch.
      Aus den Annalen von Lywoch

      Es mag viele Widersprüche geben betreffend der Anderen, die ebenfalls zur Zeit Ruedperths im Lywochtal ansässig waren. Als gesichert gilt jedoch, dass Hochelfen eine ihrer letzte Ansiedlungen in diesem Landstrich unterhielten. Sie bezeichneten sich selbst als die „allerletzten Wächter“ von Ly’Roc und beobachteten mit Argusaugen die bösen Mächte, die in der Festung hausten.
      Vereinzelt zogen immer wieder Zwergenclans durch den Landstrich, die ihre alten Wehrburgen in den östlichen Bergwelten vor dem Ansturm der Grünlinge des Ostens aufgaben. Manche siedelten dauerhaft in den Hügeln von Schaden auf der Suche nach Erzen – sehr zum Ärger anderer, die den Wald zu ihrem Herrschaftsgebiet erklärt hatten. Es gilt als gesichert, dass elfische Nachfahren, die ihr ganzes Leben unabhängig und nahezu unbemerkt in den nordwestlichen und nordöstlichen Hügelwäldern zubrachten, immer wieder mit den Zwergenstämmen in Streit gerieten.
      Es ist nicht überliefert, ob jene Elfen des Waldes sich von den „allerletzten Wächtern“ abspalteten und eigene Familien gründeten oder erst als Neuankömmlinge viel später die Lywoch-Wälder besiedelten.
      Zuletzt sind die Rattenmenschen zu erwähnen, die niemand wollte und die niemand eingeladen hatte. Als Tagelöhner verrichteten sie die niedersten und schmutzigsten Arbeiten und wurden nachweislich von den Menschen immer wieder als Brunnenvergifter und Seuchenüberträger stigmatisiert. Belegt ist, dass die Rattenmenschen hie und da und eigentlich … überall in Lywoch anzutreffen waren.
      Ruedperth wurde oft – auch von seinen Freunden und Mitstreitern – vorgeworfen, mit dem Rattengesindel zu nachsichtig zu sein. Es wurde gefordert, dass jeder Skaven sofort und ohne Warnung getötet werden dürfe – straffrei.
      Ein historisch belegter Ausspruch Ruedperths zu dieser Forderung lautete: „Und wer putzt dann eure Kloaken?“
      Aus den Annalen von Lywoch
      Der Kriegsausbruch


      Zehn Jahre war es ruhig um Lywoch gewesen. Zehn Jahre, in denen das Kriegshorn geschwiegen hatte.
      Es geschah eines Morgens, als ein süßlicher Gestand vom Fluss südlich der Mühlen heraufdrang.
      Ein eilends zusammengestellter Trupp Milizionäre sollte für Klarheit sorgen. Und aus der Befürchtung wurde schreckliche Gewissheit.
      Im sumpfverseuchten Wasser schwammen die Kadaver der Erschlagenen. Mehr als einhundert Leichen.
      Bis klar war, wer hinter diesem gemeinen Verbrechen steckte, war es bereits zu spät – die Kampfhandlungen hatten schon längst begonnen.
      Im Stadtarchiv von Lywoch existiert eine genaue Aufstellung über die Vorkommnisse beginnend ca. einen Monat vor den Kampfhandlungen. Hier sollen sie ohne Schuldzuweisung aufgeführt werden:
      Ein Ackergaul starb im achtzehnten Lebensjahr, nachdem er aus einem Bach getrunken hatte.
      Ein Landwirt, bekannt als Trunkenbold, fiel in seinen Brunnen und ertrank. Als er jedoch geborgen wurde, fand man ihn mit durchschnittener Kehle auf.
      Die Nachtwache der Milizionäre wurde von einer Gruppe Unbekannter beschimpft und in den Straßen von Lywoch-Dorf in einen Hinterhalt gelockt. Die meisten Männer der Wache kamen mit Prellungen und Rissquetschwunden davon. Einer brach sich jedoch den Arm. Es konnte kein einziger der Übeltäter überwältigt und vernommen werden.
      Durchreisende von kleinem Wuchs und unbezähmbaren Groll geritten mit dem Wirt der besten Herberge im Ort in Streit, wegen eines Vorfalls, der sich in den Hügeln von Schaden ereignet haben soll. Beteiligt an dem Streit sollen zumindest fünf Parteien gewesen sein, der Herbergswirt mitgerechnet. Das Lokal und auch die Gästezimmer wurden komplett verwüstet.
      Einem jungen Mädchen aus Hof im legalen Alter wurde am Tag der Verlobung die Unschuld geraubt – bei näherer Befragung durch den Vater gestand sie unter Tränen, dass unbekannte Männer nichtmenschlicher Herkunft sie dazu gezwungen hätten. Ihr Verlobter schwieg beharrlich und leugnete jede Kenntnis des Vorfalls.
      Ein Hof in Au brannte bis auf die Grundmauern nieder. Eine umgefallene Kerze wurde als Brandursache bestimmt. Spuren Andersrassiger wurden in der Nähe des Gehöftes sichergestellt.
      Weitere fünf Brandstiftungen wurden zweifelsfrei bestätigt. Eine Scheune, ein Geräteschuppen, ein Pferdestall (fünf Zuchtpferde fanden in den Flammen den Tod), eine Mühle (der Brand konnte rechtzeitig gelöscht werden), der Kohlespeicher Nummer drei der Schmiede brannte jedoch völlig ab.
      Ein Brunnen wurde mit großer Wahrscheinlichkeit vergiftet.
      Eine Bauernfamilie wurde nachts aus ihrem Haus vertrieben und entkam nur mit knapper Not dem Tod.
      Eine Handelskarawane wurde auf der Straße zu den Düsterlanden gestoppt und die Männer allesamt enthauptet. Von den Tätern und der Ware fehlt jede Spur.
      Ein unbekannter Mann schreit am Markplatz: „Wann ist endlich genug??“
      Kennis Meldraiter – der Auftrag



      Als Kennis am frühen Morgen den Empfangssaal des Ministerialhofs betrat, sah er Ruedperth de Liboche in voller Rüstung zusammen mit dem Wachhabenden über einen Tisch gebeugt stehen.
      „Alles verstanden?“, wehte Ruedperths Stimme heran. „Gut … Befehl ausführen, Mil!“
      Milian salutierte und trat ab. Mit einem vielsagenden Blitzen in seinen Augen ging er an Kennis vorbei – mit einem Blitzen, das Kennis sagte, dass der Wahnsinn gerade erst begonnen hatte.
      „Ken.“ Ruedperth grinste über das ganze Gesicht und ergriff herzlich seine Hand. „Gut, dich zu sehen. Wie geht es dir?“
      „Mein Sprunggelenk macht mir seit ein paar Tagen wieder zu schaffen. Und ich sehe nicht mehr so gut wie früher. Aber ansonsten … Ich laufe jeden Tag eine Meile. Am Sigmarstag sind es wie immer drei.“
      „Es hat sich nichts geändert, nicht wahr?“ Rued grinste und drückte ihm die Schulter. „Du ahnst wahrscheinlich, warum ich dich sehen wollte, oder?“
      Ken sog die Luft ein und blies sie hörbar wieder aus. „Ja, leider …“
      „Ich zeig dir den Albtraum auf der Karte. Das mit den Sümpfen war todsicher erst der Anfang. Milian überprüft das gerade mit seinen Männern.“
      Kennis folgte ihm zum Tisch. Wie in den alten Tagen. Eine ausgebreitete Gefechtskarte und auf ihr bunte Fähnchen und Wimpel, die die Landschaft zierten –und sie – die Hundertschaft – waren wie immer mittendrin.
      „Die Zwerge steigen in kleinen Trupps von den Bergen in die Täler herab. Noch wissen wir nicht, was sie hier wollen. Es sind mindestens drei verschiedene Clans.“
      Er sah überlegend in Richtung Süden auf die Felder hinaus.
      „Östlich der Schmiede haben wir Gestern Abend das Klirren von Schwertern gehört. unsere hochelfischen Freunde üben und rüsten sich zum Kampf – und das, obwohl sie gelobt hatten, in ihr heiliges Land zurückkehren zu wollen …
      Und dann sind da noch die verfluchten Ratten, die zu Hunderten aus ihren Sumpf- und Erdlöchern strömen.“ Er ließ seinen Faust auf den Tisch knallen.
      „Und zuletzt …“ Rued deutete auf die nördlichen Wälder. „Was die elfischen Brüder im Wald vorhaben, wissen wir nicht. Seit Wochen hat sie keiner unserer Jäger mehr zu Gesicht bekommen.“ Er sah Kennis in die Augen. „Und wenn ich eins weiß, dann … dass, wenn sie nicht gesehen werden wollen, sie irgendetwas vorhaben.“
      Kennis nickte. „Ich kümmere mich darum, Rued.“
      „Wir müssen wissen, auf welcher Seite sie stehen werden, falls es zum Kampf kommt.“
      Kennis wog den Kopf. „Auf ihrer eigenen. Sie werden den Wald gegen jeden Eindringling verteidigen.
      Rued fletschte die Zähne. „Zehn Jahre – zehn Jahre ist es ruhig geblieben. Ich habe keine Ahnung, was auf uns zukommt.“
      Die Vorkommnisse der letzten Wochen ließen jedenfalls nichts Gutes erahnen.
      „Ich möchte, dass du während meiner Abwesenheit die alte Truppe wieder zusammenstellst. Wir machen mobil – bis zum letzten Mann, aber keiner von den anderen soll etwas mitbekommen.“ Er machte eine vielsagende Geste in Richtung Kartentisch.
      „Du gehst fort?“
      „Nur kurz, hoffe ich. Ich will uns Verstärkung verschaffen, falls es notwendig werden sollte.“
      „Aber das Imperium …“
      „Das Imperium schert sich einen Scheiß um eine ihrer Ministerialschaften in den Grenzländern. So lange von hier aus keine Armee über den Nachtfeuerpass in Stirland oder Nuln einfällt, rühren die keinen Finger – nicht einmal einen Beobachter werden sie uns schicken.“
      Kennis presste die Lippen zusammen.
      „Nein, wir brauchen unsere alten Freunde.“
      „Leben die überhaupt noch?“ Kennis wagte es zu bezweifeln.
      „Eben das versuche ich, herauszufinden. Und mein bester Leutnant hält hier die Stellung. Ich will, dass du jeden waffenfähigen Mann hier zusammenziehst, bis wir wissen, womit wir es zu tun haben.“ Er deutete auf eine bestimmte Stelle am Kartentisch.
      „Dein Vertrauen ehrt mich, aber …“ Kennis knirschte mit den Zähnen. „Die meisten haben seit zehn Jahren keine Waffe mehr in der Hand gehalten – ich eingeschlossen. Wir sind Farmer, Rued … keine Soldaten.“
      „Ihr seid Veteranen – und Veteranen liegt das Kämpfen im Blut. Das verlernt man niemals. Schon gar nicht, wenn man weiß, wofür man kämpft.“
      Er strich sich über das Gesicht und schattete seine Augen vor der Morgensonne ab.
      „Ich liebe das Lywoch-Tal. Ich liebe die Menschen hier. Deswegen habe ich euch auch alle hierher geführt. Weil wir hier wie freie Männer leben können – aber diese Freiheit müssen wir uns jeden Tag aufs Neue erkämpfen. Sie ist nicht selbstverständlich.“
      ***

      Kaum zuhause zog Kennis eine alte unscheinbare Holzkiste unter dem Bett hervor. Kennis Meldraiter stand in reikländischen Lettern darauf. Darin war alles von damals aufbewahrt – alles aus einer Zeit, die er gehofft hatte, vergessen zu können. Er öffnete sie, als wäre sie die Büchse der Unheilsgöttin.
      „Ich dachte, du wolltest das Ding nie mehr anrühren.“
      Aela.
      Seine Frau.
      Sie stand in der Tür zum Schlafzimmer und warf einen verächtlichen Blick auf das Schwert, das er all die Jahre darin aufbewahrt hatte.
      „Zeiten ändern sich.“ Er spähte in die Stube, wo ihre gemeinsamen Kinder am Tisch saßen und ihren Beschäftigungen nachgingen. Iana, Rina und der kleine Eon. Seine drei Kinder – sein ganzer Stolz. Sie waren das Beste, was er jemals in diesem Leben zustande gebracht hatte.
      „Gibt es keinen anderen, Ken?“
      „Rued will, dass ich es mache – und einem anderen vertraut er nicht. Genauso wenig wie ich.“ Er zog das Schwert aus der Scheide. Es war eine gute Klinge. Die beste, die ein einfacher Soldat aus den imperialen Ländern sein Eigen nennen konnte.
      „Rued macht sich Sorgen, Aela. Er fragt sich, auf welcher Seite die Asrai stehen werden.“
      Seine Frau sah ihm tief in die Augen.
      „Ich verstehe.“
      ***

      Kennis schnürte seinen alten Armeerucksack und verstaute sein Schwert.
      „Bewach das Haus“, trug er Iana mit einem Kuss auf die Stirn auf. „Und beschütz deine Mutter und deine Geschwister.“
      Iana nickte entschlossen.
      Aela küsste ihn zum Abschied bei der Haustür.
      „Ich sehe zu, dass ich am Abend zurück bin“, versprach er und machte sich auf den Weg. Ohne zu wissen, dass er sein Versprechen nicht würde halten können.
      Er hatte einen langen Marsch vor sich. Es blieb außer ihm kein Mann, während die Wache des Tages unten bei den Sümpfen war, um herauszufinden, was dort vor sich ging.
      Der Mann, den er als Erstes aufsuchte, wohnte keinen Steinwurf entfernt.
      Killan, der Feldwebel der Musketiere, sah ihn schon von Weitem kommen.
      „Oje – ich will wieder heim ins Reikland“ – das war das erste, was Killan murmelte. Doch seine Augen sagten etwas Anderes. Er war einem Kampf nie abgeneigt – wenn schon vorher feststand, dass sie gewinnen würden.
      Killans Schützen verwahrten ihre Flinten bei sich Zuhause – gegen Wölfe und anderes Getier, das nachts aus dieser unsäglichen Festung strömte wie unheilige Pestilenz. Und die Armbruster hatten sich etwas flussaufwärts angesiedelt.
      Bis sie wieder wie eine Armee zu kämpfen verstanden, mussten sie den Gegner auf Abstand halten können.
      „Trommel deine Männer zusammen, Kil. Zeig mal, ob ihr noch immer die besten Musketiere des Reiklandes seid.“
      „Wieso habe ich das Gefühl, dass es uns schlimmer ergehen wird als den armen Teufeln der Nachtwache?“
      „Weil du ein cleverer Kerl bist, Kil. Sag Phael und Seb Bescheid – was ich brauche sind vor allem Schützen. Vielleicht kommt es dann gar nicht zum Kampf.“
      „Bis wann?“
      „Sonnenuntergang. Aber vorerst ohne Uniform. Und es reicht, wenn heute nur die alte Einheit da ist. Niemand soll mitbekommen, was die Lywocher Miliz vorhat.“
      Killan nickte. „Aber es wird sich nicht ewig geheim halten lassen.“
      ***

      In Hof, nahe der Schmiede, wohnte ein alter Oberstabsfeldwebel, der schon vor der Zeit in Ruedperths Armee eine Legende gewesen war. Kennis hatte ihn seit Monaten nicht mehr gesehen. Und als er ihm die Hand schüttelte, wusste er auch warum.
      „Ich kann nicht mehr kämpfen, Kennis. Meine Knie sind so hin, dass ich nicht mal mehr aufstehen kann. Aber mein Enkel wird mich vertreten.“
      Das war mehr, als Kennis verlangen konnte.
      „Und wo finde ich ihn?“
      Der alte Oberstabsfeldwebel grinste. „Ich schätze mal … im Heustadel.“

      Kennis überquerte den Hof, wo die Hühner ihm gackernd über den Weg liefen.
      Tin war ein guter Junge, der Sohn eines Veteranen, der vor ein paar Jahren in einem Raufhandel in der Dorfkneipe sein Leben ließ. Möge er in Frieden ruhen.
      „Tin? Ti-in!!“
      „Mensch, was gibt’s denn?“
      Zwei junge Gesichter tauchten im Heu auf. Das von Tin und das der … der Dienstmagd? Sie war ein Mädchen in seinem Alter – und damit noch viel zu jung für das, was sie da im Heu anstellten. Ihr Kleidchen war weit … weit über die Schultern heruntergezogen. Sie versteckte sich zwar gleich wieder im Heu, aber eines ihrer schneeweißen Argumente lugte zwischen den Halmen hervor.
      Kennis verfluchte sich selbst, es nicht besser gewusst zu haben.
      „Krieg“, antwortete er. „Aber … aber lasst euch nicht stören. Er läuft uns schon nicht davon.“
      Tin lachte auf. „Also machen wir jetzt ernst? Wurde auch langsam Zeit. Obwohl man nie genug Zeit haben wird, nicht wahr?“
      „Ja, wenn dafür keine Zeit ist, warum dann kämpfen?!“, gab Kennis ihm recht. „Ich hoffe, dein Vater und dein Großvater haben dir gezeigt, wie man mit einem Schwert aus Stahl umgeht.“
      „Das haben sie“, versicherte er. „Ich bin der beste …“
      „Ich hoffe besser, als mit dem Schwert in deiner Hose.“
      Die Kleine lachte.
      „Bis jetzt hat sich noch keine beschwert“, entrüstete Tin sich.
      „Gut dann sehe ich dich bei Sonnenuntergang am Antreteplatz. Und vergiss dein Schwert nicht.“
      „Welches?“
      „Beide.“ Kennis grinste und verließ den Heustadel. Er hörte noch, wie Tin dem Mädchen auftrug, den Hof im Augen zu behalten und seinem Großvater regelmäßig die Medizin zu geben.
      ***

      Im Laufe des Tages hatte Kennis mit einem Dutzend Männer gesprochen und sie über die Lage informiert.
      Wenn es um den Mann ging, den er als Letztes aufsuchen wollte – da hatte er eine ziemlich genaue Vorstellung, wo er ihn antreffen würde. In der Schenke mit dem zweifelhaftesten Ruf von ganz Lywoch.
      Und er sollte recht behalten. Er lag unter dem Tisch in einer Ecke des noch menschenleeren Schankraums. Um diese Uhrzeit war noch niemand da, weder der Wirt noch eines der Mädchen. Und erst ein Eimer Wasser konnte ihn wieder zu Besinnung bringen.
      „Was zum Teufel?!“
      „Hallo Nik.“
      „Zum Teufel, Ken … Bist du wahnsinnig?“ Er wischte sich die Wassertropfen aus dem Gesicht. „Was willst du? Ich habe erst in drei Wochen wieder Dienst.“
      „Das hat sich soeben geändert.“
      „Was soll das heißen??“ Nik beäugte ihn höchst misstrauisch.
      „Hast du in deinem Suff nicht mitbekommen, was hier los ist?“
      Nik nickte. „Dass sie mich in dieser dunklen Gasse aufgemischt haben?!“ Er spuckte auf den Boden.
      „Und das war nur der Anfang.“
      „Mensch …“ Nik strich sich über sein verkatertes Gesicht. „Ich bin ein Säufer … Ich … Ich kann nicht mehr kämpfen. Ich überleb doch keine fünf Minuten mehr da draußen.“
      „Jetzt hör mal gut zu. Du warst der beste Ausbildungsfeldwebel unserer Einheit. Zudem hast du einen Eid geschworen. Und ich muss dich wohl nicht daran erinnern, dass du seit zehn Jahren keine einzige Münze an Steuern bezahlen musstest.“
      „Wenn du es so sehen willst …“ In seinen Augen blitzte es auf.
      „Wir habe gar keine andere Wahl, als es so zu sehen. Zehn Jahre hatten wir Frieden. Wir konnten uns etwas aufbauen. Jetzt liegt es an uns, es zu behalten.“
      Nik grinste schwach. Sah er etwa so aus, als hätte er sich etwas aufgebaut? Alles was er besaß, hatte er in die Mädchen dieser Schenke investiert.
      „Ihr seid alle komplett irre … Aber gut, einverstanden.“ Er massierte sich die Schläfen. „Aber sag Rued, ich will endlich einen richtig guten Laden im Ort haben. Mit tileanischen, estalischen und bretonischen Mädchen. Diese dürren Weiber aus den Düsterlanden – diese Gespenster – verstehen es nicht, einem Mann das Bett zu wärmen.“
      „Ich weiß nicht, ob Rued darauf einen ein Einfluss hat.“
      „Dann soll er sich den nötigen Einfluss darauf verschaffen, verdammt! Er ist Ruedperth de Liboche, verflucht noch eins. Und ich will endlich mal wieder Mädchen aus dem Reikland – Mädchen, die verstehen, was man zu ihnen sagt.“
      „In Ordnung, Stabsfeldwebel – und jetzt sieh verdammt noch mal zu, dass du nüchtern wirst und deinen Körper wieder in Schwung bringst. Es fällt uns allen nicht leicht, das Schwert wieder in die Hand zu nehmen.“

      Und Oberfeldwebel Nikolaus Garter sollte der bestgekleidete Soldat am Antreteplatz sein. Wie aus dem Ei gepellt. Dass er sechs Stunden zuvor noch besoffen unter dem Tisch gelegen hatte, sah man ihm nicht an ...