Von Grollen, Bärten und spitzen Ohren

      Von Grollen, Bärten und spitzen Ohren

      Warek Eisenfeder saß in einer schlecht besuchten Taverne und blickte ausdruckslos in seinen halbleeren Humpen. Dies war ein ungewöhnlicher Ort für einen Zwerg, denn jene Taverne lag an einer kaum mehr genutzen Handelsstraße weit im Norden. Am Tisch vor ihm lag ein großes Buch mit schmucklosem Einband. Es bot dem Auge nicht viel Anreiz, doch war sein Inhalt trotzdem von großer Bedeutung. Das Schicksal tausender Zwergenleben waren mit diesem Buch verbunden, das wusste Warek nur zu gut.
      Er blickte zum Nebentisch. Seine fünf Begleiter saßen beim Würfeln und gröllen bei Gewinn und donnernden Flüche bei Verlust. Sie wurden ihm von seinem Herrn zur Seite gestellt. Jeder mit Axt und Schild, mit Panzer und Helm gerüstet. Keine gute Ausrüstung für den langen Marsch, doch unterstrich es die Wichtigkeit des Auftrags.
      Wareks Finger glitten über den ledernen Einband. Sie fuhren jeden einzelnen der Buchstaben nach. „Das Große Buch des Grolls“ prangte dort in kupferfarbenen Lettern. Nicht viele Zwerge schätzen die Macht von Feder, Tinte und Papier. Die meisten vertrauten alleine auf Axt und Panzer, aber schon bald würde jeder Zwerg wissen, dass dieses Buch mehr Tote bedeutete als jewede Axt.
      Trüb waren seine Gedanken schon seit dem Aufbruch. Im Gegensatz zu denen seiner Leibgarde, die johlten und lachten bei jeder Gelegenheit. Egal ob der tollpatschige Urek beim Marsch über eine Wurzel fiel oder der glücklose Teldric schon wieder seinen Sold den Würfeln opferte.
      Aber Warek bezweifelte, dass sie sich der Tragweite des Unternehmens bewusst waren. Für die Zwerge war es nur der Transport eines Buches, den es zu schützen galt. Ein einfacher Auftrag mit guter Entlohnung.
      „Ihr wirkt nicht bei so guter Laune wie eure Begleiter, werter Meister Zwerg“, sprach die Wirtin.
      Die Taverne gehörte einer Menschenfrau. Sie mochte nicht mehr die jüngste sein, doch hatte sie etwas ansehnliches. Ihren vollstandigen Namen kannte er nicht, sie wurde lediglich Rosi gerufen.
      „Schmeckt euch euer Trunk denn nicht?“, hakte sie nach.
      „Doch, werte Dame, nur ist es dieses Buch und seine Geschichte die auf mir lastet wie ein Amboss“, antwortete er.
      „Seine Geschichte? Nun das muss eine bedrückende sein, wenn es einen Zwerg vom Würfeln mit seiner Gesellschaft abhält.“
      „Wahrlich bedrückend.“
      „Erzählt sie mir! Leid wird gemildert, wenn man es mit jemandem teilt“, versprach Rosi.
      Warek blickte die Wirtin mit müden Augen an und wie er sie so betrachtete, wurden seine Gedanken wieder etwas freundlicher. Ihre Ausstrahlung hatte etwas so angenehmes an sich, das es seine Zunge lockerte.
      „Nun gut. Dann will ich euch von den Grollen erzählen.“

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