- Ein übertriebenes Ende -
Nachdem der Anführer der untoten Horde schwer verwundet das Schlachtfeld verlassen hatte war der Sieg nur noch eine Frage der Zeit. Wenn die Macht eines Vampirs ersteinmal gebrochen war konnten die verbliebenen Feinde mit Leichtigkeit überwältigt werden. Nacheinander zerfielen die nun ziellos umherirrenden Skelettkrieger, von der entsetzlichen Macht des Vampirs befreit, in Haufen harmloser Knochen und die eben noch in Richtung der Zwerge wankenden Zombies verließ der Todeshauch ihres Herrn und beendeten somit ihr erbärmliches Dasein in der Welt der Lebenden. Für Grungar und sein Regiment kam die Flucht des Vampirs gerade noch rechtzeitig. Zwar war es den Zwergen gelungen, den Ansturm der Untoten aufzuhalten, doch von Grungars ursprünglich erhofftem Durchbruch konnte in den letzten Zügen der Schlacht wahrlich nicht die Rede gewesen sein. Nachdem es für einen kurzen Moment den Anschein gehabt hatte, das es Grungar tatsächlich gelingen würde mit einer handvoll tapferer Zwerge die Reihen der Feinde zu durchbrechen, wurde jedoch schon im nächsten Augenblick das kleine bischen Hoffnung zunichte gemacht, als direkt vor Grungar und seinen Mannen unvermittelt nahezu hundert abscheuliche Zombies aus dem Boden gekrochen kamen. Trotz heftiger Gegenwehr seitens der Zwerge, wurden diese dennoch Schritt um Schritt in Richtung Mo Massiv zurückgedrängt. Als Grungar schließlich, vom Aufschrei eines entsetzten Zwergenkriegers begleitet, unter den unaufhörlichen Hieben mehrerer Skelettkrieger gleichzeitig zu Boden ging, kam unverhofft der Wendepunkt der Schlacht. Die verrostete Klinge eines Skelettkriegers, eben noch in tödlichem Streich geschwungen, hielt plötzlich mitten in der Bewegung inne, verharrte einen Augenblick in dieser unwirklich anmutenden Haltung und viel anschließend samt haltender Knochenhand in den morastigen Boden des Schlachtfeldes. Nachdem Grungar seine erste Überraschung und Verwunderung überwunden hatte sprang er erkennend und mit einem Lächeln auf dem Gesicht in die Höhe, nahm seine Axt nocheimal fest in beide Hände und stürmte voller Zuversicht in den letzten Abschnitt dieser unglückseeligen Schlacht. Grungar wußte nicht was geschehen war, doch irgendwie, darüber war er sich im klaren, mußte der General der feindlichen Armee in Bedrängnis geraten sein. Dies war die einzige Erklärung für das unerwartete Zerbrechen der Untoten Horde. Doch wer konnte das vollbracht haben? Alle Nahkampfstarken Einheiten dieser Armee befanden sich in seiner unmittelbaren Umgebung und der Rest mußte in weitaus größerer Bedrängis als er selber sein. Möglicherweise wurde der Untote General ja von einer dritten Partei in Rücken oder Flanke attackiert. Je mehr Grungar darüber nachdachte, umso rätselhafter und verworrener erschien ihm dieser letzte Akt der Schlacht. Vom unverhofften Sieg überwältigt und sich der kurzen Freude über das Ende der Schlacht hingebend, viel es ihm jedoch nicht schwer auf eine Erklärung zu warten. Er mußte sich einfach noch ein wenig gedulden. Nun galt es sich erst noch der verbliebenen Feinde anzunehmen und die Untote Saat vollständig aus dem Land der Zwerge zu vertreiben. Grungar vermutete, das dies nicht der letzte Übergriff dieser Art gewesen war und er hatte das unbestimmte Gefühl, Teil eines gerade erst begonnen, lang andauernden Krieges gewesen zu sein.
Nach einiger Zeit waren schließlich sämtliche Feinde erschlagen oder zumindest in alle Richtungen zerstreut. Nachdem die Opfer unter den Zwergen geborgen und vom Schlachtfeld getragen worden waren, entsandte Grungar noch vier Patrouillen, um sicher zu gehen, das auch wirklich alle Feinde erschlagen oder vertrieben wurden. Erst als sich Grungar aller Pflichten, die einem siegreichen Feldherrn obliegen, angenommen hatte, konnte er sich eine kurze aber wohl verdiente Pause gönnen. Der Tag war mittlereile schon weit vorangeschritten und die Sonne hatte ihren Kreis am Himmel beinahe vollendet. Erschöpft und müde legte Grungar seine große Kampfaxt beiseite und ließ sich auf einem kleinen, moosbewachsenen Findling nieder. Noch immer von der erbarmungslosen Schlacht ergriffen, schweifte sein Blick matt über das Tal unweit zu seinen Füßen. Es war ein verlustgeprägter, jedoch siegreicher Tag gewesen und allein das zählte. Viele gute und tapfere Zwergenkrieger hatten heute ihr Leben gelassen und würden bereits am Abend in den Hallen ihrer Väter sitzend auf alte Schlachten anstoßen. Ihr Opfer war jedoch nicht vergebens gewesen, beruhigte sich Grungar selbst. Sie hatten das Reich von Karak Mo vor einem schrecklichen Schicksal bewahrt und würden es jederzeit wieder tun. Langsam vor sich hin grübelnd kam Grungar schließlich wieder auf die Frage zurück, wer denn nun für das Brechen der Macht der Untoten verantwortlich war. Sicher, er und seine Krieger hatten einen Großteil zum Fortgang der Schlacht beigetragen, aber entschieden, das wußte Grungar, hatten sie sie nicht. Nachdenklich blickte er auf den kleinen Waldausläufer herab.
< Zählst du die erschlagenen Feinde? > erklang eine derbe Zwergenstimme hinter Grungars Rücken fragend.
< Na wenn das nicht Helge ist! > rief Grungar erkennend, sprang auf und drehte sich um. Vor ihm stand ein dreckiger, kleiner und äußerst rundlicher Zwerg mit einer Axt in der Hand.
< Wo hast du so lange gesteckt mein Freund > erwiederte Grungar erfreut.
< Ich mußte Detlef und seinem äußerst dreckigem Dutzend ein wenig unter die Arme greifen! > anwortete Helge mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht.
< Jetzt fängt der schon wieder damit an! > donnerte plötzlich eine dritte, Grungar wohl bekannte Stimme in der Dämmerung.
< Ich weiß doch Detlef, mein alter Freund. Laß es gut sein, ich bitte dich. Wollen wir lieber Grungar unserem Thain berichten, was sich dort unten am Waldrand zugetragen hat. >
Und so berichteten Helge und Detlef von den Ereignissen am Rande des Grünwaldes und Grungar konnte deren fantastische Geschichte kaum glauben. Niemals hätte er für möglich gehalten, was Detlef und seine Mannen vollbracht hatten und noch bis spät in die Nacht erzählten sich die drei alten Kampfkameraden ihre Erlebnisse der Schlacht. Es wurde ausgeschmückt und übertrieben und so mancher Schlag doppelt gezählt, aber das ist nun mal der Stoff aus dem die Helden sind.
Epilog
Es gab ein füchterliches Geräusch, als sich Lirasch das Wurfbeil dieses mistigen Zwergleins aus der Schulter zog und verächtlich zu Boden warf. Sofort rann Blut aus der Wunde und der Vampir drückte hastig seine ausgemergelte Hand auf den klaffenden Spalt in seinem untoten Fleisch. Lirasch war blind vor Wut und Zorn und der Schmerz steigerte seinen Hass noch ins Unermessliche. Wie konnte das nur passieren, fragte er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht. Wo kam dieser Zwerg mit seiner kleinen Bande nur so plötzlich her. Er war so überrascht gewesen, das er gar keine Zeit mehr gehabt hatte entsprechend zu reagieren. Lirsch hatte gerade damit begonnen, seinen Kreaturen den Befehl zu geben, die sich noch immer zur Wehr setzenden Zwerge im Zentrum der feindlichen Armee zu vernichten, als das Wurfbeil plötzlich wie aus dem Nichts vor seinem geistigen Auge aufgetaut war. Seine Vampirsinne, die er im Verlauf der letzten Jahrhunderte immer mehr verfeinert und verbessert hatte, warnten ihn erst in allerletzter Sekunde vor der herannahenden Gefahr. Einem normalsterblichen Wesen wäre der Kopf gespalten worden, doch Lirsch konnte mit einer für das bloße Auge kaum sichtbar schnellen Bewegung ausweichen und dem Beil ein weniger verletzliches Ziel bieten. Zu sehr war er mit der Anrufung des Nehek beschäftigt und zu stark war sein Wille auf das eigentliche Ziel gerichtet, sodaß er die Umgebung um sich herum vernachlässigte. Ein zweites Mal, das schwor sich Lirasch, würde er diesen Fehler nicht mehr begehen. Doch nun mußte er sich ein ruhiges Versteck suchen, um seine Wunden zu heilen und seine Kräfte zu regenerieren. Er würde die Zwerge dafür bestrafen, das sie sich ihm so unverholen zur Wehr gesetzt hatten. Er würde sie mit einem hundert Jahre währenden Krieg überziehen und alles Leben in weitem Umkreis auslöschen. Gnade würde er nicht walten lassen und Gefangene würde er keine nehmen. Die Zwerge sollen den heutigen Tag bereuen, auf das sie es nie wieder wagen, sich ihm zu widersetzen. Von dem Gedanken auf bevorstehende Triumphe und Siege beflügelt, machte sich Lirasch schließlich im Dunkel der Nacht auf, ein sicheres Versteck zu suchen. Der Spalt in seiner Schulter war bereits geschlossen und das blutige Rinnsal versiegt. Trotzdem würde er bald speißen müssen, dessen war er sich im klaren. Lirasch blickte sich verstohlen um. Er hatte Glück. Kaum hundert Schritte vor sich erkannte er ein Leuchten zwischen den traurig herabhängenden Ästen einer uralten Weide. Mit seinen scharfen, für die Nacht geschaffenen Augen konnte er zwischen den Bäumen hindurch, hinter schmutzigen, rußverschmierten Fenstern, Kerzenschein erkennen und der abendliche Wind trug ihm auf seinen Schwingen die Melodie von Stimmen entgegen. Es waren menschliche Stimmen. Sie sangen. Lirasch huschte ein Lächeln über das Gesicht und im nächsten Moment war er in den Schatten der Bäume verschwunden.