Kapitel zwei: Das Duell der Häuptlinge
Die zwei Orkbullen krachten ineinander wie Bisons, und das Geräusch des Aufpralls übertönte sogar ihre Kampfschreie. Ein Hieb folgte dem nächsten, die Opponenten verschwendeten keine Zeit auf Feinheiten wie parieren. Argannon versenkte seine Axt tief in der Schulter seines Gegners, der vor Schmerz aufbrüllte und Argannon einen Kopfstoß versetzte, der ihn ein paar Schritte zurücktaumeln ließ.
Argannon spuckte verächtlich schwarzes Blut auf den sandigen Steppenboden, wischte sich sein Maul ab und verzog das Gesicht. Nur seine ältesten Mitstreiter konnten diesen Gesichtsausdruck als Grinsen erkennen. Auch Korokhul, sein Gegner, hatte sich wieder gesammelt und schlug sich die Waffen gegen seine Brustpanzerung, und forderte Argannon wieder zum Angriff. Argannon brauchte keine weitere Aufforderung und stürmte mit erhobener Axt auf seinen Gegner zu.
Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis es zum Zweikampf der zwei Stammesführer gekommen war. Orks leben nur für den Kampf, und um zu führen. Ihre primitive Gesellschaftsordnung unterscheidet sich nur unwesentlich von beispielsweise einem Wolfsrudel. Die größten und stärksten unterwerfen die schwächeren und führen dann den Stamm. Wenn der Stamm erfolgreich ist und gedeiht, eckt er sehr bald mit den Orks aus dem angrenzenden Gebiet an, und die beiden Anführer stellen sich im Kampf, um ihren Führungsanspruch geltend zu machen. Der Verlierer muss dem überlegen Ork folgen, oder in die Verbannung gehen ? gesetzt den Fall, er überlebt das Duell.
Argannon war immer schon der größte Ork in seinem Stamm gewesen, und hatte sich schon in jungen Jahren immer an die Spitze seiner Gruppe gekämpft. Neben seinen überlegen körperlichen Eigenschaften war es vor allem aber seine angeborene, krude Intelligenz und völlige Skrupellosigkeit gewesen, die ihn an die Spitze der Vorgo?ra Rok gebracht hatte. Der Name des Stammes bedeutet soviel wie ?Schwarzhaut Fresser?, was einerseits auf die besonders dunkle Hautfarbe der Orks zurückgeht, andererseits auf den großen Anführer Bhorguk, der seine Herausforderer immer nach gewonnenem Kampf aufzufressen pflegte - gleich an Ort und Stelle. Bhorguk hatte seinen Stamm über Jahrzehnte geführt und entscheidend geprägt. Und Argannon war auf dem besten Wege, ein ebenso großer Anführer zu werden und sich ein kleines Reich hier am Fuße des Weltrandgebirges aufzubauen, eine Gegend, die von den Menschen gemieden und ?Wüste der Verdammten? genannt wurde. Hier gab es nur Orks. Korokhul hatte seine größten Tage schon hinter sich, er war immer noch stark und dominant, aber das Schlachtenglück hatte ihn in den letzen paar Jahren verlassen. Hinter seinem Rücken nannten ihn sogar manche seiner Männer sharku ? alter Mann. Er hatte diese Konfrontation mit Argannon gesucht, um seine Position im Stamm wieder zu festigen.
Argannon grunzte zufrieden, als ein weiterer heftiger Hieb seiner Axt seinen Gegner in die Knie zwang. Sein nächster Hieb traf Korokhuls Körper mit solcher Heftigkeit, dass er ihm fast den linken Arm vom Körper getrennt hätte. Argannon trat nach, Korokhul strauchelte. Nur ein mächtiger Hieb in die Seite von Argannon rettete Korokhul noch einmal seinen Kopf. Argannon spürte, dass ein paar seiner Rippen gebrochen waren, aber er ignorierte den Schmerz. Er konnte die Angst seines Gegners förmlich in der Luft schmecken.
Er setzte nach, sein erster Hieb wurde abgewendet, sein zweiter Hieb schlug Korokhul sein Beil aus der Hand, Argannon wusste in diesem Sekundenbruchteil, dass er gewonnen hatte, er holte aus zum finalen Schlag, der seinem Gegner den Schädel spalten würde, brachte seine Axt nach vorne, die Klinge traf die Gesichtsmaske seines Gegners genau in der Mitte, Argannon hatte wieder gesiegt! Argannon brüllte auf im Trium-
In Schmerz! In Überraschung! Korokhul kniete vor ihm und hielt sein Schwert fest, dass er Argannon tief in die Seite gerammt hatte, dort wo sein vorheriger Treffer die Rüstung schon geschwächt hatte. Mit einem Ruck zog er die Klinge aus Argannons Körper und verteilte somit dessen Innereien über den Wüstenboden. Argannon sackte wie vom Blitz getroffen zusammen. Beide Orkbullen knieten sich jetzt eine Armlänge entfernt gegenüber, und Argannon starrte seinen siegreichen Gegner entrückt an, mit aufgerissenen Augen und weit geöffnetem Mund. Er versuchte noch verzweifelt etwas zu sagen, doch es kam nicht mehr dazu. Er brach nach links zusammen und blieb im Sand liegen.
Korokhul erhob sich. Er blutete aus mehreren Wunden und konnte sich kaum auf den Beinen halten. Seine Gesichtsmaske hatte dem Schlag seines Gegners standgehalten und ihn umgelenkt, sodass Korokhul nur ein Ohr eingebüßt hatte, anstatt seines gesamten Schädels. Die Gesichtsmaske war immer Korokhuls ganzer Stolz gewesen, hatte er sie doch einst aus der Rüstung eines erschlagenen Zwergenadligen anfertigen lassen, den er persönlich im Nahkampf bezwungen hatte. Großer Jubel brach aus, und Korokhuls Hauptleute rannten auf ihn zu, um ihn zu feiern.
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?Wir ziehen aus. Morgen verlassen wir diese Gegend und suchen die Schlacht!?
?Wohin, Kriegsherr??
Wortlos warf Korokhul sein Schwert in die Höhe, und es stürzte wirbelnd wieder zu Boden. Als es auf der Erde aufgeschlagen war, zeigte die Spitze entlang den Bergen des Weltrandgebirges nach Norden. Korokhul streckte die Hand in diese Richtung.
?Dorthin.?