Yeah, Google-Bashing... das ist ja schon seit einiger Zeit sehr populär...
Ich weiß, es ist toll, so ein klares Feindbild zu haben, das macht vieles sehr viel einfacher, aber um den Tatsachen etwas mehr Rechnung zu tragen, werd ich hier mal für Google in die Bresche springen.
Die wesentlichen Punkte, die hier gerne übersehen werden:
1) die Chrome-Ankündigung war soweit ich weiß nicht geplant, sondern ist notgedrungen durch ein "Informationsleck" entstanden. Google hat aus der Not eine Tugend gemacht und den Hype gleich ausgenutzt, indem sie eine Betaversion zum Download bereitgestellt haben. Mit Marketing kennen sich die Leute offensichtlich aus. Nur offenbar war die Chrome-EULA zu diesem Zeitpunkt noch nicht geschrieben, und man hat der Einfachheit halber einfach die EULA verwendet, die alle Google-Services verwenden. Macht euch nicht lächerlich, jeder Analphabet sieht auf den ersten Blick, dass weite Teile der Lizenz für die anderen Google-Dienste gedacht sind und für einen Browser völlig unpassend sind. Einzig die extrem schwammige (Schnellschuss-) Formulierung, dass die open-source-lizenz die normale Lizenz "übertrumpft", scheint speziell für Chrome geschrieben zu sein, und zeigt in etwa die Richtung, in die die endgültige Lizenz wohl gehen mag.
2) Die "perpetual, irrevocable, worldwide, royalty-free, and non-exclusive license to reproduce, adapt, modify, translate, publish, publicly perform, publicly display and distribute any Content" ist offensichtlich für Sachen wie google documents, google video/youtube gedacht, wo so ein Passus eine rechtliche Notwendigkeit ist, weil einen sonst noch alle user verklagen würden, dass die von ihnen hochgeladenen Videos von Google illegal vervielfältigt/öffentlich aufgeführt/wasauchimmer werden würden, wenn sie von irgendjemandem anders angeschaut (oder gar heruntergeladen) werden. Und dass jemand diese Rechte nur geben kann, wenn er sie selber hat, ist eigentlich ziemlich klar. Wobei selbst das recht nutzerfreundlich aufgeweicht wird, etwa bei youtube, wo du Musiktracks (deren Rechte üblicherweise bei einer Plattenfirma liegen, nicht beim Videouploader) durch eine Sondervereinbarung von google mit verschiedenen Plattenlabels (was für google sicher nicht billig war) in eigenen Videos verwenden darfst.
3) So problematisch die ganze Landschaft der Aktienunternehmen mit ihrer ausschließlich profitorientierten Strategien heutzutage oft sind und auch Google den Gesetzen des Marktes folgt und Strategien verfolgt, mehr Gewinne zu machen - Google ist dabei insbesondere in Betracht der Größe der Firma verdammt noch mal einer der anständigsten Spieler in diesem Spiel. Chromes Quellcode ist komplett verfügbar, und jeder (wirklich jeder - inklusive Microsoft, Apple, Opera und der Mozilla Foundation - kurz den Konkurrenten am Browsermarkt) kann ihn nicht nur anschauen, sondern auch einfach für seine eigenen Projekte übernehmen, verändern und weiterentwickeln. Wer will, auch ohne diese Weiterentwicklungen wieder Google oder irgendwem zur Verfügung zu stellen. Und nicht etwa, weil sie durch die Verwendung der open-source-renderengine WebKit dazu gezwungen wäre, soweit ich dessen Lizenz nämlich verstehe, wäre es durchaus auch erlaubt, sie in einem closed-source-Projekt einzusetzen. (Vergleicht das mal mit einer Firma wie SonyBMG, die in ihrem vermeintlichen Kampf gegen "Raubkopien"/Urheberrechtsverletzungen selbst gewerblichen Urheberrechtsbetrug betreiben...)
(in diesem Punkt liegt auch meine persönliche Begeisterung - wobei ich das Wort "Begeisterung" nur im Sinne eines Zitats des Eingangsposts verwende, eigentlich wäre es etwas zu stark - für Chrome: nämlich, dass es einige ziemlich coole Features (z.B. resizen von Eingabefeldern, grad beim schreiben so langer Posts wie diesem hier sehr praktisch), tolle Implementierungsideen (z.B. die wirklich schnelle Javascript-Engine) hat und ich hoffe, dass die Mozilla Foundation einige davon übernehmen wird. Chrome selber werde ich wohl nicht verwenden)
4) die obigen beiden Punkte 2 und 3 führen mich übergangslos zu dem, was ich als die "wahren Intentionen" Googles jenseits paranoider Verschwörungstheorien bezeichnen würde. Nämlich ein prosperierendes, gut funktionierendes, freies Internet. Damit verdient der Konzern nämlich jetzt schon sehr gut, und je größer und toller das Internet als ganzes wird, desto mehr verdient Google. So einfach ist das. Deswegen wollen sie auch, dass auch andere Browser die ganzen guten Sachen an Chrome übernehmen, und keine Monopostellung bei Browsern auf Kosten der anderen erringen, deswegen fördern sie andere freie Softwareprojekte, greifen für ein Entgegenkommen zu den Nutzern durchaus tief in die Tasche (siehe den Schlusssatz von Absatz 2).
Google hat überhaupt kein Interesse daran, irgendwelche ungebührliche Ausbeutung irgendwelcher Nutzer zu betreiben. Das schadet dem Internet als ganzen und damit erst wieder Google selbst. Die versuchen vielmehr, alles zu tun, um Internetnutzung zu fördern. Vor diesem Hintergrund ist auch die Zensur in China zu sehen: besser so als gar nicht, die chinesischen Dissidenden werden sich schon zurechtfinden, genauso wie auch zu allen vergangenen Zeiten die kritischen Geister die Zensur umschiffen konnten.
Versteht mich nicht falsch, ich halte Google keineswegs für einen gemeinnützigen Verein oder sowas, aber von den großen Aktiengesellschaften dieser Welt ist Google sicher noch eine der anständigsten, und ich halte das Ausmaß an Flak, das sie ständig kassieren, für ziemlich unverhältnismäßig.
So, jetzt dürft ihr weiter bashen, wer Windows installiert und vorher die Windows-EULA gelesen hat, werfe den ersten Stein auf die (provisorische) EULA der Chrome-BETA.