Ferien im Paradies

    weiter gehts ....

    Der blaue Himmel raste durch sein Blickfeld, während das Pferd über Stein und Geröll hinwegsetzte und seinen Reiter auf seinem Rücken hin und her warf. Der schwere Ledersattel schlug schmerzhaft gegen Krügers Rücken. Nur mit größter Not gelang es ihm, die Zügel wieder zu fassen zu bekommen und sich im Sattel zu halten. Das am Zaumzeug festgezurrte Kettenschwert schmetterte gegen Krügers Schienbein.
    Unterdessen schlugen aus mindestens drei Waffen lange Feuerstöße auf die Männer im Steinbruch nieder. Krüger ? noch immer hin und her geworfen und um sein Gleichgewicht ringend ? sah ihre Mündungsblitze an den steilen Wänden des Steinbruchs aufflammen. Sie schienen aus dem Nichts zu kommen. Beim Imperator, wo waren die Orks?
    Iolaos bellte einen Befehl, während seine Männer um ihn herum schrieen und starben. Gerade erst hatte Krüger es geschafft, wieder aufrecht im Sattel zu sitzen zu kommen, da war der kalopulosische Hauptmann schon den steilen Weg aus dem Steinbruch heraus hinaufgeprescht, zwei seiner Männer bei ihm. Sie hielten dicht zusammen, ihre Lanzen vorgereckt, die Schilde eng am Körper. Ihre Kriegsschreie übertönten selbst den Donner der Orkwaffen.
    Krüger riss seine Boltpistole aus dem Holster und gab seinem Pferd die Sporen. Er musste aus dem Kessel des Steinbruchs heraus, oder er würde hier unten sterben, eine leichte Beute für die unsichtbar bleibenden Orks. Vor und hinter ihm starben Kalopulosi und Soldaten des Todeskorps im Kugelhagel, Rösser und Reiter wurden von großkalibrigen Projektilen zerrissen.
    Krüger feuerte eine Salve in Richtung der Mündungsblitze, ohne große Hoffnung, irgend etwas zu treffen. Die Antwort der Orks ließ Steinsplitter und Staub vor den Hufen seines Pferdes aufspritzen. Weitere Geschosse pfiffen nur um Millimeter an seinem Kopf vorbei. Es war ein Wunder, dass sie ihn nicht trafen.
    Das Pferd galoppierte weiter den Pfad hinauf, während Krüger auf seinem Rücken versuchte, ein Ziel für seine Boltgeschosse ausfindig zu machen. Weit über sich außer Sicht hörte er Iolaos brüllen.
    Krüger hatte das Ende des Pfades fast erreicht, als ein wuchtiger Stoß von der Seite sein Pferd umwarf und ihn aus dem Sattel schleuderte. Er kam mt dem Rücken zuerst auf den spitzen Steinen abseits des Weges auf, rollte von der Wucht des Aufpralls noch einige Meter über das Geröll und blieb dann liegen. Schmerz durchzuckte seinen gesamten Oberkörper, er spürte bereits das Blut der Wunden, die die scharfkantigen Felsen in seinen Rücken und seine Arme gerissen hatten. Doch trotz des Aufpralls war er noch bei Bewusstsein, Glieder und Sinne gehorchten ihm noch. Sofort versuchte er, wieder auf die Beine zu kommen.
    Er war waffenlos wie er erkannte, als er sich mühsam auf de Knie gestemmt hatte. Seine Pistole war irgendwo zwischen die Felsen geschleudert worden und sein Kettenschwert... Er wandte den Blick: Das Pferd lag tot auf dem Pfad, seine Seite aufgerissen. Blut aus der Wunde hatte das umliegende Geröll überspült.
    Krüger hielt den Atem an, als hinter dem Kadaver des Pferdes der gewaltige Schädel eines Orks auftauchte. Der Xenos grinste und enthüllte gewaltige, gelbliche Fänge. Auf seinem Kopf saß die Parodie eines Baretts der imperialen Gardisten, gefertigt aus lindgrünem Stoff und bestickt mit dem Symbol zweier sich kreuzender Äxte. Die Augen des Orks waren bedeckt von einer grob gefertigten Schutzbrille, deren linkes Glas einen gezackten Sprung aufwies.
    Langsam richtete sich der Ork weiter auf und trat mit einem Schritt über das Pferd hinweg. Um seine Schultern wehte ein steingrauer Umhang, aber was Krügers Blick im Moment fesselte, war die sperrige Feuerwaffe in den Menschenkopfgroßen Fäusten des Orks. Die Grünhaut trug eine gurtgespeiste Projektilwaffe, deren Kaliber wohl dem eines schweren Bolters gleichkam und die durch umfangreiche Basteleinen am Lauf und ein krude aufmontiertes Zielfernrohr zu einer Scharfschützenwaffe umgebaut worden war.
    Es widersprach allem, was Krüger je über die taktischen Doktrinen der Orks gehört hatte.
    Der Ork hörte nicht auf zu grinsen. Er tat einen weiteren Schritt auf Krüger zu. Der Boden knirschte unter seinen metallbeschlagenen Stiefeln.
    Krüger bückte sich langsam und nahm einen Stein auf. Das war nun alles, was er dem Xenos entgegensetzen konnte...
    Der Stein traf klatschend die Wange des Orks. Die Kreatur heulte gepeinigt, das aus der Platzwunde strömende dunkle Blut mit der Hand befühlend, dann fasste sie Krüger mit zusammengekniffen Augen ins Visier und hob die grobschlächtige Waffe, sodass Krüger in das weit aufgerissene, gähnende Loch der Mündung blickte.
    ?Hast ?nä schönä Unifoam, du Git!?, grunzte der Ork in einer widerwärtigen Parodie des imperialen Niedergotisch. Krüger hatte nie von Orks gehört, die die Sprache der Menschen überhaupt beherrschten. Offenbar hatte er für Orkverhältnisse einen wahren Intellektuellen vor sich.
    ?Hast ?nä schönä Unifoam, du Git!?, wiederholte der Ork, diesmal eindringlicher und sein Grunzen mit einem bedrohlichen Schwenken der Waffe unterstreichend.
    Krüger wog seine Möglichkeiten ab. Er hatte keine Waffe, einen weiteren Stein würde er unmöglich aufnehmen können, ohne von einer Salve der goßkalibrigen Waffe in Fetzen gerissen zu werden, und Flucht war auch keine Option. Auf diese Distanz konnte selbst ein Ork nicht danebenschießen. Die einzige Möglichkeit, die blieb, war ebenso unehrenhaft wie absurd.
    Langsam, um den Ork nicht zu einer tödlichen Überreaktion zu verleiten, hob Krüger die Hände über den Kopf. ?Ich bin Hauptmann Rolf Krüger vom 43. Regiment des Todeskorps von Krieg der Armee des heiligen Imperators der Menschheit.?, sagte er laut und deutlich.
    ?Ich bin Boss-Sergänt Grimnik vonnä Grien Bärätz! Unsa Kommandant is? da Obazt Körtzsnik!?, bellte der Ork. Er tippte erklärend mit dem Finger seiner Linken gegen das Abzeichen an seinem Barett. ?Wir sin? vom Klan vonnä Blood Axes. Du bis? getz mein Gefangäna, Git!?
    Der Ork fasste den Lauf seiner Waffe wieder und trat die letzten Schritte auf Krüger zu. Dunkelrotes Blut strömte noch immer seine Wange hinab, dort wo der Stein ihn getroffen hatte, doch der Xenos schien sich nicht mehr daran zu stören. Sein Maul zeigte bereits wieder das abartige Grinsen des siegreichen Orkkriegers.
    ?Hast ?nä schönä Unifoam, Git!?, knurrte der Ork wieder und presste die Mündung seier Waffe gegen Krügers Brust. ?Bist bästimmt hart, wa?! Aba ich bin härta!? Der Blick des Orks wanderte von Krügers gesicht hinunter zu seiner Brust.
    ?Waz dat?!?, fragte der Ork.
    Krüger senkte den Blick ebenfalls, obwohl er bereits wusste, was den Blick des Orks eingefangen hatte. Auf seiner Brust glänzte in auffälligem Rot die mit goldenen Symbolen verzierte Ehrennadel der Ekklesiarchie.



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    ?Gibbät mia!?, verlangte der Ork, aber noch bevor Krüger auch nur die Arme senken konnte, um seinem Befehl nachzukommen, hatte der Ork bereits die Auszeichnung von seiner Brust gerissen, einen beträchtlichen Teil des Stoffes ebenfalls herausreißend. Der Xenos grinste selbstzufrieden, schüttelte umständlich den Stofffetzen von der Nadel herunter und trieb sich die spitze Nadel anschließend ohne auch nur das geringste Anzeichen von Schmerz zu zeigen durch den rechten Flügel seiner platten, schweinerüsselartigen Nase. Stolz blitzte er Krüger aus den kleinen, listigen Augen hinter der Schutzbrille an.
    ?Na, Git, getz? siehstä?s selba! Ich bin da Härtästä!? Der ork packte Krüger am kragen des Uniformrocks und stieß ihn zurück auf den Pfad. ?Und du kommst getz? mit, da Obazt will dich bästimmt ma säh?n.?
    Krüger taumelte unter den Stößen des Orks, ließ sich aber den Pfad hinauftreiben. Sich in Gefangenschaft zu begeben war im Moment das Einzige, was er tun konnte, wollte er nicht einen ebenso sinnlosen wie einsamen Tod hier draußen sterben. Wenn er Glück hatte, waren Iolaos und einige seiner Männer den Orks entkommen und würden seine Kompanie benachrichtigen. Was dann kam, mochte der Imperator wissen, aber zumindest hatten die Männer dann einen Anhaltspunkt, wo sie mit der Suche nach dem Orklager beginnen konnten. Es konnte nicht weit vom Steinbruch entfernt liegen...
    Das Orklager bestand aus einem halben Dutzend Zelte, die sich ? durch Tarnnetze verdeckt und in olivgrünem Stoff gehalten ? fast unsichtbar an die Kuppen des Hügellands anschmiegten. Einzelne Orks in tarnfarbenen Lumpen oder Umhängen, wie auch Grimnik einen trug, bewegten sich zwischen den zelten, ihre Waffen bedrohlich vor sich hertragend. Sie stellten ein Sammelsurium erbeuteter imperialer Ausrüstung zur Schau, ergänzt durch ihre eigene, eigenwillige Interpretation militärischer Uniformierung. Ihnen allen gemeinsam waren aber die lindgrünen Barette mit dem Abzeichen der gekreuzten Äxte.
    Mit einem Tritt in die Kniekehle zwang Grimnik Krüger vor dem größten Zelt inmitten des Orklagers zu Boden. Krüger fiel und fing seinen Sturz mit den Händen ab, konnte aber nicht verhindern, dass er wie ein geschundenes Tier auf allen vieren kauerte. Bevor er auch nur den Versuch machen konnte, sich wieder zu erheben, spürte er die Waffe des Orkbosses im Rücken.
    ?Bessa du bleibst untän, Git!?, bellte Grimnik. ?Da Obazt hat?s nich gernä wänn Mänschenz ihn angucken tun!?
    In Krügers Blickfeld erschien ein Paar schwerer, lederner Stiefel, aus denen säulenartige Beine in einer waldtarngemusterten Hose ragten. Neben sich hörte Krüger Grimnik die Hacken zusammenschlagen. Beim Imperator, unter was für Orks war er nur geraten?!
    ?Warum guckta mich nich? an, der Git?!?, fragte die zu den Stiefeln gehörende Stimme. ?Er soll mich anguckän, Boss Sergänt!?
    Grimnik trat Krüger in die Seite, sodass er auf den Rücken geschleudert wurde und seine Rippen hörbar knackten. Krügers Mütze fiel vor ihm ins Gras. ?Guck da Obazt gäfälligst an, wenna mit dia spricht, Git!?, brüllte der Boss.
    Krüger beeilte sich, ungeachtet der Schmerzen auf die Beine zu kommen und vor dem Anführer der Orks zu salutieren. ?Hauptmann Krüger vom 43. Regiment des Todeskorps von Krieg.?, keuchte er.
    Der Obazt war ein wahrer Riese, selbst für einen Ork. Er musste beinahe drei Meter groß sein, und etwa halb so breit. Sein von oben auf Krüger herabstarrendes Gesicht war eine entsetzliche Fratze, die von Narben entstellt war und deren rechtes Auge eine krude bionische Prothese ersetzte, deren rotleuchtende Linse Krüger unbarmherzig fixierte. Aus dem Mundwinkel der Kreatur ragte zwischen gewaltigen Hauern hervor eine dicke, qualmende Zigarre, die aussah, als sei sie aus einer Mischung von Dung, Teer und altem Papier gedreht worden. Ein roter Umhang und eine ganze Galerie imperialer Orden auf der Brust des tarngefleckten Uniformrocks vervollständigten das verwegene Aussehen des Orkanführers.
    ?Äch wusstä nich, dass du einän Offizia gefangän has?, Grimnik.?, brummte der Obazt. ?Dat is nich die Art, wie man Offizierä behandeln tut! Nich in meinä Einheit, Grimnik!?
    ?Äz tut mia leid, Härr Obazt, Sör!?, erklärte Grimnik neben Krüger, offensichtlich ebenso verblüfft über Körtsniks Aussage wie Krüger selbst. ?Ich dachtä, weil er doch än Git is...?
    Krüger verstand Körtsniks Antwort nicht, weil der Obazt in die primitive Sprache der Orks verfiel, aber Grimnik zuckte unter dem Gebrüll seines Anführers so zusammen, dass nur eine zulässige Deutung blieb.
    ?Äch hab dat nich so gemeint, Härr Hauptmann!?, beeilte sich Grimnik an Krüger gewandt zu versichern, kaum dass Körtsnik zu brüllen aufgehört hatte. Der Boss riss sich die Ehrennadel der Ekklesiarchie aus dem Nasenflügel und stach sie behutsam durch die Brust der zerfetzten Überreste von Krügers Uniformrock. Seine gewaltige Pranke strich ungeschickt den grauen Stoff glatt, dann salutierte er noch einmal vor Körtsnik und beeilte sich, aus dem Sichtfeld des Obazt zu verschwinden.
    Körtsnik hob in der Andeutung eines Saluts seine Rechte an die Schläfe. ?Äz is ein Värgnügän für mich, sie bei uns zu habän, Hauptmann!?, blaffte er. ?Meinä Boyz vastäh?n da regelnz vonnäm zivilisatisiertäm Krieg manchma noch nich so ganz, aba dafüä gibt äz ja uns Offizierä, oda??
    Krüger beeilte sich zu nicken. Er hatte keine Ahnung, in was er hier geraten war, aber wenn er sich so verhielt, wie der Obazt es erwartete, so konnte er vielleicht lange genug leben, um aus seiner Situation etwas Positives machen zu können. ?Ich bin ganz ihrer Meinung, Herr Oberst.?, sagte er mit so viel Respekt in der Stimme, wie er angesichts des Bergs grünen Fleisches vor ihm aufzubringen vermochte.
    ?Wusstä äch doch gleich!?, sagte Körtsnik und sog zufrieden den Rauch seiner Zigarre ein. Seine gewaltige hand landete in einem freundschaftlichen Schlag, der fast Krügers Schlüsselbein zerschmetterte, auf der Schulter des imperialen hauptmanns. ?Gäh?n wia doch ins Zelt und unterhaltän uns da weita, Hauptmann.?
    Ohne Widerspruch auch nur zuzulassen zog Körtsnik Krüger mit sich.
    Das Innere des Zelts glich dem, was ein sechsjähriges Kind sich unter einem militärischen Kommandoposten vorstellen mochte. Ein gewaltiger Tisch in der Mitte war von mehreren auf schmutzigem Papier grob und nicht maßstabsgetreu gezeichneten Karten bedeckt, die wohl nebeneinandergelegt einen Überblick über die Oberfläche von Kalopulos III vermitteln sollten. Über die Karten waren Patronenhülsen, Orkzähne und Schrauben verteilt, die eigene und feindliche Positionen markieren mochten.



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    Bis auf einige wenig stabil aussehende Hocker war das Zelt ansonsten leer. Krüger und Körtzsnik waren allein.
    ?Sähn sä sich daz an, Hauptmann!?, forderte Körtzsnik Krüger auf und zog ihn hinüber zum Kartentisch. ?Hia?, bedeutete er mit einem weit ausholenden Schwung der Zigarre über die willkürlich auf der Karte verteilten Zähne, ?hia sin? meinä Kommandoz. Da ganzä Gägänd ham wa infiltratriert, un? da Pfärdägitzä ham?s ga näch bämerkt.?
    Körtzsnik klopfte zufrieden mit dem Zeigefinger seine Zigarre über der Karte ab, heiße Asche rieselte auf das Papier hinunter. Er schien sich nicht an den dadurch entstehenden Brandlöchern zu stören.
    ?Taktik?, dozierte Körtzsnik weiter, ?Taktik is da Wäg zum Siäg! Hab äch nich Rächt, Hauptmann?!?
    ?Natürlich, Herr Oberst.?, bestätigte Krüger.
    Körtzsnik stapfte um den Tisch herum, bis er Krüger gegenüberstand. Lässig drückte der Obazt seine Zigarre auf einer Ecke der taktischen Karte aus. Mit einem Schnippen seines klauenbewehrten Zeigefingers ließ er den Stummel unter dem Tisch verschwinden. ?Sähn sä, Hauptmann, da Pfärdägitzä vastähn nix vonnä richtigän Taktik. Sä wissän dat, un? ich weiß dat auch! Getz? wo da Impärialä Armä hier is?, sieht da Sachä ätwas andaz aus. Ihr Gitzä wisst, wie man kämpfän tut.?
    ?Ich bedanke mich für das Kompliment, Herr Oberst.?, sagte Krüger.
    Körtzsnik winkte ab. ?Da nich füa, Hauptmann. Aba mich intäressiat wat sie von diesäm Krieg halten, so als Offizia!? Er deutete auf die Ehrennadel an Krügers Uniform. ?Sicha ha?m sä dat da nich für?s Rumsitzän gekriegt!?
    ?Nun?, begann Krüger, ?ich kann diesen Krieg als Ganzes nicht kommentieren, Herr Oberst. Ich führe Befehle aus, so wie es jeder gute Soldat des Imperiums tut. Die Beurteilung der Gesamtlage obliegt dem Oberkommando. Wenn sie allerdings an meiner persönlichen Einschätzung der Kalopulosi interessiert sind, so halte ich sie für rückständig und unkooperativ.?
    ?Ja!?, bestätigte Körtzsnik, ?Ja! Dat is genau, wat ich imma sagä. Aba vielä Waaaghbossä woll?n nich akzeptieren, dat ein ganz neues Millänium angebrochen is?. Wia können nich imma nur mit Gemoschä Git gegen Git gewinnän!? Körtzsniks gewaltige Faust schlug auf den Tisch. ?Aba keina will wat vonnä notwendigän Räformenz hörän.?
    ?Ihr Oberkommando teilt ihre Auffassungen nicht, Herr Oberst??, fragte Krüger, während sein Blick suchend durchs Zelt glitt. Es musste doch irgendeine Gelegenheit für ihn geben, diesen offensichtlich wahnsinnigen Orks zu entkommen. Er durfte sie einfach nicht übersehen! Was er durch Körtzsniks selbstherrliche Reden hatte in Erfahrung bringen können, war so wichtig, als dass es die imperialen Linien erreichen musste.
    ?Moschän, imma woll?n sä nur moschän...?, murmelte Körtzsnik. ?Mach dat, Körtzsnik, mach dat, tu nich die Mänschenz kopierän! Dat sagen sä ständig, wenn ich sä übazeugen will...?
    Krüger straffte seine Haltung und verdrehte die Augen. Es würde noch ein langer Tag werden...
    Hauptgefreiter Kruppke hatte auf einer Pferdekoppel einen waschechten Übungsschießstand improvisiert. An einem Ende des gut zweihundert Meter langen Areals hatten er und die Männer seines Unterstützungstrupps drei schwere Bolter aus den Lagerbeständen der Kalopulosi aufgebaut, am anderen Ende simulierte Ziele aus Strohballen und Jutesäcken. Eine Gruppe verschüchtert aussehender Einheimischer in mehr oder minder ärmlicher Kleidung drängte sich im Kreis um Kruppke, der mit deutlicher Stimme und untermalenden Gesten Handhabung und Wartung eines schweren Bolters erläuterte.
    Haller hatte es sich auf dem Begrenzungszaun der Koppel bequem gemacht, in der einen Hand einen Rationsriegel, in der anderen einen Becher heißen Kaffees. Sein Zug benötigte seine Anwesenheit im Moment nicht, die Männer kamen bei der Pflege ihrer Ausrüstung gut allein zurecht. Hier, abseits des Landsitzes, hatte Haller für einige Minuten seine Ruhe vor den beiden anderen Leutnants der Kompanie, und ganz besonders vor dem ehrgeizigen Kommissar-Kadetten.
    Kruppke ließ sechs der Einheimischen jeweils zu zweit Position an den schweren Boltern beziehen. Die Zivilisten hatten sichtliche Mühe, die schweren Waffen überhaupt in Anschlag zu bringen, geschweige denn, sie in erfolgversprechender Weise auf das Ziel auszurichten. Einen weiteren Bissen von seinem Rationsriegel nehmend bedauerte Haller, dass es nicht möglich war, die Kalopulosi an benutzerfreundlicheren Waffen auszubilden. Ein Dreibein unter den schweren Boltern hätte die Küchenmägde und Stallburschen zumindest von der Anstrengung entbunden, im Liegen mit eigener Körperkraft die Waffe in Balance zu halten.
    Die ersten Schüsse donnerten über den Platz. Kruppke ließ die Kalopulosi zur Eingewöhnung einzelne Patronen abfeuern, anstatt die Munition schon jetzt durch Dauerfeuer zu verschwenden. Der brutale Rückstoß wirkte sich merklich auf die Präzision der ungeübten Schützen aus, aber alles in allem schien die eilige Ausbildung schon jetzt Ergebnisse hervorzubringen. Etwa jeder dritte Schuss traf eins der menschengroßen Ziele und wirbelte Strohhalme und Stofffetzen auf.
    Zufrieden drückte Haller die leere Verpackung des Rationsriegels in der Rechten zusammen, leises Surren untermalte die Bewegungen seiner Handprothese. Der Leutnant ließ sich vom Zaun heruntergleiten, steckte die zerknüllte Folie in die Tasche und ging zum Schießstand herüber.
    Kruppke stand hochaufgerichtet zwischen den schießenden Kalopulosi, die Fäuste in die Seiten gestemmt. Er begrüßte Haller mit einem Nicken anstelle des eigentlich angemessenen Saluts. Haller nahm es ihm nicht übel: Vor nicht allzu langer Zeit, noch in den Schützengräben von Myrmillio III, war es Haller gewesen, der vor Kruppke hätte salutieren müssen. Der alte Hauptgefreite war ein zu guter und erfahrener Soldat, als dass Haller sich hätte anmaßen können, auf der Respektsbezeugung zu bestehen.
    ?Sie kommen voran, wie ich sehe, Kruppke.?, stellte Haller fest, auch wenn es mehr ein Kompliment als das Fazit einer Inspektion durch einen Offizier war.
    ?Ja, Sir.?, bestätigte Kruppke. ?Die Waffen sind in gutem Zustand, und unsere neuen Rekruten scheinen mir durchaus lernwillig zu sein. Möchten sie...?
    Kruppke wurde durch das Bellen eines Schusses unterbrochen. Er wartete auch den nächsten ab, bevor er weitersprach. ?Möchten sie vielleicht selbst einmal einen Schuss abgeben, Sir??



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    Kruppke machte schon Anstalten, zwei der Kalopulosi von ihrem schweren Bolter fortzuwinken, doch Haller gebot ihm mit einem Abwinken innezuhalten. ?Die Ausbildung dieser Leute geht vor, Hauptgefreiter. Nebenbei bemerkt war ich nie ein sonderlich guter Schütze, woran auch ihre Ausbildung nichts ändern konnte, wie sie vielleicht noch wissen.?
    Es stimmte, was Haller da sagte. Nur zu gut erinnerte er sich noch an das Übungsschießen an den schweren Waffen, das Kruppke als leitender Ausbilder beaufsichtigt hatte, und an die miserablen Ergebnisse, die der junge Gefreite erzielt hatte. Alles, was schwerer als ein Lasergewehr war, war in Hallers Händen nie zu einer echten Gefahr für den Feind geworden. An Kruppkes Nicken sah Haller, dass auch der alte Hauptgefreite sich an diese Tage erinnerte.
    ?Nun, Sir, ich habe einige Lasergewehre hier.?, setzte Kruppke an. ?Vielleicht möchten sie den Rekruten demonstrieren, wie man damit umgeht.?
    Haller nickte. In Kruppkes Augen blitzte es verschwörerisch.
    Haller nahm das ihm gereichte Gewehr und wog es prüfend in seiner verbliebenen organischen Hand. Die Waffe war schwerer und sperriger als die Standardkarabiner des Todeskorps, mit fester Schulterstütze und verstärkter Verkleidung. Es war eine der robusten, auf Kantrael hergestellten Waffen, die vor allem für den Einsatz aus befestigten Stellungen heraus konzipiert waren, nicht für das Gewühl des Nahkampfs, in dem es mehr auf Handlichkeit ankam. Haller legte die Waffe an der Schulter an, blickte prüfend durch die Zielhilfe und schaltete die Waffe auf Halbautomatik. Das Gewehr summte leise, als die Energiezellen ihre Ladung auf den Feuermechanismus übertrugen.
    Hallers Hände und Augen arbeiteten in perfektem Einklang. Er mochte kein guter Schütze am schweren Bolter sein, aber die Kämpfe, die er als gewöhnlicher Infanterist in unübersichtlichem Gelände durchgestanden hatte, hatten ihn schnell und genau mit einem Lasergewehr schießen gelehrt. Ohne den Blick auch nur einmal von der Zielhilfe über dem Lauf zu heben setzte er nacheinander in jedes der improvisierten Ziele einen Laserimpuls. Wo seine Schüsse auftrafen, begann das Stroh zu schwelen.
    Gelassen setzte er das Gewehr wieder ab und gab es Kruppke zurück. Um sie herum hatte sich eine Traube staunender Kalopulosi gebildet.
    Das Donnern beschlagener Hufe auf dem gepflasterten Weg ließ Haller aus dem dösenden Halbschlaf aufschrecken, den er an einen Pfosten des Begrenzungszauns gelehnt genossen hatte. Als er die Augen geöffnet und sich seine Sicht einigermaßen geklärt hatte, war der Reiter schon fast am gut hundert Meter entfernten Tor zum Landsitz angelangt.
    Es war Hauptmann Iolaos, wie Haller am wehenden Federbausch auf dem geschwungenen Helm des Reiters mit einiger Verzögerung erkannte. Aber warum beim Imperator kehrte der einheimische Hauptmann allein zurück? Haller stemmte sich kopfschüttelnd hoch und lief ihm nach.
    Wie lange hatte er geschlafen, fragte er sich während des Laufens. Die Sonne hatte ihren Zenit schon überschritten, und von Kruppke und seinen Rekruten war auf der Koppel nichts mehr zu sehen. Leise verfluchte Haller sich selbst dafür, als gemeiner Soldat in den Gräben von Myrmillio III das Schlafen unter Feindbeschuss erlernt zu haben. Es stellte sich abseits des Schlachtfelds als äußerst lästige Angewohnheit heraus, einen solch festen Schlaf zu haben.
    Er schob den kalopulosischen Wächter am Tor einfach beiseite, als dieser ihm in den Weg treten wollte. Haller hatte nicht viel für die einheimischen Krieger übrig, und er hatte auch keine Lust, mit einem von ihnen darüber zu diskutieren, ob er das Gelände wieder betreten dürfte. Im Laufe des Morgens hatte er mehrmals die Erfahrung gemacht, dass er oder Männer seines Zuges von den Einheimischen belästigt oder behindert wurden, wenn sie sich von den Hauptgebäuden entfernten. Zunächst hatte er den Kalopulosi angesichts ihrer Speere und Schwerter noch einen gewissen Respekt zugebilligt, inzwischen ignorierte er ihre armseligen Versuche der Schikane einfach. Der erste, der es wagen würde, seine Waffe gegen ihn zu erheben, würde Bekanntschaft mit seiner bionischen Prothese machen.
    Als Haller den Hof des Landsitzes erreichte, hatte sich um Iolaos auf seinem Pferd bereits ein Auflauf von Soldaten des Todeskorps und einheimischer Krieger gebildet.Die Männer redeten wild durcheinander, während Iolaos, den Helm unter den Arm geklemmt und auf merkwürdig gekrümmte Weise im Sattel sitzend, versuchte, sich mit lauter Stimme Gehör zu verschaffen.
    Haller drängte sich durch die Männer an das Pferd des Hauptmanns heran. Als er näher kam sah er, dass das Tier aus mehreren Wunden blutete.
    ?Sie sind alle tot!?, hörte er Iolaos schließlich mit rauer Stimme brüllen. ?Die Grünhäute haben sie geholt! Den Hauptmann Krüger und meine Männer! Sie sind alle tot!?
    Haller ergriff Iolaos an den kurzen Beinkleidern seiner Rüstung, um den Kalopulosi auf sich aufmerksam zu machen. In seiner Errgeung riss er den Hauptmann damit fast aus dem Sattel. ?Was ist mit Krüger?!?, brülte er den Einheimischen an.
    ?Er ist tot, leutnant!?, schire Iolaos zurück, bemüht, im Sattel seine Balance zu halten. ?Das ist kein Krieg für euch schwache Außenweltler. Eure Hauptmann hat diese Erkenntnis mit dem leben bezahlen müssen!?
    ?Habt ihr Krüger fallen sehen??, bellte Haller unbeeindruckt. Der Hauptmann konnte einfach nicht tot sein. Er war ein zu guter Kämpfer, als dass er den Orks zum Opfer fallen könnte und jemand wie Iolaos ihnen entkommen würde.
    ?Nein. Aber er muss tot sein, kein Mann kann diesen Hinterhalt überlebt haben? Iolaos betastete seine Seite, und als er seine Hand wieder hob, war sie voller Blut. ?Ich selbst entkam nur schwer verwundet, und ich bin geritten, als seien alle Dämonen des Warp hinter mir her. Einem ungeübten Reiter wie eruem Hauptmann kann das nicht gelungen sein.?
    ?Wo ist das passiert, Iolaos??
    ?Am Steinbruch unserer Lady, gute drei Stunden von hier. Zu Pferde.?
    Plötzlich stand Leutnant Strauß neben Haller. Er salutierte vor Iolaos, dann fasste er Haller an der Schulter. ?Ich übernehme mit sofortiger Wirkung das Kommando über die Kompanie, Leutnant Haller.?, verkündete. ?Sammeln sie ihre Männer und lassen sie sie in voller Ausrüstung auf dem Hof antreten, so schnell wie möglich.?



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    ?Sie übernehmen hier gar nichts, Strauß.?, sagte Haller so ruhig wie möglich. Gelassen ergriff er Strauß Hand auf seiner Schulter und streifte sie ab. Mit entschlossenem Blick fixierte er den jungen Leutnant inmitten des Gedränges.
    ?Meine Abstammung und Ausbildung lassen mich zur natürlichen Wahl für diese Aufgabe werden, Leutnant!?, brachte Strauß hervor. ?Ich verbitte mir weitere Unverschämtheiten und erwarte, dass sie meinen Anweisungen folge leisten.?
    Haller sah an Strauß Blick, dass der gelackte Leutnant seine Niederlage bereits vor Augen hatte. Man konnte sehen, dass er wusste, dass Haller ihm gegenüber nicht klein beigeben würde.
    ?Ich für meinen Teil werde meine Männer sammeln, Leutnant, aber nicht, um ihren Anordnungen folge zu leisten.?, erklärte Haller. ?Ich werde mit meinem Zug aufbrechen, um Hauptmann Krüger zu suchen. Es ist wahrscheinlich, dass der Hauptmann noch am leben ist und unserer Hilfe bedarf.?
    ?Das ist doch lächerlich, Haller! Sie werden nichts dergleichen tun.?
    Haller begann zu grinsen. ?Wollen sie mich daran hindern, Leutnant Strauß?? Er gab sich Mühe, Strauß Rang so übertrieben wie möglich zu betonen. Gleichzeitig ballte er provozierend die bionische Prothese zur Faust.
    Strauß geriet außer sich und richtete anklagend den Zeigefinger auf Haller. ?Kommissar van Bent wird davon erfahren!?, drohte er.
    Haler lachte und zuckte mit den Schultern. ?Bitte, Leutnant, ich werde gleich selbst zu ihm gehen und ihm von ihrer heldenhaften Übernahme des Kommandos berichten. Sicher teilt er ihre Ansicht über die Qualifikation der verbliebenen Offiziere...?
    Ohne ein weiteres Wort drehte sich Haller um und ging davon, einen ebenso ratlos wie zornig aussehenden adligen Leutnant inmitten einer Gruppe verwirrter Soldaten zurücklassend.
    Haller fand van Bent hinter den Ställen. Der Kommissar-Kadett kniete versteckt hinter einem Stapel Heuballen und übergab sich unter lautem Würgen. Er bemerkte Haller nicht, selbst dann nicht, als dieser nur noch wenige Schritte von ihm entfernt stehenblieb.
    Haller räusperte sich gedämpft, als van Bent die letzten Krämpfe seines rebellischen Magens überstanden zu haben schien und schnaufend und keuchend auf die Lache vor sich starrte. Haller salutierte anstandshalber, als der Kommissar-Kadett den Kopf wandte und ihn aus glasigen Augen ansah, trübe Speichelfäden von seinem Mund herabhängend.
    ?Es tut mir leid, sie stören zu müssen, Sir.?, sagte Haller gedämpft. ?Es gibt üble Neuigkeiten, die ihrer fachkundigen Beurteilung als Kommissar bedürfen. Hauptmann Krüger wird im Einsatz vermisst, Sir.?
    ?Krüger...??, fragte van Bent verständnislos.
    ?Der Hauptmann und seine Begleiter gerieten in einen Hinterhalt, Sir. Hauptmann Iolaos von der einheimischen Garde entkam den Orks als einziger. Über Hauptmann Krügers Verbleib ist nichts bekannt, auch wenn Iolaos vermutet, dass er gefallen ist.?
    Van Bent stemmte sich mühsam hoch. Sein Gesicht nahm eine leichenhafte Blässe an. ?Ich...?, murmelte er, ?Ich hätte bei Krüger sein sollen...?
    Haller sah ihn straucheln und war bei ihm, bevor er zusammenbrechen konnte. Mit beiden Armen hielt er den jungen Kommissar aufrecht. Van Bents Hände suchten kraftlos nach halt am glatten Stoff von Hallers Uniformrock.
    ?Ruhig, Sir.?, mahnte Haller. ?Übernehmen sie sich nicht.?
    ?Leutnant, lassen sie mich...?, forderte Van Bent murmelnd, sank dabei aber trotz Hallers Bemühungen, ihn aufrecht zu halten, immer mehr in sich zusammen. ?Es ist nicht... ist nicht...?
    Haller ließ van Bent so sanft wie möglich auf den Boden sinken, brachte ihn in die stabile Seitenlage, wie er es in der grundlegenden Sanitätsausbildung gelernt hatte, und beugte sich über den jungen Kommissar. Still verfluchte er sein Schicksal, dass ihn mit einer Schwierigkeit nach der anderen schlug, dann bemühte er sich, mit sanften Schlägen seiner linken die Aufmerksamkeit van Bents auf sich zu lenken. Die momentane Situation war zu kritisch, als dass der Kommissar-Kadett das Bewusstsein verlieren durfte. Haller hätte ihn notfalls bis auf den Hof des Landsitzes getragen, wenn er damit nur erreichen würde, dass Strauß seinen persönlichen Triumph nicht bekam.
    ?Hören sie mich, Sir??, fragte Haller eindringlich. ?Können sie mich verstehen??
    Van Bent brachte ein schwaches, erstickt klingendes ?ja? hervor, bevor er sich erneut unter mitleiderregendem Würgen übergab. Er zitterte wie ein sich fürchtendes Kind in Hallers Armen, als der Leutnant ihn stützte.
    ?Sir, ich bedaure, sie so bedrängen zu müssen, aber es ist wichtig. Leutnant Strauß ist der Ansicht, er hätte nun das Kommando über die Kompanie. Er verbietet mir, mit meinem Zug die Suche nach Hauptmann Krüger aufzunehmen.?
    Van Bent sah Haller verständnislos an. ?Strauß...?, murmelte er. ?Er kann nicht... Er... darf nicht.?
    Haller nickte. ?Ja, Sir. Aber wenn sie es ihm nicht sagen, wird er es nicht akzeptieren.?. Er zögerte, bevor er schlussendlich fragte: ?Meinen sie, sie können aufstehen, Sir? Ich helfe ihnen, aber sie müssen es einfach schaffen. Wir brauchen sie, Sir. Die Kompanie braucht sie.?
    Van Bent nickte schwach. Seine Hand griff nach Hallers.
    ?Leutnant...?, flüsterte er. ?Leutnant, erzählen sie niemandem davon!?
    Haller erwiderte den Druck der zittrigen Hand van Bents, dann schob er seine Arme unter die Achseln des Kommissar-Kadetten und zog ihn langsam in die Höhe, wobei er unablässig beruhigend auf den nur wenige Jahre jüngeren Mann einredete. Als sie schließlich aufrecht dastanden, Haller noch immer mit um van Bent gelegten Armen, blinzelte van Bent ihm fast verschwörerisch zu.
    ?Natürlich, Leutnant?, keuchte er, ?werde auch ich niemandem davon erzählen.?
    Als van Bent auf den Hof trat und mit entschlossener Stimme nach Strauß rief, musste selbst Haller die Selbstdisziplin des jungen Kommissar-Kadetten anerkennen. Van Bents Gang war so sicher, als hätte sein kaum fünf Minuten zurückliegender Schwächenanfall nie stattgefunden, und sein Rufen klang nicht nach der Stimme eines Mannes, der sich übergeben hatte, bis nur noch Galle aus seinen gemarterten Eingeweiden kam. Er war noch immer blass wie der Tod, aber in Kombination mit seinem dunklen Mantel und der bedrohlichen Entschlossenheit seines Auftretens wirkte dies eher einschüchternd als wie ein Zeichen von Schwäche.



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    Haller hielt sich im Hintergrund, als Strauß angelaufen kam und so zackig vor dem Kommissar-Kadetten salutierte, als sei ihm soeben mitgeteilt worden, dass er die Abschlussprüfung der Offiziersakademie bestanden hatte. Ganz offensichtlich sah der adlige Leutnant seine große Stunde gekommen. Jeder Mann in der Kompanie wusste, dass seine Ambitionen auf Krügers Posten abzielten, und nun, da der Hauptmann vermisst wurde, war die Versuchung für Strauß nur zu groß, seine gierigen Hände nach dem so lange herbeigesehnten auszustrecken.
    ?Nicht in diesem Leben, Strauß.?, murmelte Haller.
    ?Leutnant Strauß?, begann van Bent, ?wie ich höre, wird Hauptmann Krüger vermisst??
    ?Ja, Sir.?, entgegnete Strauß mit einer so betroffen wirkenden Miene, dass Haller ihm am liebsten auf der Stelle den Schädel eingeschlagen hätte. Der Leutnant mochte von Adel sein, aber er log und buckelte wie der niederste Makropolabschaum. ?Ich habe das Kommando über die Kompanie übernommen, Sir. Die Männer brauchen entschlossene Führung, Sir.?
    ?Deshalb bin ich hier, Leutnant.?, erklärte van Bent. ?Man hat mir zugetragen, dass sie das Kommando übernommen haben, obwohl ein gleichrangiger Offizier Einwände dagegen hatte.?
    Strauß Seitenblick traf Haller mit unverhohlenem Hass, aber zumindest seine Stimme hatte der Leutnant noch immer meisterhaft unter Kontrolle. ?Sir, mit Verlaub, Leutnant Haller ist in dieser Frage nicht als gleichrangig mit mir zu betrachten. Der Leutnant hat noch nicht einmal die Ausbildung der imperialen Offiziersakademie auf Krieg absolviert. Er war gewöhnlicher Soldat der Infanterie. Ich sehe nicht ein, warum er über das entscheiden sollte, was ich zu tun und zu lassen habe, Sir.?
    Van Bent strich in einer unerträglich beiläufigen Bewegung die rechte Front seines Mantels zurück, sodass Strauß Blick auf die Laserpistole in ihrem verzierten Holster am Gürtel des Kommissar-Kadetten fallen musste. ?In dieser Frage, Leutnant, halte ich als Kommissar mich für kompetenter im Umgang mit den imperialen Statuten als sie. Leutnant Hallers Kampferfahrung wiegt ihre Akademieausbildung in meinen Augen auf. Zur Benennung eines Vertreters für die zeit, in der die Kompanie ohne Hauptmann Krügers Führung auskommen muss, ist aufgrund dieser Gleichwertigkeit eine Inbetrachtziehung des Dienstalters angebracht. Ich ernenne mit sofortiger Wirkung Leutnant Fahrenhorst zum vorübergehenden befehlshabenden Offizier.?
    Strauß entglitten nun doch die Gesichtszüge. Er ballte die Fäuste an der Hosennaht. ?Sie... Sie können das nicht tun, Sir!?, rief er aus.
    Van Bent ließ den Mantel zurückfallen und richtete den behandschuhten Zeigefinger der Rechten auf Strauß. ?Ich kann, Leutnant. Ich verweise sie hiermit ausdrücklich auf das Kapitel ?Befehlshierarchie? der Tactica Imperialis, genauer gesagt auf Paragraph sieben, Absatz drei. In exaktem Wortlaut heißt es dort: ?Ist aus irgendeinem Grund die aus einem Ausfall eines Gliedes der Befehlskette folgende Neuverteilung der Befehlsgewalt nicht durch einvernehmliche Beratung der im Rang nachfolgenden Offiziere aufzuklären, so entscheidet das Dienstalter der in Frage kommenden Offiziere über die vorübergehende Neubesetzung des Postens.??. Van Bent hielt einen Moment inne, um den Blick zu Haller zu wenden, dann fuhr er, wieder an Strauß gewandt fort: ?Mir scheint, Leutnant, dass ihre Akademieausbildung nicht im gewünschten Maße positiv auf sie gewirkt hat. Sie können wegtreten.?
    Strauß wandte sich auf dem Absatz um und stampfte davon, jede Ehrenbezeugung vergessend oder absichtlich auslassend. Haller trat an van Bent heran. ?Und nun, Sir??, fragte er. ?Leutnant Fahrenhorst weiß noch nichts von seinem Glück.?
    Van Bent wischte sich mit dem Handschuh den Schweiß von der blassen Stirn. ?Lassen sie mich für einen Augenblick ausruhen, Leutnant, dann werde ich mit ihnen zu Fahrenhorst gehen und dafür sorgen, dass sie Hauptmann Krüger suchen gehen können, zusammen mit ihrem gesamten Zug.?, sagte er.
    Haller ergriff aus spontaner Dankbarkeit heraus van Bents Hand und drückte sie. ?Ich danke ihnen, Sir. Hauptmann Krüger wird davon erfahren, wie sehr sie sich heute engagiert haben, sollten wir ihn finden. Wenn nicht, werde ich es Kommissar Streesen persönlich berichten.?
    ?Ich... Ich tue doch nur meine Pflicht, Leutnant.?, murmelte van Bent und blickte betreten zu Boden. ?Noch nicht einmal sonderlich gut, wie mir scheint.?
    Schlaflos wälzte sich Krüger auf den stinkenden, verfilzten Decken herum, die ihm die Orks als Nachtlager überlassen hatten. Er hatte die zweifelhafte Ehre, die Nacht in Körtzsniks Kommandozelt zu verbringen, in direkter Nachbarschaft zum Kartentisch, was bedeutete, dass er auch die Dinge zu sehen bekam, die unter dem Tisch lagen. Er wäre ein weitaus glücklicherer Mensch gewesen, wäre ihm zumindest dieser Einblick in die orkischen Vorstellungen von Sauberkeit und Ordnung erspart geblieben.
    Dort unter dem Tisch hatte sich alles angesammelt, was Körtzsnik und seine Orks in den langen ?taktischen Sitzungen?, an denen Krüger an diesem Tag hatte teilnehmen müssen, hatten fallen lassen. Essensreste mischten sich mit zerknülltem Papier und anderen, in ihrer Undefinierbarkeit weitaus unappetitlicheren Dingen.
    Eine Gelegenheit zur Flucht hatte sich für Krüger nicht ergeben. Körtzsnik war den ganzen Tag wie ein Wachhund bei ihm geblieben, und nun, da sich der Obazt zur Nachtruhe zurückgezogen hatte, umstellte ein ganzer Trupp seiner ?Kommandoz? das Zelt. Krüger hörte ihr grunzen und Brummen durch den dünnen Stoff der zeltplane, sah ihre schweren Stiefel vor dem dünnen Spalt des Zelteingangs auf- und abgehen.
    Der ganze Tag war wie eine einzige Demonstration gewesen, dass diese Orks anders waren als die Exemplare dieser Spezies, die Krüger bisher bekämpft hatte und die in den militärischen Handbüchern beschreiben waren. Körtzsnik hatte ihm Vorträge über Guerillataktik gehalten, über die korrekte Ausbildung von Soldaten, die auf sich allein gestellt operieren sollten, über Disziplin und über Waffentechnik. Der Obazt schwärmte von den schweren Waffen der imperialen Armee. Er schwärmte von der Professionalität der Regimenter, gegen die er bisher gekämpft hatte, und er schwärmte von der noch größeren Professionalität seiner Horde, die bisher noch jeden Feind in die Knie gezwungen hätte.
    Es war ein langer Tag gewesen. Krüger hatte viel gelernt, wie er sich selbst eingestehen musste, und manches davon mochte im Kampf gegen die Orks von Nutzen sein, wenn er denn nur jemals hier herauskäme. Körtzsnik indes schien entschlossen, ihn noch eine ganze Weile bei sich zu behalten.



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    Morgen sollte Krüger das Waffenlager der Kommandoz inspizieren, danach eine zum Appell angetretene Formation abnehmen und Körtzsnik erklären, ob Drill und Waffenübungen den Richtlinien der Tactica Imperialis entsprachen.
    Nach dem, was Krüger von draußen mitbekam, musste der Drill der Orks diese Richtlinien sogar bei weitem übertreffen: Unablässig umrundeten Gruppen von Orks im Dauerlauf das Lager, mit ihren schweren Stiefeln einer Groxherde an Lautstärke in nichts nachstehend und diesen Lärm mit lautem, grölendem Gesang noch überbietend.
    Mit einem Fluch beschloss Krüger, dass er in dieser Nacht eh keinen Schlaf mehr finden würde, und erhob sich von seinem unbequemen Nachtlager. Er trat zum kartentisch herüber und musste einen Moment lang grinsen bei dem Gedanken, dass er nun genau dasselbe tat wie Oberst Kaltenbrunn, wenn diesen die Schlaflosigkeit überfiel.
    Nachdenklich nahm Krüger einen Marker von der Karte auf. ?Wenn ich ein Ork wäre?, dachte er, ?wie würde ich diesen Krieg zu gewinnen versuchen...??
    Durch Hallers Nachtsichtgerät betrachtet war Kalopulos III eine in flackerndes Grün getauchte Einöde. Die geschwungenen Hügel wiesen kaum Vegetation auf, und in Ermangelung geeigneter landschaftlicher Erkennungsmerkmale fiel die Orientierung schwer.
    Iolaos hatte sich geweigert, Hallers Zug zum Steinbruch zu führen, und Haller nahm es ihm nicht übel. Er konnte gut auf die Gesellschaft des Einheimischen verzichten, auch wenn das bedeutete, dass er den Weg allein auf der Grundlage einer nicht sehr genauen Karte würde finden müssen. Wenn nur...
    ?Mir scheint, wir haben uns verirrt, Leutnant.?, schaltete sich van Bent hinter ihm ein. Der junge Kommissar betätigte kurzentschlossen sein Taschenfeuerzeug und betrachtete seine eigene Karte im flackernden Licht der kleinen Flamme.
    Wenn nur van Bent nicht gewesen wäre, führte Haller den Gedanken zu ende. Der Kommissar-Kadett hatte darauf bestanden, ihn und seinen Zug zu begleiten, so unvernünftig es auch war. Und Haller, der auf dem Landsitz eine gewisse Wertschätzung des jungen Mannes entwickelt hatte, musste seine Meinung nun ebenso schnell wieder korrigieren. Van Bent verhielt sich auf dem Marsch wie ein Grox im Munitionsdepot.
    ?Bitte machen sie die Flamme aus, Sir.?, sagte Haller ruhig. ?Sie könnte unsere Position verraten.?
    Van Bent schwieg einen Moment, dann war das erneute Klacken seines Feuerzeugs zu hören. ?Natürlich, Leutnant.?, lenkte er ein. ?Obwohl es den Orks schwer fallen dürfte, einen ganzen Zug Soldaten zu übersehen, aber eine winzige Flamme wahrzunehmen.?
    ?Glauben sie mir, Sir, sie wollen keine nett beleuchtete Zielscheibe abgeben, selbst nicht für grauenvolle Schützen wie die Orks.?, erklärte Haller, schon wieder auf seine Karte konzentriert.
    Er hatte seinen Zug in drei Gruppen aufgeteilt. Die Vorhut bildeten er und seine Kommandoabteilung sowie einer der regulären Trupps, die anderen beiden Trupps bildeten jeweils Mittelteil der Kolonne und Nachhut. Es war das erste mal, dass Haller bereute, dass die Kompanie allein auf den Landsitz entsandt worden war. Einige Sentinels oder gar Luftunterstützung hätten ihre Suche nach Hauptmann Krüger enorm erleichtert. Mit einem einzigen Zug zu Fuß im Hügelland unterwegs zu sein war keine Situation, die Haller sonderlich gefiel.
    ?Sir.?, sagte Hallers Funker Meier, um seinen in Gedanken versunkenen Leutnant auf sich aufmerksam zu machen. ?Sir, Sergeant Andresen meldet sich. Er ist auf den Hügel vor uns gestiegen. Sir, vor uns ist ein Orklager!?
    Haller verzog das Gesicht zu einem grimmigen Grinsen. ?Funken sie an die Nachhut, dass sie aufschließen sollen, Meier.?, befahl er. ?Trupp 2 und 3 sollen zu unserer rechten und linken Flanke vorrücken. Wir nehmen die Orks in die Zange.?
    Meier salutierte und ging davon, um den Funkspruch abzusetzen. Van Bent sah Haller fragend an. ?Sie glauben, wir können es wagen, die Orks anzugreifen, auch wenn sie Krüger haben sollten, Leutnant??
    ?Wir werden sie überraschen, Sir. Wenn wir uns geschickt anstellen, werden sie nicht mehr dazu kommen, auch nur einen einzigen Schuss abzufeuern.?
    Das Orklager war mit einem für Orks erstaunlichen Verständnis für Tarnung und Täuschung in einem Tal zwischen den aufragenden, schroffen Hügeln errichtet worden. Tarnnetze und in den Landschaftsfarben Grün und Grau gehaltene Zeltplanen machten es aus der Luft nahezu unsichtbar. Die Orks hatten das Lager mit einer aus Sandsäcken errichteten Stellung für eine schwere Projektilwaffe gesichert, deren Zwillingsläufe momentan in den Himmel ragten. Die Stellung war unbesetzt, wie Haller ein Blick durch das Nachtsichtgerät enthüllte, aber zwischen den Zelten des Lagers lief ein gewaltiger Ork Wache, ein bedrohliches Maschinengewehr von absurder Größe im Anschlag.
    Der Ork selbst wirkte wie die Parodie eines imperialen Soldaten. Auf seinem kahlen Schädel saß ein ? viel zu kleiner - Dreischichthelm, wie er von den cadianischen Regimentern verwendet wurde, an dem noch immer die imperialen Insignien prangten. Die ?Uniform? des Orks war aus mehreren imperialen Uniformen zusammengenäht worden, Haller erkannte auf Anhieb die Kordeln und Litzen eines mordianischen und den groben Drillich eines cadianischen Uniformrocks. Vervollständigt wurde die Ausrüstung des Xenos durch ein imperiales Nachtsichtgerät, das vor einem seiner Augen hing, aber offensichtlich ausgeschaltet oder nicht funktionsfähig war.
    Haller hatte seine Anordnungen bereits gegeben, seine Männer auf der rechten und linken Flanke wussten, worauf sie zu schießen hatten. Mit einem Handzeichen bedeutete er Meier, ihm sein Lasergewehr zu reichen. Haller entsicherte die Waffe und legte an, während die neben ihm knieenden Männer gespannt ins Tal hinunter blickten, ihre eigenen Waffen schussbereit im Anschlag.
    ?Sie müssen ihn mit dem ersten Schuss treffen, Leutnant.?, bemerkte van Bent leise.
    Haller schoss, ohne zu antworten. Der Laserimpuls traf den Ork ins gesicht, knapp unter der Stirn des Dreischichthelms. Ohne einen Laut kippte der Xenos ur Seite und blieb reglos liegen.
    ?Los!?, befahl Haller, sprang auf und warf das Lasergewehr zu Meier zurück. Während er seine Laserpistole aus dem Holster zerrte und loslief, hörte er den Funker den Befehl wiederholen. Nur Augenblicke später zischte vom Hügel auf der rechten Flanke eine Rakete hinab ins Orklager und ließ die Waffenstellung in einer gleißenden Explosion vergehen.



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    Die ersten Orks kamen, vom Lärm der Explosion aufgeschreckt, aus ihren Zelten gelaufen. Sie alle waren in höchst unterschiedlichem Zustand der Bekleidung, jedoch sämtlich bis an die Zähne bewaffnet. Haller hörte ihre ungeduldigen Kriegsschreie, als sie scheinbar planlos in die Nacht hinaus stürmten, jeder dorthin, wo er die Angreifer vermutete.
    Von der linken Flanke schnitten die Foyerstöße eines schweren Bolters wie eine feurige Sense durch die Reihen der Orks, nur Sekundenbruchteile später fielen die übrigen Soldaten mit ihren Lasergewehren in das Sperrfeuer ein. Wer von den Orks nicht im Feuerhagel gefallen war warf sich zu Boden. Nur wenige der Xenos schafften es, das Feuer zu erwidern. Ihre ungezielten Salven jagten ins Dunkel hinaus.
    Das Sperrfeuer erlaubte es Haller und dem Trupp auf seinen Fersen, unbeschadet den Hügel hinabzulaufen und bis ins Herz des Orklagers vorzustoßen. Als das Feuer der Männer auf den Hügeln eingestellt wurde, wie das Risiko für die eigenen Leute zu hoch wurde, waren sie bereits über den verbliebenen Orks. Haller schoss eine Lasersalve ins brüllend aufgerissene Maul eines Xenos vor ihm, während Van Bent neben ihm einen einzelnen Schuss ins Auge einer weiteren Bestie platzierte. Die Orks waren zu wenige, um noch ernsthaften Widerstand zu leisten, und Hallers Männer hatten keine Schwierigkeiten, sie zwischen ihren Zelten kauernd zu erschießen.
    Mit konzentriertem Feuer brachten die Todeskorpsler einen anstürmenden Ork zu Fall, der es auf den aufrecht dastehenden van Bent abgesehen hatte, töteten einen weiteren, der zwischen den Zelten hindurchrobbend entkommen wollte.
    Haller rannte, die Waffe im Anschlag, auf das größte Zelt in der Mitte des Lagers zu. Wenn Krüger hier wäre, so würde er ihn irgendwo in den Zelten finden, falls er noch lebte. Ein gebet an den Imperator auf den Lippen schlug er die Zeltplane zur Seite.
    Ein riesiger Schatten stürzte sich aus dem zeltinnern heraus auf ihn und zwang mit unmenschlich festem Griff seinen Waffenarm in die Höhe. Drückte solange sein Handgelenk, bis Haller vor Schmerz aufschreiend die Laserpistole fallen ließ. Brüllendes Lachen erklang, als der Ork Haller wie ein kleines Kind am Arm vor sich gefangen hielt.
    Haller biss die Zähne zusammen und holte mit der freien Rechten aus. Das Lachen des Orks wurde zu einem überraschten Keuchen, als der Leutnant seine bionische Faust durch den Brustkorb des Xenos schmetterte und Organe wie Knochen zermalmte. Der Ork sackte zusammen und starb, Haller im Todeskampf mit sich zu Boden reißend.
    Als Haller schließlich wieder auf die Beine kam, seine Faust besudelt von den Innereien des Orks, hatten seine Männer bereits die Zelte gestürmt und durchsucht. Sergeant Andresen trat zu ihm und salutierte. ?Keine Spur von Hauptmann Krüger, Sir.?, verkündete er.
    Haller schüttelte angewidert seine Faust, dann ging er, um seine zu Boden gefallene Waffe wieder aufzunehmen. ?Wir suchen weiter.?, befahl er. ?Sammeln und zum Abmarsch bereit machen.?
    Das Trampeln schwerer Stiefel um ihn herum ließ Krüger aus seinem nach scheinbar ewig andauernden Stunden gefundenen Schlaf aufschrecken. Bevor er auch nur halbwegs zu sich gekommen war, war das Zelt bereits angefüllt von lärmenden und geschäftig herumeilenden Orks. Krüger sprang auf, um nicht im Durcheinander niedergetrampelt zu werden. Man schenkte ihm kaum Beachtung. Die Orks grunzten und grölten in ihrer primitiven Sprache.
    Schlagartig trat Ruhe ein, als Körtzsnik das Zelt betrat, seinen wehenden roten Umhang wie einen Feuerschweif hinter sich herziehend. Die Orks salutierten mit knallenden Stiefeln.
    ?Wat is? los, vadammt?!?, bellte Körtzsnik in seinem unmöglichen imperialen Gotisch. ?Warum wärdä äch mittän inna Nacht gäwäckt?!?
    ?Da Außenpostän ?Squignäst? tut sich nich? melden, Härr Obazt, Sör!?, verkündete ein scheinbar besonders mutiger Ork ebenfalls in imperialem Gotisch. ?Funkkontakt is? abgebrochen seit getz? minus eina Stundä!?
    ?Dat is? nächt gut!?, stellte Körtzsnik fest. Er stapfte auf Krüger zu. ?Ob das ihrä Leutä war?n, Hauptmann?!?
    Krüger straffte seine Haltung. ?Ich habe keinen Kontakt zu meinen Männern, Herr Oberst, und bin deshalb nicht über die Operationen der imperialen Truppen informiert.?
    Körtznsik winkte ab. ?Ja, weiß äch. Aba was denkän sie, Hauptmann? Passt dat zu ihrän Leutän??
    ?Ohne nähere Informationen über die Lage dieses Außenpostens und die Umstände kann ich ihnen dazu keine Auskünfte geben, Herr Oberst. Es mag sein, dass technishces Versagen für den Funkausfall verantwortlich ist und ihre Truppen dort draußen bei bester Gesundheit sind.?
    ?Schickt einän Spähtrupp raus!?, befahl Körtzsnik augenblicklich. ?Kuckt nach, ob da Gitzä am Pennän sin?. Würdä ja zu ihnän passän!?
    Die im Zelt versammelten Orks salutierten. Einige traten weg, um Körtzsniks Befehlen nachzukommen, andere blieben, waren aber plötzlich sehr damit beschäftigt, unglaublich wichtige und dementsprechend für Außenstehende kaum verständliche Tätigkeiten auszuführen. Körtzsnik selbst legte seine gewaltige Pranke auf Krügers Schulter und zog ihn zum Kartentisch herüber.
    ?Unterhaltän wia uns doch etwas...?, schnarrte er und nestelte mit bedrohlicher Beiläufigkeit am holster seiner Seitenwaffe. ?Guckäm sä nur ma? auf die Karte, Hauptmann.? Körtzsnik deutete auf einen steil aufragenden Orkzahn unweit des krude eingezeichneten Steinbruchs. ?Unsärä Technik is? gut, da Mekz haben da Ausrüstung ers? neuläch gewartät! Da war nix mit technischäm Vasagen, Hauptmann!?
    ?Was erwarten sie von mir, Herr Oberst??, fragte Krüger so ruhig wie möglich.
    ?Äch bin geduldig, Hauptmann, aba ich mag es nächt, wenn man meine Boyz wechmoscht. Wat imma da passiert is?, es hat vielä gutä Jungz dat Leben gekostät. Ich will von ihnen wissän, wer von ihrän Männan dazu in der Lagä wa?!?
    ?Sie werden verstehen, Herr Oberst, dass ich ihnen diese Information nicht geben kann. Es würde zum Tod meiner Männer führen.?
    ?Rädän sie ändlich, Hauptmann!?, grollte Körtzsnik. ?Rädän sie, oda wia bringen sie zum reden!?
    Krüger schwieg demonstrativ und legte die Hände an die Hosennaht.
    ?Gut...?, brummte Körtzsnik. ?Gut, sie habän es so gewollt.? Er riss die hand in die höhe, um jeden im Zelt auf sich aufmerksam zu machen. ?Macht da Squiggrubä bereit!?



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    Zwei massige Orkkrieger zerrten Krüger hinaus ins freie, wo er bereits von einer johlenden, brüllenden Horde erwartet wurde. Während seine beiden Bewacher ihm die letzten Fetzen seiner Uniform vom Leib rissen, baute sich Körtzsnik in seiner lächerlichen Uniform vor ihm auf und verkündete mit dem Pathos eines Zeremonienmeisters: ?Hauptmann Krüga, Offizia vom Todäskrops von Krieg vonna Impärialän Armä! Sie habän in nich akzeptabla Weisä die Gastfreundschaft des Klan Blood Axe und meinä persönlichä Ährenhaftigkeit bäleidigt! Nacha Gäsetzgäbung von unserm Klan, ärstmals formuliart durch da ährenwertän Ärzgäneral Wumpnik, vaurteile ich sie zum Todä durch Vabringen innä Squiggrubä!?
    Die umstehenden Orks jubelten und bellten ihre Zustimmung in ihrer primitiven Sprache. Sie waren eine furchterregende Masse grüner Muskeln und zusammengewürfelter Uniformen, mit bedrohlichen Schusswaffen in den mächtigen Fäusten und langen, schartigen Messern oder massiven Äxten an den Gürteln und Koppeln. Krüger versuchte, nackt und im schraubstockhaften Griff seiner Bewacher gefangen, seine Haltung und Würde zu wahren. ?Ihr Verhalten läuft jeder Regel der zivilisierten Kriegsführung zuwider, Oberst Körtzsnik!?, rief er.
    Körtzsnik stapfte auf ihn zu, eine seiner widerwärtigen Zigarren zwischen seine gewaltigen Hauer geklemmt. Das bionische Auge des Obazts leuchtete in der Dunkelheit. ?Sie habän mir viel zu lange Vorträgä gähaltän, Hauptmann!?, grollte er. ?Innä Grubä mit ihnän!?
    Als die Orks Krüger zum Rand der in der Mitte des Lagers ausgehobenen Grube zerrten, war Körtzsnik kaum einen Meter hinter ihnen. ?Ihrä lätztä Chance, Hauptmann.?, brummte er. ?Rädän se, dann müssän sä nich sterbän.?
    ?Ich sterbe lieber, als ihnen Informationen zugänglich zu machen, die dazu führen könnten, dass sie diesen Krieg gewinnen, Oberst.?, antwortete Krüger entschlossen. Er hätte nie gedacht, dass sein leben so enden würde, was auch immer im Dunkel der Grube auf ihn wartete, aber er war entschlossen, es zu ertragen. Er war ein Offizier der Imperialen Armee, und kein schlechter, wie er dachte. Der Tod im Dienst am Imperator würde seine Seele retten, gleich was die Orks seinem Körper antun mochten.
    ?Sä sind ein tapfära Git, Hauptmann.?, stellte Körtzsnik fest. ?Äz is ein Jamma. Da unänt wartet dat Grauän auf sie. Dat Grauän...? Körtzsnik machte eine dramatische pause, fast als wollte er sicherstellen, dass seine Worte die richtige Wirkung entfalteten. Als Krüger keine Reaktion zeigte, befahl er mit wesentlich weniger Begeisterung: ?Wärft ihn rein, den Git.?
    Krüger wurde in die Höhe gerissen. Einen Moment lang war das hinter einer aus zerrissenem Stoff gefertigten Sturmhaube verborgene Gesicht eines der Orkwächter direkt vor ihm, dann versetzte ihm der andere einen Stoß, der ihn durch die Luft fliegen ließ, dem pechschwarzen Grund der Grube entgegen. Im Fallen stieß Krüger ein letztes Gebet hervor, einen einfachen Vers, den jedes Kind kannte und der so simpel wie wahr Klang: ?Der Imperator schützt uns.?
    Der Aufprall war nicht so hart, wie Krüger angenommen hatte. Der Boden der Grube war aufgeweicht, fast schlammig, und auch wenn Krüger nichts sehen konnte, so fühlte er doch für den Moment ein unerklärliches Gefühl der Erleichterung. Er lebte noch, hatte sich nichts gebrochen und war bei Bewusstsein. Was immer in dieser Grube war, er musste es nur lange genug überleben, dann würden seine Männer kommen und ihn retten.
    Etwas zischte, ganz nah vor Krüger. Er zuckte zusammen.
    ?Habän sie schon Angst, Hauptmann??, hörte er von oben, von hinter dem gut zwei Meter Meter entfernten Grubenrand Körtzsniks Stimme. ?Wir wärfän ihnen ma nä Fackäl runta, sie sähän ja gar nix!?
    Augenblicklich landete in hohem Bogen ein brennender Ast in der Grube, und augenblicklich wünschte Krüger, er hätte es nicht getan. Der flackernde Schein der Flammen enthüllte ein gutes Dutzend kugelförmiger Wesen von der Größe eines Schafs, deren gewaltige Gebisse den Grossteil ihrer plump aussehenden Körper einnahmen. Die Squigs zischten und knurrten angesichts des nackten Menschen, der, nun im flackernden Lichtschein völlig schutzlos dastehend, in ihre Grube geraten war.
    Krüger duckte sich zum Sprung. Der brennende Ast lag gut zehn Meter von ihm entfernt, am anderen Ende der Grube. Wenn er auch nur noch einige Minuten leben wollte, musste er ihn erreichen...
    ?Dat Grauän!?, brüllte Körtzsnik von oben, um gleich darauf in grollendes Gelächter zu verfallen, in das seine Krieger einstimmten.
    Die Nachhut hatte das Orklager in Brand gesteckt, während Haller mit seiner Kommandoabteilung und den ersten beiden Trupps des Zuges seinen Weg fortgesetzt hatte. Sie waren kaum wieder aus dem Tal zwischen den Hügeln heraus gewesen, als der Funker Meier seinem Leutnant eine gute Nachricht überbracht hatte: Leutnant Fahrenhorst war auf dem Landsitz nicht untätig gewesen und hatte zum Hauptquartier des Regiments um Unterstützung gefunkt. Ein Zug aus einer der Panzergrenadierkompanien war unterwegs und würde spätestens übermorgen am Landsitz eintreffen.
    Die lodernden Flammen in seinem Rücken stimmten Haller trotz allem grimmig. Es war ihm noch nicht gelungen, Hauptmann Krüger zu finden, und wahrscheinlich würden die Orks nun wissen, dass jemand nach Krüger suchte. Wenn der Hauptmann noch am Leben war, wovon Haller mit unerschütterlicher Sicherheit ausging, sich aber in Gefangenschaft befand, was wahrscheinlich war, so hatte ihm Haller mit der Auslöschung des Außenpostens wohl keinen großen Dienst erwiesen. Der Imperator allein wusste, was diese barbarischen Xenos Krüger antun würden oder schon angetan hatten. Haller konnte nur beten, dass Krügers Geist und Willen stark genug waren, um jeder Folter zu widerstehen und am Leben zu bleiben, bis Rettung kommen würde.
    Van Bent, der neben Haller ging, schien die Gedanken des Leutnants zu erahnen. ?Hauptmann Krüger ist ein Mann von außergewöhnlicher Stärke und Tapferkeit, wie mir Kommissar Streesen berichtete.?, sagte er. ?Wir werden ihn finden und retten, damit er die Kompanie zum Sieg führen kann.?
    Haller nickte, schwieg aber. Der Kommissar-Kadett hatte wohl kaum genug Erfahrung, um die Lage tatsächlich beurteilen zu können. Die Orks waren unberechenbare Barbaren, wie Haller aus den Kämpfen, die er noch als gewöhnlicher Soldat gegen sie gefochten hatte, nur zu gut wusste. Dass ihre Körperform humanoid war, verleitete einen dazu, sie mit menschlichen Denkmustern erfassen zu wollen, aber auf ihre Art waren die Grünhäute nicht weniger fremdartig als die Tyraniden. Sie kannten weder Gnade noch Mitleid, und vor allem keine Angst.



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    ?Sagen sie, Leutnant, stimmt es, dass sie auf Festinion eine Auseinandersetzung mit einer Prioris des Adeptus Sororitas hatten??, fragte van Bent, einen Ausdruck der Unschuld im Gesicht.
    ?Unsere Zusammenarbeit war vorbildlich und konfliktfrei, dass sollten sie ihren Unterhaltungen mit Kommissar Streesen ebenfalls entnommen haben, Sir.?, antwortete Haller, wesentlich barscher, als er es beabsichtigt hatte. Es gefiel ihm nicht, dass van Bent ihn ablenken wollte, auch wenn der junge Kommissar es sicher gut meinte, und noch weniger gefiel ihm, dass er auf ein Thema zu sprechen kam, dass durchaus genug Brisanz besaß, um Haller augenblicklich der Gnade des Imperators zu überantworten, sollte Streesen jemals die Wahrheit über die Vorfälle rund um die Kathedrale der heiligen Märtyrerin erfahren.
    Van Bents Blick glitt zur Ehrennadel der Ekklesiarchie auf Hallers Brust. ?Natürlich, so sagte der Kommissar.?, gab er zu. ?Es ist nur... Die Männer erzählen gelegentlich eine andere Version der Ereignisse.?
    Haller blieb wie erstarrt stehen. ?Wer... Wer hat ihnen davon erzählt??, fragte er heiser. Das Blut schoss ihm ins Gesicht. Der Gedanke daran, dass ihn einer der Männer seines Zuges, einer der Männer, die jahrelang seine Kameraden gewesen waren, bevor er in den Offiziersrang aufgestiegen war, ihn nun an einen Kommissar verraten hatte, war schlichtweg erschreckend.
    ?Oh, sie missverstehen mich, Leutnant.?, beschwichtigte ihn van Bent. ?Es gehört zu den Eigenschaften eines guten Kommissars, dass er gute und aufmerksame Ohren hat, besonders was die Gespräche unter den Soldaten betrifft. Auf ihre Männer muss diese Sache einen ziemlichen Eindruck gemacht haben. Ich bin mir sicher, dass sie ihre gründe hatten, ihre Waffe auf die Prioris zu richten.? Van Bent trat einen Schritt näher an Haller heran und legte seine Hand auf Hallers Arm. ?Keine Sorge, Leutnant. Ihr Geheimnis ist sicher bei mir. Wir alle haben unsere Geheimnisse, nicht wahr??
    Vor Hallers geistigem Auge erschien das Bild van Bents, zusammengesunken und sich übergebend hinter den Stallungen. Haller nickte schnell. ?Ja, Sir, ich denke, das haben wir alle.?
    ?Leutnant Haller, Sir!?, rief Sergeant Andresen aus, und van Bent trat augenblicklich wieder von Haller fort. ?Wir bekommen Gesellschaft, Sir! Sergeant Gutjohn meldet mehr Orks, die sich frontal nähern. Sie haben Fahrzeuge, wie es scheint.?
    ?Im Gelände verteilen und kampfbereit machen.?, befahl Haller, die Laserpistole aus dem Holster ziehend. ?Nicht schießen bis zum Feuerbefehl oder bis die Orks zu schießen beginnen, verstanden??
    Andresen salutierte.
    Mit dröhnenden Motoren erschienen die Orks auf der Kuppe des Hügels vor Haller und seinen Männern. Im grünen Blickfeld seines Nachtsichtgeräts zählte der Leutnant drei Fahrzeuge: Einen schwereren Transporter, auf dessen Ladefläche ein ganzer Trupp Orkkrieger in erstaunlicher Ruhe aufgesessen war, und zwei begleitende Halbkettenfahrzeuge, hinter deren Fahrersitz ein Waffenstand für den Schützen eines gewaltigen Maschinengewehrs aufgebaut war. Die Blicke der Schützen und aufgesessenen Orks glitten in steter Wachsamkeit über das umliegende Gelände, doch die Dunkelheit verbarg die eng an den Boden gepressten imperialen Soldaten. Haller dankte dem Imperator dafür. Diese Orks wirkten entschlossen und kampfbereit genug, es mit seinem Zug aufzunehmen, und ihre Fahrzeuge würden einen gewaltigen Vorteil bedeuten, wenn Hallers Männer das Überraschungsmoment nicht mehr auf ihrer Seite hätten.
    ?Alles ruhig bleiben.?, flüsterte Haller, und die Männer seiner Kommandoabteilung deuteten ein Nicken an. Van Bent, der neben Haller lag, überprüfte zum vierten Mal die Ladeanzeige seiner Laserpistole. Haller lächelte still über die Nervosität des jungen Kommissars.
    Der Plan war simpel: Die Orks sollten so nahe wie möglich an Hallers Männer heran kommen, bevor diese das Feuer eröffneten. Idealerweise würden sie zwischen den Trupps des Zuges ins Kreuzfeuer geraten und aufgerieben werden, bevor sie auch nur die Gelegenheit zur Gegenwehr erhielten. Es war simpel ? und äußerst fehleranfällig.
    Das erste Begleitfahrzeug war kaum noch dreißig Meter von Hallers Position entfernt, und es kam schnell näher. Im grünen Schleier des Nachtsichtgeräts sah Haller das zu einem euphorischen grinsen verzerrte Maul des Fahrers unter seiner ansonsten das Gesicht verdeckenden Lederhaube, sah die misstrauischen Schweinsäuglein des Schützen hinter ihm und sah auch und vor allem die Zwillingsläufe des Maschinengewehrs, an dessen Seiten Munitionsgurte wie Seidenbänder im haar einer Frau flatterten. Das Kaliber der Waffe musste mindestens dem eines schweren Bolters entsprechen.
    Das dröhnende Ungetüm von einem Fahrzeug kam näher, die beiden anderen Gefährte dicht hinter sich. Aus dem Augenwinkel nahm Haller eine Bewegung war, er ließ das Nachtsichtgerät ins Gras fallen. Sein rechter Arm schoss vor, erwischte Van Bent, der aufspringen und fortlaufen wollte, gerade noch rechtzeitig an der Schulter.
    ?Sind sie irre??, fragte Haller zischend und drückte den Kommissar-Kadetten zu Boden.
    ?Sie werden uns einfach überfahren, sie kommen direkt auf uns zu!?, brachte van Bent hervor und versuchte erneut, sich aufzurichten, doch Haller hielt ihn eisern am Boden. Beinahe im selben Augenblick zermalmten die Ketten des Orkfahrzeugs das gras neben ihnen. Die anderen Fahrzeuge rasten ebenfalls vorbei, ohne auch nur langsamer zu werden.
    Haller sprang auf, kaum dass die Orks seine Position passiert hatten. ?Feuer!?, bellte er, und sein Funker Meier gab den Befehl, auf den er nur gewartet hatte, über sein Funkgerät an die Trupps des Zugs weiter. Hallers Laserpistole brannte einen ersten, trotzigen Impuls ins Heck des zweiten Begleitfahrzeugs, um nur kurz darauf vom donnernden Stakkato eines schweren Bolters übertrumpft zu werden, das durch die Orks auf der Ladefläche des Transporters schnitt und ihre Körper in grünen Sprühnebel verwandelte. Hallers Männer fielen in sein bisher wirkungsloses Feuer ein, und ihre Salven ließen den Schützen des Begleitfahrzeugs getroffen zusammensinken, während er noch mit dem Schwenken seiner Waffe beschäftigt war.
    Das erste Begleitfahrzeug wendete in einem irrwitzig kleinen Wendekreis, sich von den Naturgesetzen bedrängt auf die Seite legend. Sein Schütze bestrich die Landschaft um sich herum mit einem andauernden Feuerstoß, der den des schweren Bolters bei weitem übertraf. Die Leuchtspurgeschosse des Orkfahrzeugs und die Laserblitze der Imperialen zuckten durch die Nacht.
    Auch der Transporter wendete, zwar seiner Fracht beraubt, aber noch immer von zwei äußerst kampfeslustigen Orks bemannt. Neben dem Fahrersitz war auch hier eine schwere Projektilwaffe montiert worden, deren Schütze in das Dauerfeuer des Begleitfahrzugs miteinfiel.



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    Die beiden Fahrzeuge fanden in eine Formation zurück, das dritte, schützenlose Gefährt hinter sich, und rasten nun in die Richtung, aus der sie gekommen waren, ein dichtes Sperrfeuer legend. Haller und seine Kommandoabteilung waren ihnen genau im Weg.
    Schwere Geschosse pfiffen rechts und links an Haller vorbei. Meier wurde in die Brust getroffen und fiel, sein Torso eine einzige, schreckliche Wunde. Der Stabsgefreite Johann legte seinen Granatwerfer auf die näherkommenden Fahrzeuge an und schoss, traf aber nur den Boden hinter den sich schnell nähernden Ungetümen und ließ die Grasnarbe in einer donnernden Sprenggranatenexplosion vergehen. Haller ließ sich auf die Knie fallen und feuerte eine Lasersalve nach der anderen auf die Orks, in der Hoffnung, durch Zufalle einen der Fahrer oder Schützen zu treffen. Van Bent stand aufrecht neben ihm, das Kinn energisch vorgereckt, mit seiner Waffe wie auf dem Schießplatz Einzelschüsse abgebend.
    Einer von ihnen musste getroffen haben, denn der Transposter geriet ins Schleudern. Mit ausschwingendem Heck rutschte er knapp an den Männern der Kommandoabteilung vorbei, während sein Schütze noch immer wild die Munition des MGs in die Nacht verschoss. Die Halbkettenfahrzeuge entkamen und verschwanden wieder hinter der Kuppe des Hügels.
    Haller sprang auf und lief zum unweit von ihm stehen gebliebenen Transporter hinüber. Die reifen des Fahrzeugs hatten sich förmlich in den Erdboden gegraben, seine front zeigte abgesackt nach unten. Haller erschoss den Ork hinter dem MG, der fluchend aus seinem Sitz hochzukommen versuchte, dann blickte er sich um.
    Jetzt hatten sie ein Problem, dachte er.
    Mit zitternden Händen griff Krüger den brennenden Ast und schwang ihn wie eine Waffe dem angreifenden Squig entgegen. Die Xenobestie schreckte zischend und mit schnappenden Kiefern vor den Flammen zurück. Hinter ihr drängten sich die anderen kugelförmigen Monstren, eine Mischung aus Furcht vor den Flammen und gnadenlosem Hunger aus ihren kleinen Schweinsäuglein blitzend. Schleimiger Geifer lief aus ihren bedrohlich geöffneten Mäulern.
    Krügers Atem rasselte in seiner Brust. Die Squigs hatten ihn wieder und wieder durch die Grube gejagt, ihm auf ihren kurzen Stummelbeinen hüpfend folgend, ihre brutalen Kiefer immer nur Sekundenbruchteile davon entfernt, einen seiner Arme oder ein Bein zwischen den dolchartigen Zähnen zu zermalmen. Sein Körper war übersät mit blutigen Schrammen, wo der ein oder andere Zahn seine Haut gestreift hatte.
    Die Fackel würde die Squigs nicht ewig abhalten. Schon jetzt kamen sie stetig näher, Krüger allmählich mit einem Halbkreis umringend, aus dem es kein Entkommen für ihn geben würde. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihr Hunger über ihre instinktive Furcht vor dem Feuer triumphieren würde.
    ?Tun sä sich einän Gefallen un? sagän sä uns, wer von ihrän Männern da draußän is?, Hauptmann!?, hörte Krüger Körtzsnik vom Rand der Grube brüllen. ?Vielleicht holän wia sä dann da raus...?
    Krüger wandte den Blick keine Sekunde von den sprungbereiten Squigs ab. ?Ich werde meine Männer nicht verraten, Oberst.?
    ?Dann sterbän sä da untän, Hauptmann!?, stellte Körtzsnik fest. Lautes Lachen erscholl aus mehreren Dutzend Orkkehlen.
    Die Spur der Halbkettenfahrzeuge war unübersehbar, sie hatten die grasbewachsene Erde des Hügellands aufgerissen wie zwei Pflüge. Haller und seine Männer folgten der Spur im Laufschritt, die Waffen im Anschlag. Die Orks mussten auf dem Weg zurück zu ihrem Lager sein. Sie zu erreichen, bevor sie verteidigungsbereit waren, war vielleicht die einzige Chance, Hauptmann Krüger überhaupt noch zu retten.
    Haller wusste, dass das, was er von seinen Männern verlangte, brutal und rücksichtslos war. Die Soldaten waren erschöpft vom Marsch, schwerbeladen mit Munition und Waffen, und viele waren im vorhergehenden Kampf verwundet worden, und dennoch trieb er sie vorwärts, den flüchtenden Orks hinterher, die vielleicht schon auf sie lauerten, eine unbekannte Zahl zusätzlicher Orkkrieger bei ihnen. Für Krüger, der ihm auf Festinion das Leben gerettet hatte und dem er das Leben gerettet hatte, war er bereit, das Risiko auf sich zu nehmen.
    Die Männer keuchten und fluchten im Laufen, aber sie folgten ihm, ihm und van Bent, der nicht von seiner Seite wich. Der offene Ledermantel des Kommissarkadetten wehte wie ein paar Flügel hinter ihm her. Van Bents Gesicht zeigte eiserne Entschlossenheit, die durch einen blutigen Kratzer an seiner linken Wange, den er im vorhergehenden Feuergefecht davongetragen hatte, unterstrichen wurde.
    Sie waren nicht zu überhören, das wusste Haller, aber es war kaum noch von Bedeutung. Die Orks wussten jetzt, dass sie kamen, und sie würden sie erwarten. Das kommende Gefecht würde nichts mehr mit Taktik zu tun haben, würde nicht mehr auf Überraschung und Heimlichkeit aufbauen. Es ging nur noch darum, dem Feind von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten und ihn zu zerschmettern.

    Als die Kettaz mit dröhnenden Motoren ins Lager zurückkehrten, beschädigt von offensichtlich imperialen Waffen, wusste Körtzsnik, das seine große Stunde gekommen war. Während seine Boys noch umherrannten, sich gegenseitig Fragen und Befehle zubrüllend, war er schon bereit, den Menschen entgegenzutreten und sie zu vernichten, ihnen zu zeigen, dass seine Kommandos es mit den besten und härtesten Kämpfern der Imperialen Armee aufnehmen konnten.
    All die Jahre, die er und seine Boys auf diesem Planeten zugebracht hatten, auf dem es nichts gab außer Pferden, Schafen und schwächlichen Menschen, die für keinen seiner Boys einen würdigen Gegner abgaben, hatte er darauf gewartet, dass dieser Tag kommen würde, der Tag, an dem er allein den Befehl haben würde in einer Schlacht gegen echte Feinde, die sich diszipliniert und bis zum letzten Mann zur Wehr setzten. Nun hatte sein Warten ein Ende: Sie kamen, um ihn und seine Boys zu stellen. Und sie hatten nicht die geringste Ahnung, was sie eigentlich erwartete...



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    ?In eurä Stellungän!?, bellte Körtzsnik. ?Macht euch feuabereit und wartet, bissa da Gitzä gut sähän könnt! Schießt zuerst auf die mit den Ordänz!?
    Der Anblick einer ganzen Horde Orks, die mit ihren Wummen und Bazookaz, ihren Spaltern und Kampfmessern in Unterständen verschwanden, die sich so perfekt in die Landschaft einfügten, dass selbst Körtzsnik wohl Probleme gehabt hätte, sie zu sehen, wenn er nicht genau gewusst hätte, wo sie waren, ließ die Sporen in seiner Haut noch immer vor Erregung kribbeln, obwohl er es schon Dutzende Male gesehen hatte. Das Basislager sah schwach aus, wenn man es aus der Distanz betrachtete, nicht mehr als eine Ansammlung von Zelten und einigen wenig imposanten Sandsackstellungen, aber es barg einige tödliche Geheimnisse in seinen Eingeweiden.
    Körtzsnik küsste behutsam seinen persönlichen Glücksbringer, das scharlachrote Ehrenmedaillon, das er dem ersten Menschen abgenommen hatte, der er getötet hatte. Seit diesem Tag war er fasziniert von Orden und Uniformen, auf die die Menschen so viel gaben, dass es wohl zum Erfolg ihrer Armeen beitragen musste. Wäre er ein mensch gewesen, dachte er, dann hätte er all diese Orden, die nun an seiner Brust prangten, ganz sicher verliehen bekommen. Obazt Körtzsnik und da Grien Bärätz...
    In der Squiggrubä hörte er Krüger voller Schmerz aufschreien. Körtzsnik salutierte ein letztes Mal bedauernd in Richtung der Grube, dann ging auch er los, um seine Position einzunehmen.
    Der Tag seines Schicksals war gekommen.
    Es war gespenstisch ruhig, dachte van Bent. Das Lager der Orks lag vor ihnen, vielleicht noch einen halben Kilometer entfernt, sie konnten die getarnten Zelte und die mit Sandsäcken befestigten Stellungen bereits sehen. Doch von den Orks war weder etwas zu sehen noch zu hören, und das beunruhigte van Bent noch mehr als der erschreckend zivilisierte Anblick des Lagers.
    Er blieb stehen, in der Hoffnung, dass Leutnant Haller es bemerken würde. Nach dem Leutnant zu rufen traute er sich nicht; er wollte den Zug nicht dadurch gefährden, dass der Klang seiner Stimme ihre Position verriet. Wenn der Imperator gnädig war, so hatten die Orks sie noch nicht entdeckt, auch wenn sie wie eine Herde Groxe durch das Hügelland gestürmt waren.
    Tatsächlich bemerkte Haller sein Zurückbleiben und machte kehrt, um zum schnaufenden Kommissarkadetten zurückzulaufen. ?Was ist, Sir??, fragte der junge Leutnant.
    ?Es ist ruhig.?, brachte van Bent leise hervor. Er hatte sich immer für einen guten und ausdauernden Läufer gehalten, aber ein Vorstoß unter Gefechtsbedingungen war doch etwas anderes als der übliche Waldlauf mit Ausrüstung, den er jeden zweiten Tag auf der Akademie hatte hinter sich bringen müssen. Als ihm die Idiotie der Erinnerung gerade in diesem Moment bewusst wurde, musste er gegen seinen Willen lächeln.
    ?Fühlen sie sich nicht wohl, Sir??, fragte Haller besorgt. ?Wenn ja, dann haben sie einen sehr schlechten Augenblick gewählt.? Haller wies auf das Orklager. ?Wir sind fast da, und es wird ein schwerer Kampf werden. Bleiben sie hier, wenn sie sich nicht dazu in der Lage fühlen, Sir.?
    Van Bent winkte ab. ?Das ist es nicht, Leutnant. Es ist zu ruhig.? Sein Atem beruhigte sich allmählich wieder. ?Die Orks sind direkt vor uns, und wir liegen weder unter Feuer noch ist auch nur eine Spur von ihren Kriegern zu sehen.?
    ?Sie erwarten uns.?, sagte Haller. ?Sie warten, bis wir in ihre Falle gelaufen sind.?
    ?Und wir laufen trotzdem hinein??
    ?Haben wir eine andere Wahl, Sir?? Haller ballte in einer entschlossenen Geste die bionische Prothese zur Faust. ?Wir können nicht bekämpfen, was wir nicht sehen.?

    Sergeant Andresen fiel als erster, sein Schädel zerschmettert von einem aus dem Nichts heranrasenden Geschoss. Noch zuckend fiel sein enthaupteter Körper zu Boden und rollte die Hügelkuppe hinab. Von einem Moment auf den anderen war die Luft erfüllt vom Salvenfeuer der Orks, das von überall und nirgendwo auf die imperialen Soldaten niederzugehen schien.
    Korporal Burgsmüller warf sich zu Boden; keinen Moment zu früh, wie er feststellte, als eine Kugel über die Oberseite seines Helms schrammte. Er presste sich so dicht wie möglich an die kalte Erde, sein Lasergewehr mit der Rechten umklammernd, während über ihm der Tod durch die Nacht jagte. Hilflos musste er mitanhören, wie seine Kameraden im Kugelhagel starben oder verwundet um Hilfe riefen. Dazwischen bellte Leutnant Haller einen Befehl, den Burgsmüller nicht verstand, weil er vom Lärm einer nahen Detonation übertönt wurde. Erde prasselte auf seinen Helm und Rücken nieder, doch er traute sich nicht, den Blick zu heben.
    ?Zwo, bestätigen sie Feindposition.?, krächzte ein Funkgerät irgendwo nahe bei ihm. ?Zwo, bestätigen!?
    Einen scheinbar unendlichen Augenblick später begriff Burgsmüller, dass mit ?Zwo? sein Trupp gemeint war, dass eigentlich Funker Rosenthal den Funkruf hätte beantworten müssen. Dass Rosenthal wahrscheinlich tot war, wenn er nicht antwortete ? und dass er, Burgsmüller, nun der Truppführer war, weil Andresen gefallen war. Und er lag mit dem Gesicht nach unten auf der Erde, verdammt!
    Burgsmüller stemmte sich soweit hoch, wie er es sich angesichts des Sperrfeuers erlauben konnte. Rosenthal lag mit herausquellenden Innereien kaum zwei Meter links von ihm, sein Funkgerät noch immer auf dem Rücken, im Tod das Mikrofon an seinem Helm umklammert. Vom Rest des Trupps war nichts zu sehen.
    Burgsmüller schob sich mit den Beinen Zentimeter für Zentimeter näher an den toten Kameraden heran, Lasergewehr und Marschgepäck mit sich ziehend. Als er den Funker schließlich erreicht hatte, zitterten seine Hände vor Anspannung so stark, dass er Mühe hatte, die Finger des Toten vom Funkgerät zu lösen und selbst die Sprechtaste zu betätigen.
    ?Zwo hier, bitte wiederholen.?, brachte er mit rasselndem Atem zustande.
    ?Zwo, hier Haller. Kennen sie Feindpostion?? Die Stimme des Leutnants war durch statisches Rauschen und den blechernen Klang des Lautsprechers so verzerrt, dass Burgsmüller sie niemals erkannt hätte, wenn der Leutnant sich nicht zu erkennen gegeben hätte.
    ?Negativ, Herr Leutnant.? Burgsmüller zuckte, als eine Salve kaum einen Meter neben ihm einschlug, und schickte ein Stoßgebet zum Imperator, dass sie ungezielt gewesen war. ?Bin unter Beschuss, kenne Standort des Feindes aber nicht. Habe Kontakt zum Trupp verloren.?



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    ?Wer spricht da?!?, verlangte die Stimme aus dem Funkgerät zu wissen, und Burgsmüller erkannte zweifelsfrei, dass es diesmal nicht Hallers war.
    ?Korporal Burgsmüller, Truppführer Zwo. Sergeant Andresen ist gefallen.?
    ?Ihre Leute sind hier bei uns, Korporal.?, verkündete die fremde Stimme. ?Haben sie Befehl zum Rückzug gegeben??
    ?Nein.?, sagte Burgsmüller irritiert und fügte ganz automatisch, weil der Tonfall der Stimme es gebot, ein respektvolles ?Sir? hinzu. ?Mit... Mit wem spreche ich, Sir??
    ?Hier Kommissar-Kadett van Bent. Ich habe ihre Männer auf dem Rückzug über die Hügelkuppe angetroffen und aufgehalten. Ziehen sie sich auf unsere Position zurück, Korporal, ich habe mit ihnen zu reden.?
    ?Ja... Ja, Sir.? Mit wie zugeschnürter Kehle unterbrach Burgsmüller die Verbindung und umklammerte den Griff seines Lasergewehrs.
    Die Hügelkuppe lag gute dreißig Meter hinter ihm. Dreißig Meter deckungslosen Gebiets.
    ?War das wirklich nötig, Sir??, fragte Haller, nachdem van Bent das Mikrofon des Funkgeräts wieder gesenkt hatte. Er musste brüllen, um sich über den Lärm des Gefechts hinweg verständlich zu machen. Hinter der Hügelkuppe lagen sie einigermaßen geschützt, doch die Salven der Orks rasten noch immer beunruhigend nah über ihre Köpfe. Um sie herum pressten sich die Soldaten des Zuges an den Boden, vom Beschuss zum untätigen Ausharren verdammt.
    ?Ich habe eine Aufgabe zu erledigen, Leutnant.?, antwortete van Bent, und schaffte es, der Antwort, obwohl seine Stimme sich beim Schreien überschlug, den Tonfall einer schulmeisterlichen Belehrung zu verleihen. ?Sie führen ihren Zug, und ich habe darauf zu achten, dass die Männer sich verhalten, wie man es von imperialen Soldaten erwarten kann. Ich werde nicht dulden, dass ein Unteroffizier die Kontrolle über seine Männer verliert.?
    ?Solche Dingen passieren im Gefecht, Sir. Es hat nichts mit fehlender Disziplin zu tun. Es gibt keine disziplinierteren und loyaleren Truppen als das Todeskorps von Krieg.?
    Van Bent schüttelte beinahe ärgerlich den Kopf. ?Hochmut ist keine Tugend, Leutnant. Überlassen sie mir die Beurteilung ihrer Männer, und ich überlasse ihnen die Führung im Gefecht. Wir beide wissen, wofür wir ausgebildet wurden.?
    ?Sie...?, setzte Haller an, hörte aber mitten im Satz auf, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Eine gestalt kam mühsam über die Kuppe des Hügels gekrochen, das Lasergewehr mit beiden Händen fest umklammert, sich mit den Beinen vorwärtsschiebend. Ein Streifschuss hatte den Rücken des Korporals Burgsmüller aufgerissen, seinen Uniformrock mit Blut getränkt, und sein Gesicht war unter dem Helm zu einer Grimasse verzerrt, die Schmerz und Anstrengung gleichermaßen verriet. Haller kroch ihm ein Stück entgegen, und van Bent tat es ihm nach.
    Burgsmüller richtete sich ein Stück weit auf, brachte sich in eine halb sitzende Position, kaum dass er den schützenden Erdwall des Hügels hinter sich wusste. Haller sah Angst in seinen Augen, als sein Blick den des Korporals streifte. Es war keine Furcht vor den Orks oder dem Tod im Feindfeuer, wie er erkannte, es war die Angst vor dem gnadenlosen Urteil des Kommissars, der an seiner Seite war und dessen Zorn nicht nur den Tod, sondern auch die Verweigerung der Erlösung in den Augen des Imperators bedeuten konnte. Haller spürte mehr als dass er es tatsächlich hörte, wie van Bent das verzierte Holster seiner Laserpistole aufknöpfte und die Waffe zog.
    ?Burgsmüller!?, bellte er, so scharf er nur konnte, in der Hoffnung, dem Kommissar-Kadetten zuvor zu kommen. ?Warum waren sie nicht bei ihrem Trupp??
    Burgsmüller blickte ihn verständnislos und voller Angst an. Seine Lippen formten Laute, die Haller im Lärm der Schlacht nicht verstehen konnte. ?Orientierung verloren...?, drang schließlich doch an sein Ohr. ?Andresen gefallen.?
    Haller blickte zu van Bent, doch der Kommissar-Kadett überprüfte unbeeindruckt und ohne jede Reaktion auf das Gesagte die Ladeanzeige seiner Laserpistole. Mit einem routinierten Handgriff stellte er die Waffe auf maximale Energie und Einzelfeuer ein, schlug mit der Linken über dem Lauf der Waffe ein I, das Zeichen der Gnade des Imperators.
    ?Sir!?, rief Haller. ?Bitte, Sir!?
    Van Bent richtete sich auf. Die Stiefelabsätze fest in den Boden gerammt, der Mantel im nachtwind wehend stand er da, die Waffe auf Burgsmüller gerichtet. Sein junges Gesicht zeigte keine Spur des Mitgefühls oder auch nur des Bedauerns. ?Im Namen des Imperators!?, rief er, bereit, sein eben gefälltes Todesurteil zu vollstrecken.
    Es kam nie dazu. Mit dem dumpfen Geräusch berstenden Fleisches explodierte Van bents Torso in einer Fontäne aus Blut, als eine Salve großkalibriger Geschosse ihn in Brust und Bauch traf. Auf seine Aufgabe fixiert hatte er sich über die Kuppe des Hügels erhoben, direkt hinein in die todbringende Wand des Sperrfeuers. Die Laserpistole fiel aus seinen plötzlich kraftlosen Fingern zu Boden, der Kommissar-Kadett selbst brach in die Knie, ungläubig auf die drei faustgroßen Löcher in seinem Leib starrend, aus denen unaufhörlich Blut auf die schwarze Erde strömte.
    ?Sanitäter!?, schrie Haller reflexhaft und war so schnell es seine gebückte Haltung erlaubte bei van Bent, hielt den Kommissar an den Schultern aufrecht, bemühte sich, seinen Blick auf sich und fort von den schrecklichen Wunden zu lenken.
    ?Ich sterbe.?, sagte van Bent ausdruckslos.
    ?Nein.? antwortete Haller, obwohl er wusste, dass es nicht stimmte. Kein Mensch, auch kein Kommissar, konnte diese Wunden überleben. ?Sie dürfen nicht sterben, Sir. Die Männer brauchen sie.?
    ?Ich habe versagt.?, stellte van Bent fest. Tränen schwammen in seinen glasig gewordenen Augen. Er schien auf einen Punkt irgendwo am Nachthimmel zu starren, direkt an Hallers Gesicht vorbei.
    ?Wir werden sie hier herausbringen, Sir.?, versuchte Haller sich selbst einzureden, so als wäre das auch die Erlösung aus seiner eigenen, hoffnungslosen Situation.
    Van Bent gurgelte, und Haller begriff verspätet, dass es die grässliche Parodie eines Lachens war, das sich aus der blutgetränkten Kehle des Kommissars rang. Ein Ausdruck des Erstaunens, einer geradezu kindlichen Neugier trat mit einem Mal auf van Bents Gesicht. ?Sagen sie, Leutnant, hören sie auch die... die Musik??



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    Haller schüttelte den Kopf, lauschte aber trotzdem, zunächst nur, um van Bent nicht in dem Gefühl wahnsinnig zu sein sterben zu lassen. Doch nur Augenblicke später hörte er es auch, erst ganz schwach, dann immer lauter über den Lärm der Schlacht hinweg.
    Die wohlvertrauten Klänge des ?Flug der Seraphim?.
    Mit heulenden Turbinen und flammenden Bordwaffen jagten am Himmel zwei Valkyries und ihre Begleitung aus drei Vultures über das Schlachtfeld hinweg. Links und rechts von Haller begannen die Männer angesichts der Luftunterstützung zu jubeln.
    Als von jenseits der Hügelkuppe Explosionen und das Knistern niedergehenden Promethiums zu hören war und das Gegenfeuer der Orks zu einzelnen Schüssen verebbte, hielt Haller den toten van Bent wie ein Kind in seinen Armen und weinte tränen der Trauer und der unendlichen Erleichterung.
    Ungläubig starrte Körtzsnik durch den Sichtschlitz des Unterstands auf die hellen Punkte am Nachthimmel. Gork und Mork, die Imperialen hatten Luftunterstützung!
    Unter lautem Brüllen und kräftigen Schlägen verlangte er nach einem Funkgerät, schrie seine Befehle hinein, als ein unfähiger Adjutant es ihm nach einer scheinbaren Ewigkeit reichte: ?Macht, dat iah da rauskommt, iah Gitzä! Da Mänschenz machen uns platt mit da Bommaz!?
    Wie um seine Worte zu unterstreichen schlugen die ersten Geschosse im Lager ein, ließen die Erde beben und die Funkverbindung gestört rauschen und knacken. Dazwischen drangen abgehackte Schreie und Flüche aus den Lautsprechern. Innerhalb von Sekunden verebbte das Feuer seiner Boys zu sporadischen Salven.
    Es wurde zunehmend heißer im Unterstand, und Körtzsnik erschnüffelte mit zuckenden Nüstern den unverkennbaren, stechenden Geruch brennenden Promethiums. Von draußen war ein bedrohliches Zischen und Knacken zu hören, so als stünden weite Teile des lagers bereits in Flammen. Die Mänschenz wollten sie in ihren Stellungen rösten und begraben.
    ?Rückzug!?, bellte Körtzsnik. Seine engsten Untergebenen stürzten in wilder Panik hinaus ins freie, sich nicht weiter um Munition und Waffen im unterstand kümmernd, ihren Kommandanten allein mit dem Funkgerät zurücklassend.
    Der Obazt lauschte noch einen Moment nach Antwort, hörte aber nur statisches Rauschen und von draußen den Lärm der schon verlorenen Schlacht. Grunzend schaltete er das Funkgerät aus und rückte zornig sein Barett auf dem massigen Schädel zurecht.
    Die Mänschenz hatten die Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg.

    Hallers Männer hatten Krüger in einer Grube gefunden, wo er unter den von Bombensplittern zerfetzten Leibern eines halben Dutzends orkoider Kreaturen lag. Der Hauptmann war schwer an Armen und Beinen verwundet und bewusstlos, aber er lebte, trotz der Verletzungen, die die Orkoiden ihm beigerbacht hatten, als sie große Fleischstücke aus seinem Körper rissen.
    Inmitten brennender zelte und umhereilender Männer stehend dankte Haller dem Imperator, dass er ihnen seine gnade in Form der rettenden Luftunterstützung gezeigt hatte. Die beiden Valkyries standen mit laufenden Triebwerken inmitten des Chaos, ihre Bordschützen misstrauisch nach versprengten Orks Ausschau haltend, ihr Inhalt in Form zweier Gardistentrupps währenddessen gemeinsam mit Hallers Zug das Gelände sichernd.
    ?Leutnant Haller??, schrie eine Stimme von rechts, und Haller fuhr herum und salutierte augenblicklich, als er der Rangabzeichen eines Obersts gewahr wurde. Der hochgewachsene Offizier trug die Plattenrüstung und Tarnkleidung eines imperialen Gardisten, auf seinem Kopf saß ein mit zwei goldenen, gekreuzten Säbeln verzierter Dreischichthelm.
    ?Ja, Sir.?, bestätigte Haller, als der Oberst vor ihm anlangte. Er zögerte, als der Gardistenoffizier ihm die Hand hinstreckte, schlug aber letztlich doch ein.
    ?Oberst Gorekil vom 16. Imperialen Garderegiment. Ein nettes Orknest haben sie da gefunden, Leutnant.?
    ?Wir... Wir hatten nicht mit Unterstützung gerechnet, Sir.?, erklärte Haller zögerlich. Das Auftauchen der Gardisten erschien ihm noch immer wie ein Wunder, aber dieser Mann vor ihm war höchst real und ganz gewiss kein übernatürliches Phänomen.
    Gorekil grinste, in einer Art und Weise, wie Haller es nie von einem Mann seiner Funktion erwartet hätte. ?Nennen sie es Glück, Leutnant, oder von mir aus auch Beziehungen. Mir wurde nur mitgeteilt, dass ein Offizier des Todeskorps von Krieg um Unterstützung in diesem Bereich des Planeten gebeten hat. Wir sind extra aus der Hauptstadt hergeflogen. Hat sich gelohnt, würde ich sagen.? Der Oberst maß die brennenden Zelte mit einem abschätzenden Blick.
    Haller nickte langsam und ohne zu verstehen. Durch die Sohlen seiner Stiefel fühlte er die Hitze der verbrannten Erde.
    ?Diese Orks waren eine interessante Erfahrung.?, fuhr Gorekil unbeirrt fort. ?Meine Jungs haben ein paar von ihnen erwischt, als sie aus den Maschinen sprangen. Sind harte Biester, aber wenn sie laufen, dann laufen sie.? Der Oberst spuckte auf den Boden. Sein Speichel zischte, als er mit der heißen Erde in Kontakt kam.
    ?Können sie unsere verletzten ausfliegen??, fragte Haller.
    Gorekil deutete ein Nicken an. ?Sicher. Ich nehme an, es geht vor allem um ihren Hauptmann. Unser Sani meint allerdings, dass er den Flug zur Hauptstadt nicht überstehen würde.?
    ?Dann bringen sie ihn zurück zum Landsitz, Sir. Dort wird es Möglichkeiten geben, seine Wunden zu versorgen.?
    Gorekil grinste wieder. ?Wie sie wünschen, Leutnant. Sie scheinen zu wissen, was sie wollen.? Er wandte sich um und ging in Richtung der Valkyries davon.
    Sergeant Gutjohn trat neben Haller. ?Mein Funker hat Funkverbindung zum Landsitz, Sir. Es scheint, dass Leutnant Fahrenhorst Beziehungen zum Stab hat, von denen wir bisher nichts wussten.? Der Sergeant zuckte mit den Schultern. ?Sieht aus, als könnten wir uns bei ihm bedanken.?
    Haller sagte nichts. Still nahm er sich vor, mit Fahrenhorst nach seiner Rückkehr zum Landsitz ein oder zwei Gläser des kalopulosischen Weins zu trinken.



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    Nachdem er sichergestellt hatte, dass seine Männer den Weg zurück zum Landsitz auch allein bewältigen würden, stieg Haller zusammen mit Gorekil in eine der Valkyries, um Krüger und andere Verletzte zurück zum Landsitz zu fliegen. Es war eng im Passagierraum des Truppentransporters. Haller und Gorekil mussten mit ausklappbaren Notsitzen an der Heckluke vorlieb nehmen, damit die Sanitäter der Gardisten sich der verwundeten annehmen konnten. Van Bents Leichnam war zwischen die noch Lebenden gelegt worden.
    Haller fühlte sich, als müsste er sich jeden Moment übergeben. Es war sein erster Flug in einer Valkyrie, aber daran lag es nicht. Er hatte seine Männer gefährdet, und viele waren gestorben oder schwer verwundet worden, weil er die falschen Entscheidungen getroffen hatte. Sein erstes wirklich eigenständiges Kommando, seine erste Anordnung ausserhalb der Befehlskette, und schon war alles in einer Katastrophe geendet. Sein Blick glitt zum noch immer bewusstlosen Hauptmann Krüger, und ihm wurde schmerzlich bewusst, wie viel Bewunderung dieser Mann dafür verdiente, dass er seine Kompanie über mehr als ein Dutzend Schlachtfelder immer wieder zum Sieg geführt hatte, dass es die Kompanie trotz aller Widrigkeiten und Schrecken, die die Galaxis dem 43. Regiment des Todeskorps von Krieg entgegenwarf, immer noch gab.
    Vielleicht hatte Strauß recht gehabt, dachte Haller. Vielleicht war er, der auf der Akademie gelernt hatte, seine Männer in den Tod zu schicken, wirklich der bessere Offizier. Vielleicht zählte Kampferfahrung und Tapferkeit doch nicht mehr als adliges Blut.
    Doch auch Krüger war kein Adliger, nach allem, was Haller wusste. Aber auch er hatte die Ausbildung der Offiziersakademie hinter sich, und bei allem, was er tat, schien er sich so unerträglich sicher zu sein...
    ?Woran denken sie, Leutnant??, fragte Gorekil und riss Haller damit aus seinen Gedanken.
    ?An... Nichts, Sir.?, erwiderte Haller. Es musste klingen, als sei er bei einem Verbrechen ertappt worden.
    ?An Nichts...?, wiederholte Gorekil und grinste. ?Leutnant, Mannschaftsdienstgrade denken an Nichts, und meist hat dieses Nichts eine erstaunlich kurvige Form.?
    In einem früheren Leben hätte Haller über die Anzüglichkeit gelacht, jetzt erinnerte sie ihn nur daran, was er war: Ein einfacher Gefreiter, dem das Schicksal ein Offizierspatent in die Hände gedrückt hatte, bevor er auch nur wusste, wie ihm eigentlich geschah.
    ?Kopf hoch, Leutnant.?, meinte Gorekil und klang, als hätte er Hallers Gedanken gelesen. ?Der Tag ist gewonnen. Wir haben gesiegt.?
    ?Ich hätte sie beinahe alle umgebracht, Sir...?
    Gorekil packte Haller an der Schulter und zwang ihn, ihn anzusehen. ?Sie reden Unsinn, Sohn.?, erklärte er mit plötzlicher Strenge in der Stimme. ?Nach dem, was ich gesehen habe, haben sie ihre Männer gut geführt. Die Grünhäute hatten befestigte, getarnte Stellungen, und wenn sie ihre Männer nicht hinter den Hügelkamm zurückgezogen hätten, wäre wohl kaum noch einer von ihnen am leben.? Er schnaubte verächtlich. ?Ich habe in meiner Laufbahn mehr als genug Offiziere erlebt, die ihre Männer in einer solchen Situation in einem Sturmangriff verheizt hätten.?



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!