Ferien im Paradies

    weiter gehts :D

    Die Valkyrie setzte mit einem unsanften Ruck auf dm Hof des Landsitzes auf. Als Haller aus der Zugangsluke sprang, sah er, dass sie erwartet wurden. Die Soldaten der anderen beiden Züge drängten sich vor ihren Unterkünften, und inmitten einer Gruppe von Sanitätern, die weiße Armbinden über den grauen Ärmeln ihrer Uniformröcke trugen, standen Leutnant Fahrenhorst und Leutnant Strauß. Fahrenhorst trat auf Haller zu, kaum dass dessen Füße den Boden berührt hatten, und salutierte.
    Haller erwiderte den Gruß und nahm zur Kenntnis, dass Fahrenhorst seine Haltung noch straffte, als hinter ihm Oberst Gorekil gleichfalls der Maschine entstieg.
    ?Leutnant Haller!?, rief Fahrenhorst über den Lärm der laufen Motoren der Valkyrie hinweg. Sein Gesicht war zu einer Grimasse verzerrt, und Haller konnte sich vorstellen, dass er als Theoretiker sich in der Nähe eines mehrere Tonnen schweren Kampftransporters nicht sonderlich wohl fühlte. ?Es freut mich zu sehen, dass auf mein Gesuch reagiert wurde und die Gardisten ihnen zur Hilfe geeilt sind.? Er nickte, die Hand noch immer zum Salut erhoben, Gorekil zu. ?Wir müssen ihnen danken, Sir.?
    Gorekil winkte ab. ?Wir haben unsere Pflicht getan, Leutnant, und diesmal war es ein verdammtes Vergnügen. Die Grünhäute haben ziemlich dumm geguckt, als wir über sie kamen, und wahrscheinlich noch dümmer, als wir sie mit Promethium kross durchgebraten haben. Von diesen Orks macht sich so schnell keiner mehr über des Imperators Besitz her.?
    ?Dann ist unsere Mission erledigt??, fragte Fahrenhorst.
    ?Beinahe, Sir.?, entgegnete Haller. ?Hauptmann Krüger ist schwer verletzt und muss hier medizinisch versorgt werden. Unser Aufenthalt auf dem Landsitz dürfte sich also noch etwas hinziehen, auch wenn die Bedrohung durch die Orks beseitigt worden ist.?
    Fahrenhorst nickte und winkte seine Sanitäter heran. ?Mit ihrer Erlaubnis, Sir?, wandte er sich an Gorekil, ?lasse ich unsere Verwundeten jetzt behandeln.?
    ?Natürlich.?, entgegnete der Gardistenoberst. Er und Haller traten von der Luke zurück, um den Sanitätern Platz zu machen.
    ?Sie scheinen nicht viele Freunde hier zu haben, Leutnant.?, bemerkte Gorekil so leise es angesichts des Maschinenlärms möglich war. ?Dieser junge Leutnant da drüben starrt sie schon die ganze Zeit so merkwürdig an.? Er nickte in Strauß? Richtung.
    ?Ich bin sein großes Vorbild, Sir.?, bemerkte Haller trocken. Gorekil hatte Recht; Strauß starrte ihn an, als wolle er ihm vor versammelter Kompanie die Kehle durchschneiden. Wahrscheinlich stimmte das sogar...
    ?Und die da drüben??, fragte Gorekil und wies auf eine Gruppe Kalopulosi, die sich um Hauptmann Iolaos zusammengedrängt abseits hielten und die grollende Valkyrie mit Blicken maßen, die zwischen Furcht und Verachtung lagen.
    ?Nun, das sind meine einheimischen Bewunderer, Sir.?
    Gorekil lachte und schlug Haller in einer kameradschaftlichen Geste auf die Schulter. ?Passen sie auf sich auf, Sohn!?, rief er, um dann ohne ein weiteres Wort wieder in die Valkyrie zu steigen.
    Unter den Soldaten erhob sich Unruhe, als die Sanitäter Hauptmann Krügers leblosen Körper aus der Maschine schafften. Viele vollführten vor der Brust das Zeichen des Aquila, als sie die Verbände sahen, die Krügers Leib bedeckten. Haller schloss zu den Sanitätern auf, um zu sehen, wo sie Krüger hinbringen würden.



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    Die Gemächer der Lady Ganaselos wurden nur von einer einzigen flackernden Öllampe erhellt. Das unstete Licht tauchte die von Trauerkleidern verhüllte, neben dem Nachtlager kniende Gestalt der Lady in geisterhafte Schatten. Ihr Gesicht blieb hinter einem seidenen Schleier verborgen, doch Haller hörte sie weinen, hörte ihr Schluchzen und Wimmern.
    Der junge Leutnant sah betreten auf die Spitzen seiner Stiefel herab. Die Diagnose des Sanitäters war eindeutig, eigentlich dürfte Krüger nicht mehr am Leben sein. Dass er dennoch noch immer bewusstlos vor sich hindämmerte, der Atem unregelmäßig und so schwach, dass man kaum noch die Bewegung des Brustkorbs sah. Der Hauptmann hatte Unmengen an Blut verloren, und schon waren die frischen verbände, die ihm kaum vor einer Viertelstunde angelegt worden waren, wieder rot durchtränkt.
    Haller wusste nicht, was er tun sollte. Er hatte geglaubt, Krüger gerettet zu haben, seine Aufgabe trotz allem erfüllt zu haben, und nun schien alles umsonst gewesen zu sein. Krüger würde die nächste nacht nicht mehr erleben, hatte der Sanitäter prognostiziert, und nur Fahrenhorsts erstaunlich beherrschtes Eingreifen hatte ihn vor einem in Wut und Verzweiflung geführten Faustschlag Hallers bewahrt. In seinem ganzen Leben, seit er als Jugendlicher in die planetaren Verteidigungsstreitkräfte von Krieg eingetreten war, hatte Gustav Haller nichts anderes gelernt, als Krieg zu führen, und nun war er allein in einem Raum mit seinem sterbenden Hauptmann und einer trauernden imperialen Adligen, die dabei war, den Mann zu verlieren, den sie anscheinend aufrichtig liebte.
    ?Mylady.?, sagte er leise. ?Mylady, vielleicht solltet ihr euch zurückziehen und zur Ruhe legen. Ihr könnt nicht die ganze Nacht beim Hauptmann wachen.?
    Lady Ganaselos sagte nichts. Als sie sich erhob, würdigte sie Haller keines Blickes, tat aber, was er gesagt hatte. Mit dem Rauschen seidener Gewänder verließ sie den Raum, dann war er allein.
    Haller dachte daran, wie er vor scheinbar unendlich langer Zeit ? gestern, verdammt! ? die Nacht mit ihrer Tochter verbracht und am nächsten Morgen Krüger begegnet war. Sie hatten gescherzt, und Krüger hatte ihn dafür gescholten, Leutnant Strauß in seiner Ehre verletzt zu haben. Wie bedeutungslos das alles jetzt war!
    So leise wie möglich zog Haller einen hölzernen Stuhl an Krügers Lager heran und ließ sich darauf nieder. Er hatte eine lange Nacht vor sich, und der Morgen würde keine Erleichterung bringen.



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    Körtzsniks bionisches Auge tauchte die Nacht in einen angenehmen und auf ihn seltsam beruhigend wirkenden roten Schimmer. Er stellte sich vor, wie das Blut der Menschänz den Boden ihres Lagers rot färben würde, wie er und seine Kommandoz den Sieg erringen würden, ungeachtet aller bisherigen Verluste und in einer Aktion, deren Heimlichkeit und Heimtücke selbst die Kommandotruppen der Imperialen in Ehrfurcht erstarren lassen würde.
    Es waren nicht mehr viele von seinen Grien Bärätz übrig, nicht einmal zwei Dutzend. Aber die, die übrig waren, zählten zu den besten: Keiner von ihnen hatte einen geringeren Rang als Boss Sergänt, und jeder von ihnen trug die Narben und Orden, die bewiesen, was er bisher geleistet hatte. Wie sie um Körtzsnik herum in der Hocke saßen, die Wummen im Anschlag und die Mauer des feindlichen Lagers im blick, wusste der Obazt, dass sie siegen würden. Die Menschänz rechneten nicht mehr mit ihrem Angriff, glaubten in ihrer Arroganz schon an das Ende des Krieges, und nun würden sie dafür bezahlen.
    ?Habta vastanden wat Sache is? Nur Messaz bis zum erstän Schuß.?, brummte Körtzsnik, auf dem Stummel seiner heruntergebrannten Zigarre kauend. ?Keina schießt, bevor dat Zeichen gegebän wird oda da Ballerei von alleine losgeht, vastanden??
    ?Jawoll, Härr Obazt, Sör!?, antworteten die Boyz.
    Körtzsnik grunzte zufrieden. Er maß mit einem letzen Blick die Runde seiner Kommandoz, sah Boss Sergänt Grimnik, der mit Hingabe das Zielfernrohr seiner Spezialwumme ein letztes Mal polierte, Boss Sergänt Skargit, der mit seinem Kampfmessa seine Eckzähne spitz zufeilte, und Boss Leutnant Snikkgrim, dessen gewaltige Fäuste unruhig um die Knäufe seiner am Gürtel befestigten Spaltaz fassten. Patronen wurden in Ladekammern gedrückt, zusätzliche Messa in Scheiden an Stiefeln, Koppeln und an den Oberschenkeln geschoben. Stikkbombz beulten Gürteltaschen und Hosenbeine aus. Boss Leutnant Moshdakka war damit beschäftigt, sein Gesicht unter mehreren Lagen Tarnschmiere zu verbergen, die er auf Armagitzon von einem imperialen Dschungelkämpfer erbeutet hatte.
    ?Könntäst kaum hässlicha werden, Moshdakka, ägal wie viel Schmierä du drauftust.?, schnarrte Snikkgrim. Moshdakka fletschte die Zähne und machte Anstalten, auf den anderen Boss Leutnant loszugehen, doch Grimnik hielt ihn gerade noch zurück.
    ?Ihr lasst keinän am Lebän!?, stellte Körtzsnik ungeachtet der Störung fest. Die Aggressivität der Boys war ein gutes Zeichen. Sie wollten Blut sehen. ?Wer sich ergeben tut, der is ein Feigling und wird wechgemoscht, vastäht ia??
    ?Jawoll, Härr Obazt, Sör!?
    ?Wenn se kämpfen, da Gitzä, dann habän sä?n schnellän Tod verdient. Wenn se nich? kämpfen, dann habt eua?n Spaß.?
    ?Jawoll, Härr Obazt, Sör!?
    Körtzsnik spuckte den Zigarrenstummel aus und ballte die Faust. ?Los gäht?s.?, grollte er.
    Um ihn herum setzten sich zwei Dutzend Orks in bewegung und begannen, auf die Umfassungsmauer zuzukriechen.
    Der Obazt überprüfte ein letztes Mal seine Ausrüstung. Die sechsschüssige Knarre saß fest im Holster an der Außenseite seines Oberschenkels, sein Lieblingsmessa steckte in der Scheide vor seiner Brust. Der weiche Stoff des Baretts schmiegte sich beruhigend an seinen kahlen Schädel.
    Er war bereit zu töten.



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    Krügers Zustand verschlechterte sich zusehends. Der Hauptmann war in einen fiebrigen Dämmerzustand verfallen, bewegte ruhelos und unverständliche Laute ausstoßend die verletzten Glieder. Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Haller wusste keinen besseren Rat, als dem Sterbenden mit einem Tuch die Stirn zu wischen und ihm vorsichtig und in kleinen Schlucken Wasser aus einer Tonschale einzuflößen, das der Hauptmann, obwohl er nicht bei klarem Bewusstsein war, gierig trank.
    Als das Wasser zur Neige ging, beschloss Haller, selbst Nachschub zu holen. Er hätte nach einem Dienstboten rufen können, um den großen Krug neu zu füllen, aber ihn selbst drückte nach Stunden des Wachens die Blase, und auch wenn er es sich selbst kaum eingestehen wollte, so war ihm die fortdauernde Gegenwart des um sein Leben ringenden Krügers doch unerträglich geworden, so dass er sich zumindest nach einem kurzen Moment der Einsamkeit sehnte.
    Als Haller in die Nacht hinaus trat, war ihm, als würde die Nachtluft eine unerträgliche Last von seiner Brust fortnehmen. Mit unsicheren Schritten ging er bis hinter die Stallgebäude, in denen die Männer der übrigen zwei Züge schliefen, während Sergeant Gutjohn und die Männer von Hallers Zug noch immer auf dem Marsch zurück zum Landsitz waren. Es würde eine grausame Aufgabe sein, ihnen am Morgen zu berichten, dass alle Opfer und Entbehrungen, die sie aufgebracht hatten, umsonst gewesen waren, dass Hauptmann Krüger trotz ihres Einsatzes gestorben war.
    Haller ging ein Stück vom Stall fort, in Richtung der Umfassungsmauer. Das Gras wuchs hier hüfthoch, entzog sich der Aufmerksamkeit der Bediensteten. Haller trat zwischen die hohen Halme und öffnete den Reisverschluss seiner Hose, um sich zu erleichtern.
    Zu seinen Füßen knurrte etwas, und als Haller hinabblickte, blitzten ihm zwei winzige, listige Augen und eine Reihe mörderischer Hauer in einer widerwärtigen Fratze entgegen. Der Ork richtete sich in provozierender Langsamkeit auf, ein gewaltiges Messer in seiner Rechten.
    Hallers linke Hand fuhr an seine Hüfte, und als seine Finger ins Leere griffen, wurde dem Leutnant bewusst, dass er sein Waffenholster abgelegt und über die Lehne des Stuhls in den Gemächern der Lady gehängt hatte.
    Der Ork war um mindestens zwei Köpfe größer als Haller. Sein gewaltiges Maul war zu einem bedrohlichen Grinsen verzogen, als er das Messer hob, sich mit dem freien Arm den Urin aus dem Gesicht wischend. Haller wusste nicht, warum der Ork noch zögerte. Vielleicht wartete er auf einen laut oder einen versuch der Gegenwehr, vielleicht wollte er den Moment auch nur auskosten. Diese Xenos waren mordlustige Bestien, und dieser hier vor ihm schien keine Ausnahme zu sein.
    Haller hatte keine Angst. Es war lächerlich, angesichts eines bewaffneten Orkkriegers keine Furcht zu empfinden, aber in Haller schien in diesem Moment jedes Gefühl erloschen. In Gedanken wog er die Möglichkeiten ab, ob er noch dazu kommen würde, zu schreien, bevor der Ork ihn tötete, oder ob er es mit Gegenwehr versuchen sollte.
    Der Ork nahm ihm die Entscheidung ab. Als er die gewaltige Pranke nach hallers Mund ausstreckte, um den Menschen ein für allemal zum Schweigen zu bringen, rammte Haller ihm die bionische Faust in den Magen. Er spürte den bauch des Orks unter dem Schlag nachgeben, fühlte seinen Arm tief in die warmen Innereien des Xenos hineinstoßen. Das Kampfmesser fiel zu Boden, und der Kehle des Orks entwand sich ein einzelner langgezogener, gurgelnder Schrei. Haller riss die Faust zurück, was ein ekelerregendes Platschen mit sich brachte, und rief Alarm.
    Es war fast, als hätten sein Ruf und der Todesschrei des Orks den Kampf eröffnet: Von den Stallgebäuden waren plötzlich ratternde Feuerstöße und mehrere aufeinanderfolgende Explosionen zu hören, gleichzeitig riefen Sergeants nach ihren Männern und bisher unsichtbare Orkkrieger schrieen auf. Haller wurde bewusst, dass er waffenlos und abseits seiner Männer kaum die nächsten Sekunden überleben würde. Er rannte los, zu den Hauptgebäuden zurück.
    Das Chaos der Schlacht erwartete ihn. Auf dem Innenhof des Landsitzes kämpften gut zwanzig Soldaten des Todeskorps in Unterwäsche und ohne Stiefel gegen drei gewaltige Orks, die trotz ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit das Getümmel bis an die Zähne bewaffnet und auf den Kampf eingestellt dominierten. Viele der Menschen bluteten aus diversen Wunden. Im Stall züngelnde Flammen und geborstene Türen und Fenster verrieten, dass die Orks sie mit Granaten aus ihrem improvisierten Schlafsaal getrieben hatten. Nur die glücklichsten von ihnen hatten es überhaupt noch geschafft, ihre Waffe mit hinaus zu retten, der Rest musste sich mit Klappspaten oder den bloßen Fäusten begnügen.
    Haller unterlief den Axthieb eines Orks und sprang ihm an die Kehle, den Kehlkopf des Xenos mit dem unnachgiebigen Druck seiner stählernen Finger zerquetschend. Die Männer um ihn erledigten das Ungetüm endgültig, als es röchelnd zu Boden ging.
    Die beiden anderen Orks schienen vom Ende ihres Genossen wenig beeindruckt. Sie fuhren damit fort, auf die halbnackten Menschen einzuhacken und einzelne Schüsse aus ihren großkalibrigen Waffen abzugeben. Soldaten, die wochenlang in den Grabenkämpfen von Myrmillio III überlebt hatten, die es durch die Straßengefechte von Innsborough geschafft hatten, fielen nun innerhalb von Minuten der brachialen, barbarischen Gewalt der Grünhäute zum Opfer.
    Haller sprintete geduckt über den Hof, zurück zu den Ställen. Sein Blick hatte etwas metallisch schimmerndes gestreift, von dem er hoffte, dass es das war, was er zu sehe geglaubt hatte.
    Das Glück war mit ihm. Der kompakte Plasmawerfer war durch die Detonationen aus dem Stallgebäude geschleudert worden, schien aber unbeschädigt geblieben zu sein. Haller dankte dem Imperator in einem Stoßgebet, fuhr herum und entsicherte die Waffe. Der Werfer brummte und klackte, als die Plasmazellen langsam ihre Ladung in die Reaktionskammer pumpten. Die Kühlrippen begannen zu leuchten, kündeten von dem Versuch, die Urgewalten, die sich im Innern der Waffe aufbauten, im Zaum zu halten.
    Haller zielte und schoss, über die Köpfe der Soldaten hinweg. Die Orks waren große, dankbare Ziele, und sie hatten den blau glühenden Plasmabällen nichts entgegenzusetzen. Der Kopf des ersten Verging einfach und unimposant, der enthauptete Körper fiel zu Boden. Auch der zweite Ork entkam der göttlichen Gewalt des Plasmas nicht, sein Oberkörper wurde innerhalb von Sekundenbruchteil von zwei leuchtenden Miniatursonnen hinweggefegt.
    Hallers Waffe zischte. Sie war kurz vor der Überhitzung, aber noch war das Werk dieser Nacht nicht getan. Als die Soldaten auf dem Hof ihn hoffnungsvoll ansahen wusste er, was er zu tun hatte.
    ?Bewaffnen und truppweise sammeln!?, befahl er. ?Verteidigungsstellung im Haupthaus beziehen, Eindringlinge zurückschlagen.?



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    Kruppkes massige Gestalt tauchte neben Haller auf. Der Hauptgefreite bot in seiner weißen Feinrippunterwäsche, deren Hemd sich über seinem Bauch spannte, einen grotesken Anblick. Er schnaufte eine ganze Weile, bevor es ihm gelang, einen sinnvollen Satz herauszubringen. ?Leutnant Haller?, sagte er, ?Sir, die Orks sind bereits im Gebäude.?
    Haller nickte, den beunruhigend warmen Plasmawerfer an die Schulter gelehnt. Er stand unmittelbar vor dem Eingang des Haupthauses. Von drinnen waren Schüsse zu hören, Schreie und gebellte Befehle.
    ?Das ändert nichts an meinem Befehl, Hauptgefreiter.?, entgegnete Haller. ?Bewaffnen sie die Männer soweit es möglich ist, dann stoßen sie ins Gebäude vor und vertreiben die Orks daraus. Wir müssen den Landsitz halten.? Haller spuckte aus, brachte den Plasmawerfer in Anschlag und stürmte durch die offenstehende Tür, bevor Kruppke auch nur antworten konnte.
    Eine Geschossgarbe pfiff an ihm vorbei, kaum dass er den Hauptkorridor im Erdgeschoss betreten hatte. Haller wirbelte geduckt herum, den kompakten Plasmawerfer eng an die Brust gepresst, und feuerte seinerseits eine Salve Plasmaentladungen. Die glühenden Geschosse tauchten den Gang in bläuliches Licht, das Haller einen Moment geblendet die Augen schließen ließ. Als er wieder klar sehen konnte, lagen zwei Orks verkrümmt und mit verbannten Torsi auf dem Boden.
    Haller ging langsam vor, über die Körper der Orks hinweg. An jeder Tür blieb er stehen, sicherte den dahinter liegenden Raum mit einem schnellen Schwenk der Waffe. Er hatte Glück, dort warteten keine weiteren Orks auf ihn. Hinter sich hörte er, wie die ersten Soldaten des Todeskorps das Gebäude betraten. Es war beruhigend, sie hinter sich zu wissen.
    Aus einigen Räumen starrten ihm verängstigte Hausbedienstete entgegen, die sich hinter umgestürzten Tischen und Regalen versteckt hatten. Haller versuchte, sie mit Handzeichen zu beruhigen und ihnen begreiflich zu machen, dass sie bleiben sollten, wo sie waren. Das letzte, was die Soldaten des Todeskorps jetzt noch gebrauchen konnten, waren panische Zivilisten, die durchs Schussfeld liefen.
    Als er den Absatz der Treppe hinauf ins Obergeschoss erreicht hatte, vibrierte der Werfer in seinen Händen. Haller warf einen Blick auf die Statusanzeige der Waffe, konnte jedoch wenig aus den kryptischen Symbolen ablesen. Das rote Blinken der Leuchtziffern verhieß nichts gutes, doch Haller verstand zuwenig von Plasmawaffen, um jetzt etwas dagegen zu unternehmen. Er konnte nur hoffen und beten, dass die Waffe ihn nicht vorzeitig im Stich lassen würde.
    Von oben war das Grunzen und Schnauben mehrerer Orks zu hören. Dumpfe Schläge kündeten davon, dass die Xenos wohl versuchten, verschlossene Türen aufzubrechen. Mit etwas Glück hatten sie nicht einmal bemerkt, dass ihre Kameraden im Erdgeschoss nicht mehr am Leben waren.
    Die Soldaten hatten innerhalb weniger Augenblicke zu Haller aufgeschlossen. Mit gemischter Bewaffnung und in äußerst unvorschriftsmäßiger Bekleidung drängten sie sich hinter dem Leutnant, auf seinen Befehl wartend. Mit aller gebotenen Vorsicht trat Haller so leise wie möglich auf die erste Treppenstufe, bedeutet den Männern, ihm mit ebensolcher Vorsicht zu folgen.
    Die wenigen Stufen der Treppe wurden zu einem schier endlosen Aufstieg. Das vorhergehende Feuergefecht hatte die hölzerne Treppe in Mitleidenschaft gezogen, ganze Stücke aus ihr herausgerissen und sie mit zertrümmertem Mobiliar, Stofffetzen und toten Kriegern der kalopulosischen Wache gleichsam übersät. Schwere Kampfstiefel waren nicht gerade dafür gemacht worden, sich auf solchem Grund leise zu bewegen, und die ständige Furcht davor, im nächsten Moment einen Ork mit im Anschlag gehaltenen Maschinengewehr am anderen Ende der Treppe auftauchen zu sehen, ließ Haller und seine Männer diese Aufgabe nicht gerade mit Gelassenheit angehen.
    Als sie die letzte Stufe nahmen hämmerten von beiden Seiten die Salven der Orks auf sie ein. Mit einem Schrei auf den Lippen erwiderten Haller und seine Soldaten das Feuer.



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!


    Die Tragegurte des schweren Gepäcks schnitten tief in Krügers Schultern, selbst durch den dick gefütterten Mantel hindurch. Nach einer halben Woche des auf sich allein gestellten Marschierens in der nuklearen Eiswüste, die diesen Teil der Oberfläche von Krieg bestimmte, wusste der junge Kadett nicht mehr, ob er noch bei Verstand war oder schon längst die Grenze zum Wahnsinn hinter sich gelassen hatte. Fast erstickend unter der Atemschutzmaske waren es nur zwei Gedanken, mit denen sich sein übermüdetes Hirn noch beschäftigte: Der Gedanke an Wasser und der sehnliche Wunsch, in der Ferne endlich das Leuchtfeuer des Sammelpunkts lodern zu sehen. Wenn es denn so etwas wie einen Sammelpunkt je gegeben hatte...
    Den Kompass hatte der Vierzehnjährige vor zwei Tagen fortgeworfen. Die Strahlung störte den Ausschlag der Nadel, eine Orientierung war damit nicht möglich. Mit der Karte hatte er in letzter Not sein Lagerfeuer angezündet; auch sie war angesichts der kargen Landschaft unnütz.
    Seine Beine waren unendlich schwer geworden in den langen Stunden seiner Wanderschaft. Wenn er jetzt aufgab und sich nur einen Moment lang erlaubte, die müden Glieder auf der Erde auszustrecken, so wäre er verloren, das wusste Krüger noch, und das war das einzige, was ihn noch dazu brachte, einfach weiterzugehen. Er wollte nicht hier draußen sterben, in dem Wissen darum, aufgegeben zu haben.
    ...
    ?Ihre Prüfungsergebnisse in Mathematik lassen in letzter Zeit zu wünschen übrig, Kadett Krüger.?, begann Hauptmann Kaltenbrunn unverhohlen das Gespräch, zu dem er den jungen Kadetten in sein Büro befohlen hatte. Als Krügers Tutor war es Kaltenbrunns Aufgabe, über die Leistungen des Kadetten zu wachen.
    ?Ja, Sir.?, entgegnete Krüger.
    ?Sind sie überfordert, Kadett??
    ?Nein, Sir.? Krüger wusste, dass ein ?Ja? bedeutet hätte, dass er seine Sachen packen und die Akademie hätte verlassen können, allerdings nicht um nach Hause zurückzukehren, sondern um den Rest seines kümmerlichen Daseins in einem Strafbataillon zu fristen. Er hatte zu viel darüber gelernt, was es bedeutete, ein Offizier der imperialen Armee zu sein, als dass man ihn noch zurück in die Freiheit des Zivillebens hätte entlassen können.
    ?Nun, mit diesen Leistungen ist es unwahrscheinlich, dass sie die Abschlussprüfungen dieses Semesters bestehen werden.? Kaltenbrunn lehnte sich mit den Ellenbogen auf seinen aus importiertem Edelholz gefertigten Schreibtisch. ?Was gedenken sie dagegen zu tun, Kadett Krüger??
    ?Ich werde mehr lernen müssen, Sir...?, sagte Krüger kleinlaut. Sein tagesabauf war bereits zum Bersten gefüllt mit jeder Art von Studium und körperlicher Ertüchtigung, er hatte buchstäblich keine Freizeit. Er konnte nicht mehr lernen, aber dies einzugestehen hätte sein Ende bedeutet.
    ?In der Tat.?, brummte Kaltenbrunn. ?Ihnen ist klar, dass sie deswegen ihre bisherigen Pflichten nicht vernachlässigen dürfen??
    ?Ja, Sir.?
    ?Gut. Sie melden sich von nun an jeden Abend um 23.00 Uhr hier in meinem Büro. Ich werde ihnen persönlich Nachhilfeunterricht erteilen, bis sie ihre Leistungen auf einen angemessenen Stand zurückgebracht haben.?
    ?Sir, das fällt in die Ruhephase! Es wäre ein Verstoß gegen die Akademievorschriften, zu diesem Zeitpunkt noch außerhalb meines Quartiers zu sein.?
    ?Ich habe ihnen soeben eine Ausnahmegenehmigung erteilt, Kadett. Und falls sie sich um ihre Nachtruhe sorgen: Wir alle müssen Opfer bringen.?
    ...
    Mit steifen Fingern griff Krüger nach dem Marker, der seine Kommandoabteilung in der im Modell nachgestellten Szenerie eines Dorfes repräsentierte. Seine Truppen waren rund um den Hauptplatz in ihren Stellungen gefangen, ihre einzigen Fluchtwege versperrt durch die Feuerbereiche zweier Leman Russ Kampfpanzer.
    Das kaum merkliche Lächeln des Panzerkadetten, der Krüger gegenüberstand, ließ den Triumph erahnen, den der junge Mann schon jetzt empfand. Er stand stramm und streng vorschriftsmäßig da in seiner schwarzen Uniform, das weite Barett der Panzertruppen tief in der Stirn, und wirkte dennoch entspannt und erleichtert. Er hatte die Prüfung so gut wie bestanden, auf Kosten des Kadetten Krüger.
    ?Sie scheinen versagt zu haben, Krüger.?, stellte Kommissar Hahnekamp, der Prüfungsleiter, fest, so sachlich und beiläufig, als habe er eben einen Kommentar zum Wetter abgegeben. Hahnekamp schaute auf die silberne Taschenuhr in seiner Hand. ?Ein letzter Versuch zur Rettung ihrer Note??, fragte er.
    Krüger nickte. Er setzte den Marker um.
    Hahnekamp sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    ?Meine Kommandoabteilung unternimmt einen Sturmangriff auf den Befehlspanzer des Feindes. Seine Vernichtung wird einen Fluchtweg für meine Truppen schaffen.?, erklärte Krüger das Manöver.
    ?Selbstmord, Krüger??, fragte Hahnekamp nach.
    ?Pflichterfüllung, Sir.?
    ...
    Krüger schlug die Augen auf. Schreie. Schüsse.
    Seine Männer brauchten ihn. Er würde nicht versagen.



    Das Leben ist wie die Seife in einer Gefängnisdusche!