Das Recht des Stärkeren
Der Atem des Reiters auf dem großen, weißen Pferd wirkte beinahe wie Rauch in der kalten Luft des morgendlichen Waldes. Das weiche, noch von halb gefrorenem Tau benetzte Gras bog sich leicht unter dem ersten Hauch des warmen Frühlingswindes.
Die ersten Blumen des Jahres standen schon in voller Blüte, die dicke Schneedecke war geschmolzen, doch trotzdem war die Luft kalt, eine letzte Spur der eisigen Herrschaft des Winters, dessen weiße Truppen sich bereits auf dem Rückzug befanden.
Der Schimmelhengst schnaubte, sein warmer Atem wirkte in der Kälte wie der Rauch aus den Nüstern eines Drachen. Der weiß gekleidete Reiter beugte sich hinab und klopfte beruhigend auf den Hals des großen Tieres. Er strich sanft über die hellgraue Mähne, tätschelte die dicken Muskeln am Hals des Pferdes. Dann lockerte er die Zügel, und der Schimmel verlangsamte seine Gangart zu einem leichten Trab.
Der Reiter setzte sich wieder auf, griff mit beiden Händen nach oben, um den weißen Vollwisierhelm aufzumachen. Ein edles Gesicht kam darunter zum Vorschein.
Sanfte, angenehme Züge und eine gerade Nase verliehen dem Mann eine Spur von Jugend, beinahe Jungenhaftigkeit, obwohl er nicht mehr wirklich jung war.
Der Reiter atmete tief durch, sog die kalte Waldluft in seine Lungen, dann nahm er den Helm ab. Sein braunes, langes Haar fiel ihm zu einem Zopf zusammengebunden bis zu den Schultern und glänzte wie geölt. Der Reiter schüttelte erleichtert den Kopf und streckte seine Nackenmuskeln, froh, die Last des Helmes los zu sein.
Ihm schien nun keine unmittelbare Gefahr zu drohen. Er konnte nichts Böses spüren.
Ein verirrter Sonnenstrahl brach durch die dichten Baumkronen des Waldes und beleuchtete einen Augenblick lang das Gesicht des Reiters. Er blinzelte und hob kurz die Hand hoch, um lächelnd seine Augen vor dem strahlenden Licht des Frühlings abzuschirmen. Er sah es als gutes Zeichen für seine Mission.
Bei diesem Gedanken glitt des Reiters linke Hand auf seine Hüfte und berührte locker den Griff seines Langschwertes. Sein Lächeln verblasste.
Er ließ die Augen über den Waldweg vor ihm schweifen und brachte den Hengst mit einem leichten Zug an den Zügeln zum Stehen.
Im Halbdunkeln des aus dem nächtlichen Schlaf erwachenden Waldes versuchte er, eine Spur dessen zu finden, wegen dem er hier war.
Im nassen Schlamm des Waldweges zeichnete sich die Fährte jedes Tieres ab, das hier letzte Nacht vorbei gekommen war, nicht aber die Spur des Finsteren. Es schien, als würde das Pferd, welches er ritt, wie ein Geist über den Boden geschwebt sein, denn andere Hufspuren als die von Rehen waren weit und breit nicht zu sehen.
Und doch wusste der Reiter, dass der Finstere hier vorbei gekommen sein musste. Sein Pferd, auch wenn es keine Spuren hinterließ, konnte trotzdem nicht durch den dichten Wald reiten, ohne über ein verborgenes Loch zu stolpern und sich die Beine zu brechen. Und das würde der finstere Reiter nicht riskieren wollen.
Nein, dachte der Schimmelreiter verärgert. Der Mann, den er verfolgte, nannte sich der schwarze Ritter. Der Reiter auf dem weißen Pferd kannte seine Art, hatte sie schon zu Dutzenden niedergestreckt. Das Leben ihres Pferdes, das Leben ihrer Mitmenschen kümmerte sie nicht, aber sie würden nicht auf eine Transportmöglichkeit verzichten. Deswegen hatte der schwarze Ritter nicht gewagt, durch den Wald zu reiten. Er war sicher auf dem Weg geblieben. Wo aber waren dann seine Spuren?
Der Reiter schüttelte verärgert den Kopf. Auch wenn der Finstere keine Spuren hinterließ so würde er ihm doch nicht entkommen. Es war die Pflicht des Reiters, als einer von Heironeus auserwählten Paladinen, die Unschuldigen vor dem starken Bösen zu beschützen.
Und der schwarze Ritter war böse.
Der Reiter setzte seinen Helm wieder auf und ließ seinen Schimmel mit sanftem Druck zu einem schnellen Trab übergehen. Seine Blicke suchten weiter den Waldweg ab, doch noch immer waren keine Spuren zu finden. Der Paladin erlaubte seinen Gedanken, in die Vergangenheit zurück zu schweifen.
Er hatte das Bauernhaus am letzten Abend gefunden. Noch bei der bloßen Erinnerung daran, was er dort gesehen hatte, packte den Paladin blanker Zorn. Die Bauern, unschuldige und fromme Leute, die tagtäglich ehrlicher Arbeit auf den Feldern nachgingen, waren brutal abgeschlachtet worden. Blut war durch alle Zimmer gespritzt, Innereien lagen in Haufen verstreut herum. Die ganze Familie war tot gewesen. Fast.
Der Reiter hatte einen kleinen Jungen gefunden, im Stall zwischen den Kühen versteckt, der
das Gemetzel überlebt hatte. Er hatte dem Paladin von dem schwarzen Ritter erzählt.
Er war mit seinem Rappen einfach zum Hof geritten gekommen und als die Bauernfamilie sich versammelt hatte, um ihn zu begrüßen, hatte er angefangen, sie abzuschlachten.
Die meisten hatten versucht, sich ins Haus zu retten, doch die Tür war dem schwarzen Ritter kein Hindernis gewesen. Der Junge hatte, verborgen zwischen den Kühen, den Sterbeschreien seiner Familie gelauscht. Er hatte es stundenlang nicht gewagt, den Stall zu verlassen.
Der Paladin hatte den Jungen zum nahe gelegenen Dorf gebracht, und ihn dort gelassen.
Dann hatte er die Spur des Reiters aufgenommen, welche er erst im Wald verloren hatte.
Aber trotzdem würde er den Ritter finden und ihn vernichten.
Das war Gerechtigkeit. Heironeus Gerechtigkeit würde herrschen.
Der Reiter kam zu einer kleinen Lichtung, wo der Waldweg einen scharfen Knick machte.
Eine baufällige Hütte, offenbar unbewohnt, stand zwischen den Bäumen am Rande der Lichtung versteckt. Und davor wartete des schwarze Ritter.
Er saß regungslos und stumm auf seinem Reittier, einem Pferd von der Farbe der Nacht.
Das Tier war so groß, dass es selbst den Schimmel des Paladins winzig erscheinen ließ und so dunkel, wie das andere Pferd weiß war. Das Tier selbst verströmte den Geruch des Bösen. Und weder Reiter noch Pferd bewegten sich.
Einen Augenblick lang war der Paladin vor Überraschung wie gelähmt. Es war offenbar, dass der schwarze Ritter auf ihn gewartet hatte. Aber woher hatte er gewusst, dass er verfolgt wurde? Es war nicht üblich für einen Schurken, sei er auch noch so von sich selbst überzeugt, sich dem strahlenden Schwert eines Paladins zu stellen. Das hatte noch keiner getan.
Was also machte der schwarze Ritter hier?
Der Atem des Reiters auf dem großen, weißen Pferd wirkte beinahe wie Rauch in der kalten Luft des morgendlichen Waldes. Das weiche, noch von halb gefrorenem Tau benetzte Gras bog sich leicht unter dem ersten Hauch des warmen Frühlingswindes.
Die ersten Blumen des Jahres standen schon in voller Blüte, die dicke Schneedecke war geschmolzen, doch trotzdem war die Luft kalt, eine letzte Spur der eisigen Herrschaft des Winters, dessen weiße Truppen sich bereits auf dem Rückzug befanden.
Der Schimmelhengst schnaubte, sein warmer Atem wirkte in der Kälte wie der Rauch aus den Nüstern eines Drachen. Der weiß gekleidete Reiter beugte sich hinab und klopfte beruhigend auf den Hals des großen Tieres. Er strich sanft über die hellgraue Mähne, tätschelte die dicken Muskeln am Hals des Pferdes. Dann lockerte er die Zügel, und der Schimmel verlangsamte seine Gangart zu einem leichten Trab.
Der Reiter setzte sich wieder auf, griff mit beiden Händen nach oben, um den weißen Vollwisierhelm aufzumachen. Ein edles Gesicht kam darunter zum Vorschein.
Sanfte, angenehme Züge und eine gerade Nase verliehen dem Mann eine Spur von Jugend, beinahe Jungenhaftigkeit, obwohl er nicht mehr wirklich jung war.
Der Reiter atmete tief durch, sog die kalte Waldluft in seine Lungen, dann nahm er den Helm ab. Sein braunes, langes Haar fiel ihm zu einem Zopf zusammengebunden bis zu den Schultern und glänzte wie geölt. Der Reiter schüttelte erleichtert den Kopf und streckte seine Nackenmuskeln, froh, die Last des Helmes los zu sein.
Ihm schien nun keine unmittelbare Gefahr zu drohen. Er konnte nichts Böses spüren.
Ein verirrter Sonnenstrahl brach durch die dichten Baumkronen des Waldes und beleuchtete einen Augenblick lang das Gesicht des Reiters. Er blinzelte und hob kurz die Hand hoch, um lächelnd seine Augen vor dem strahlenden Licht des Frühlings abzuschirmen. Er sah es als gutes Zeichen für seine Mission.
Bei diesem Gedanken glitt des Reiters linke Hand auf seine Hüfte und berührte locker den Griff seines Langschwertes. Sein Lächeln verblasste.
Er ließ die Augen über den Waldweg vor ihm schweifen und brachte den Hengst mit einem leichten Zug an den Zügeln zum Stehen.
Im Halbdunkeln des aus dem nächtlichen Schlaf erwachenden Waldes versuchte er, eine Spur dessen zu finden, wegen dem er hier war.
Im nassen Schlamm des Waldweges zeichnete sich die Fährte jedes Tieres ab, das hier letzte Nacht vorbei gekommen war, nicht aber die Spur des Finsteren. Es schien, als würde das Pferd, welches er ritt, wie ein Geist über den Boden geschwebt sein, denn andere Hufspuren als die von Rehen waren weit und breit nicht zu sehen.
Und doch wusste der Reiter, dass der Finstere hier vorbei gekommen sein musste. Sein Pferd, auch wenn es keine Spuren hinterließ, konnte trotzdem nicht durch den dichten Wald reiten, ohne über ein verborgenes Loch zu stolpern und sich die Beine zu brechen. Und das würde der finstere Reiter nicht riskieren wollen.
Nein, dachte der Schimmelreiter verärgert. Der Mann, den er verfolgte, nannte sich der schwarze Ritter. Der Reiter auf dem weißen Pferd kannte seine Art, hatte sie schon zu Dutzenden niedergestreckt. Das Leben ihres Pferdes, das Leben ihrer Mitmenschen kümmerte sie nicht, aber sie würden nicht auf eine Transportmöglichkeit verzichten. Deswegen hatte der schwarze Ritter nicht gewagt, durch den Wald zu reiten. Er war sicher auf dem Weg geblieben. Wo aber waren dann seine Spuren?
Der Reiter schüttelte verärgert den Kopf. Auch wenn der Finstere keine Spuren hinterließ so würde er ihm doch nicht entkommen. Es war die Pflicht des Reiters, als einer von Heironeus auserwählten Paladinen, die Unschuldigen vor dem starken Bösen zu beschützen.
Und der schwarze Ritter war böse.
Der Reiter setzte seinen Helm wieder auf und ließ seinen Schimmel mit sanftem Druck zu einem schnellen Trab übergehen. Seine Blicke suchten weiter den Waldweg ab, doch noch immer waren keine Spuren zu finden. Der Paladin erlaubte seinen Gedanken, in die Vergangenheit zurück zu schweifen.
Er hatte das Bauernhaus am letzten Abend gefunden. Noch bei der bloßen Erinnerung daran, was er dort gesehen hatte, packte den Paladin blanker Zorn. Die Bauern, unschuldige und fromme Leute, die tagtäglich ehrlicher Arbeit auf den Feldern nachgingen, waren brutal abgeschlachtet worden. Blut war durch alle Zimmer gespritzt, Innereien lagen in Haufen verstreut herum. Die ganze Familie war tot gewesen. Fast.
Der Reiter hatte einen kleinen Jungen gefunden, im Stall zwischen den Kühen versteckt, der
das Gemetzel überlebt hatte. Er hatte dem Paladin von dem schwarzen Ritter erzählt.
Er war mit seinem Rappen einfach zum Hof geritten gekommen und als die Bauernfamilie sich versammelt hatte, um ihn zu begrüßen, hatte er angefangen, sie abzuschlachten.
Die meisten hatten versucht, sich ins Haus zu retten, doch die Tür war dem schwarzen Ritter kein Hindernis gewesen. Der Junge hatte, verborgen zwischen den Kühen, den Sterbeschreien seiner Familie gelauscht. Er hatte es stundenlang nicht gewagt, den Stall zu verlassen.
Der Paladin hatte den Jungen zum nahe gelegenen Dorf gebracht, und ihn dort gelassen.
Dann hatte er die Spur des Reiters aufgenommen, welche er erst im Wald verloren hatte.
Aber trotzdem würde er den Ritter finden und ihn vernichten.
Das war Gerechtigkeit. Heironeus Gerechtigkeit würde herrschen.
Der Reiter kam zu einer kleinen Lichtung, wo der Waldweg einen scharfen Knick machte.
Eine baufällige Hütte, offenbar unbewohnt, stand zwischen den Bäumen am Rande der Lichtung versteckt. Und davor wartete des schwarze Ritter.
Er saß regungslos und stumm auf seinem Reittier, einem Pferd von der Farbe der Nacht.
Das Tier war so groß, dass es selbst den Schimmel des Paladins winzig erscheinen ließ und so dunkel, wie das andere Pferd weiß war. Das Tier selbst verströmte den Geruch des Bösen. Und weder Reiter noch Pferd bewegten sich.
Einen Augenblick lang war der Paladin vor Überraschung wie gelähmt. Es war offenbar, dass der schwarze Ritter auf ihn gewartet hatte. Aber woher hatte er gewusst, dass er verfolgt wurde? Es war nicht üblich für einen Schurken, sei er auch noch so von sich selbst überzeugt, sich dem strahlenden Schwert eines Paladins zu stellen. Das hatte noch keiner getan.
Was also machte der schwarze Ritter hier?